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Christoph Sepin

Pixel, Post-Punk, Psychedelia und sonstige Ableger der Popkultur

18. 11. 2016 - 17:15

Lieber Mann

In ihrem ersten Buch "Die Männer meines Lebens" schreibt Mary-Louise Parker Briefe an ihre wichtigsten männlichen Wegbegleiter.

Wer sind die Männer im Leben von Mary-Louise Parker? Die Väter und Vaterfiguren, die Liebhaber und Freunde? Die Steuerberater, Pastoren und Fremde, an denen man nur kurz vorüber geht, in Gedanken aber hängenbleibt?

Dem geht die Schauspielerin und Autorin in ihrem ersten Buch auf den Grund. "Dear Mr. You" heißt das auf Englisch, "Die Männer meines Lebens" auf Deutsch. In Form von persönlichen Briefen, die sie an all die Männer adressiert, die bei ihr einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.

Lieber Mann: für dich, so unerlässlich und ungestüm, den zu verstehen ich versucht habe, für dich, der du transportierst, getröstet und niedergeschmettert hast, manchmal gleichzeitig. Für die, die ich nie kennengelernt habe und für die, die nie kennengelernt zu haben ich mir oft wünsche. Für euch.

Die Männer meines Lebens Cover

S. FISCHER

"Die Männer meines Lebens" von Mary-Louise Parker, aus dem Amerikanischen von Anette Grube, ist im S. FISCHER Verlag erschienen.

Für die Leute, die zählen

Mary-Louise Parker schreibt in einem Brief an den Großvater, den sie nie kennenlernte, in einem anderen an einen Ex-Freund, mit dem sie persönliche Tiefpunkte erreichte und dann wieder an den einen Mann, den sie nur für einen Sommer gekannt hat.

Dadurch entsteht nicht nur eine Reihe von Einblicken in das Leben der Menschen, die ihr wichtig waren und sind, sondern vor allem in das Leben von Parker selbst. "Die Männer meines Lebens" ist im Prinzip ihre Autobiographie, nur eben eine, die durch das Verfassen als Briefe eine ungewöhnliche, persönlichere Form annimmt.

Ich erinnere mich, dass du mir, als du in den Pyrenäen gewandert bist, auf einem Berggipfel Blumen gepflückt und sie mir in einem winzigen geflochtenen Körbchen mitgebracht hast, das ich bis heute aufbewahre, obwohl die Blumen längst zu Staub zerfallen sind. Ich habe über uns geschrieben, als du weg warst, in ein Notizbuch, in dem auch das Ende festgehalten ist. Der letzte Eintrag ist hastiges zorniges Gekritzel das lautet: Zeit, das kalte Biest. Die Zeit sollte weinen, weil sie mich ohne dich verbracht hat.

Durch das Adressieren nicht an die Leser und Leserinnen, sondern an die Männer, die die größte Rolle für Parker spielen, lässt sie an ihren zerbrechlichsten, ihren nachdenklichsten und wichtigsten Momenten teilhaben. An ihren Beziehungen, ihrer Liebe, ihrer Selbstentdeckung und ihrem Familienleben.

Auf einer Taxifahrt die Sixth Avenue entlang sagte dein Enkel: "Mommy, gibt es nicht so viele erstaunliche Dinge auf der Welt? Haben wir nicht Glück, dass wir leben?" Da sprichst du aus ihm. Er ist wie du, voller Extreme und ein großer Träumer. Beide Kinder stehen füreinander ein, und ich weiß, dass du darüber glücklich wärst.

Parker beweist mit "Die Männer meines Lebens" nicht nur, dass sie eine sehr gute Autorin ist, sondern vor allem ein Leben lebt, von dem sich zu erzählen lohnt. Ein Buch, das zum Lachen bringt und einen vorsichtig präzisen, aber doch verträumten Zugang zu Sprache zeigt. Und das auch in seiner auf Deutsch übersetzten Version kaum etwas von seiner Feinfühligkeit verliert.