Erstellt am: 18. 11. 2016 - 12:18 Uhr
Hardwired...To Self-Destruct
Blackened
Als Metallica bereits im August den ersten Song „Hardwired“ ihres eben erschienenen Albums „Hardwired“ veröffentlichten, was das Raunen groß und durchgehend wohlmeinend. Nicht nur Fans, auch Vertreterinnen und Vertreter der Presse überschlugen sich teils in Lobeshymnen, wäre "Hardwired" doch sogar einer der besten Songs, den Metallica seit 20 Jahren veröffentlicht hätten. Selbst Ex-Bassist Jason Newsted war voll des Lobes und das will was heißen.
Die große Frage war natürlich, ob "Hardwired" nun quasi sowas wie die musikalische Entsprechung eines Kinotrailers wie dem von "Suicide Squad" war, der im Vorfeld viel versprach und dann nichts hielt. Auch wenn sich "Hardwired...To Self-Destruct" nach drei Tagen auch bei mir erst festsetzen muss, ich traue mich bereits jetzt zu sagen, dass das Album jegliche Erwartung sogar übertrifft.
Vertigo
Fluch und Segen der eigenen Meilensteine
Ganz selbstverständlich ist das nicht, denn wer Alben wie "Master Of Puppets" (1986) und das meistverkaufte Metalalbum überhaupt, das „Black Album“ (1991), produziert, muss sich an solchen Meilensteinen messen lassen. Ein Segen und Fluch zugleich, denn Metallica setzten die Messlatte für alles Nachkommende ungemein hoch. Sie wären nicht die erste Band, die später an ihren eigenen Meisterwerken gescheitert wäre.
Die Nachfolger „Load“ und „Reload“ erhielten dann zwar durchaus Lob, für viele war das für Metallica allerdings schon fast ein wenig zu brav, vor allem zu konventionell. Zu wenig Metal, stattdessen etwas gar zu glatt polierter Hardrock für die ganze Familie. Keine unbedingt schlechten Alben, aber Metal blieb auf der Strecke und böse Zungen benannten die Band für sich damals sogar in Rockallica um.
Vertigo
Reset mit St. Anger im grottigen Sound
Die musikalische Richtung schien auch der Band selbst nicht zu passen, verzettelten sich Metallica im Studio doch immer mehr mit der Aufsummierung von Gitarrenspuren und dem Aufblasen von Sounds, anstatt wieder einmal einfach gute Songs zu schreiben, die in Bauch und Nacken gehen. Als dann auch noch Bassist Jason Newsted ausstieg und James Hetfield während der Aufnahmen zum damals noch unbetitelten Album „St. Anger“ für einige Monate verschwand, war die Band sogar schon vor dem endgültigen Aus, wie die Banddoku „Some Kind Of Monster“ ungeschönt zeigt.
Das in dieser Zeit entstandene Album „St. Anger“ wurde extrem zwiespältig aufgenommen. Zwar wussten viele die Rückbesinnung von Metallica auf ihren Bandnamen durchaus zu schätzen, warum das Album allerdings schlechter klingen musste als die Demoaufnahme einer Kellerband, erschließt sich bis heute nur wenigen. Speziell beim Schlagzeugsound fragte man sich, ob Lars Ulrich da was auf den Ohren hatte, denn jede Mülltonne klingt besser. Gitarrist Kerry King von Slayer bezeichnete in einem Interview auf dem Nova Rock „St. Anger“ sogar als „Garbage“.
Vertigo
Loudness War
„St. Anger“ mag das bis heute unbeliebteste Album von Metallica sein, für Metallica war diese Entschlackung aber bitter notwendig. Das raue Album „Death Magnetic“ (2008) wusste wieder zu begeistern, aber auch da gab es wieder Beschwerden zum Thema Sound. Dieses Mal jedoch nicht wegen beabsichtigt „schrottiger“ Produktion. Das Album wurde so dermaßen laut gemastert, dass es an allen Ecken und Enden nur noch krachte. „Death Magnetic“ ist bis heute das Paradebeispiel schlechthin für den sog. Loudness War nach dem Motto „Je lauter, umso besser auf Kosten der Dynamik“. Selbst Mastering Guru Ted Jensen distanzierte sich und auch Gitarrist Kirk Hammett gab zu, ab und an ein „leichtes“ Clipping zu vernehmen. Eine Petition der Fans, das Album doch bitte nochmals vernünftig gemastert zu veröffentlichen, stieß bei der Band allerdings auf taube (sic!) Ohren. Findige Menschen fanden dafür eine gänzlich unverzerrte und wesentlich besser klingende Version von „Death Magnetic“ auf der DVD von „Guitar Hero 3“.
Jeff Yeager
Manch Sympathiepunkt mussten Metallica in den letzten 20 Jahren also schon einbüßen und seit „Death Magnetic“ sind inzwischen immerhin schon ganze acht Jahre ins Land gegangen, die bisher längste Zeit zwischen zwei Alben. Dass Metallica mal einfach wieder gute Songs schreiben und diese unverkrampft in gutem Sound aufnehmen würden, hätte man fast nicht mehr für möglich gehalten, aber genau das scheint nun endlich geschehen zu sein.
Ja, es ist Metal
„Hardwired...To Self-Destruct“ ist genau jenes Album, das man sich von der "größten Metalband" seit über 20 Jahren erwartet. Endlich wieder Metallica Songs, die sich festsetzen und keine beliebigen musikalischen Durchlaufposten sind, die man nach dem Durchhören des Albums wieder vergessen hat.
Die bereits veröffentlichten Songs "Hartwired", "Atlas Rise" und "Moth Into The Flame" haben definitiv nicht zu viel versprochen und auch wenn dem einen oder der anderen manch Song auf dem Album zu lange erscheinen möge, sich dafür die Zeit zu nehmen lohnt sich auf jeden Fall. "Halo On Fire" ist ein solches Beispiel, der erst einmal eine Ballade (nein, nicht schon wieder) vorgaukelt, in der Mitte aber in eine völlig andere Richtung abbiegt.
Tribut an Lemmy
Hut ab auch für den gelungenen Tribut an den im letzten Jahr verstorbenen Lemmy Kilmister mit "Murder One", benannt nach dessen gleichnamigen Marshall Super Bass Head. Herr Kilmister hätte sich auch zu Lebzeiten darüber wahrscheinlich gefreut.
Franz Reiterer
Wer sich Zeit nimmt, kann mehr entdecken
Für machen mag "Hardwired...To Self-Destruct" Längen haben, sei es, weil das Gros der Song über 6 1/2 Minuten dauert oder das Album mit fast 78 Minuten auf 2 CDs verteilt ist. Wer allerdings über eine höhere Aufmerksamkeitsspanne als drei Minuten verfügt und sich die Songs nicht nur auf die Schnelle auf youtube oder sonstwo zusammenklickt, wird mit lässigen Metalsongs und einem Album belohnt, auf dem es viel zu entdecken gibt. Man mag Metallica gerne unterstellen, dass sie abgeklärte Millionäre in den besten Jahren sind, es gibt jedoch nicht viele Millionäre, die noch solch ein wütendes und gleichzeitig glaubwürdiges Album wie "Hardwired...To Self-Destruct" hinbekommen. Da passt ganz einfach alles von der ersten bis zur letzten Sekunde und keine davon ist zu viel.
Böse Zungen (wie unter anderem ich selbst), die bisher meinten, Metallica würden seit über 20 Jahren mit dem schwarzen Album auf Tour gehen, müssen ihre Ansicht nun vielleicht revidieren. Spät, aber doch, hat das erfolgreichste Album der 90er Jahre einen würdigen Nachfolger gefunden. Das hätten viele dieser seit 35 Jahren bestehenden Metalband wohl nicht mehr zugetraut. Chapeau.