Erstellt am: 17. 11. 2016 - 16:35 Uhr
Der wasserdichte Plattenvertrag, Teil 2
Andreas Kolarik
von Markus Deisenberger
In Teil 1 dieser Artikelserie ging es um die prozentuelle Aufteilung von etwaigen Profiten und die vielen verschiedenen Arten von Verwertungsrechten, die via Plattenvertrag geregelt werden können. Weiter im Text:
Punkt 3: Gib es ein Leben nach dem Tod?
Aus dem täglichen Leben wissen wir: Lebenslange Beziehungen funktionieren nur allzu selten. Warum also Beziehungen über den Tod hinaus schließen? Nichts anderes aber heißt die Wendung „auf Schutzfristdauer“ oder „für die Dauer der jeweils gültigen Schutzfristen“.
Zur Erklärung: Die urheberrechtliche Schutzfrist beträgt in Europa – durch eine EU-Richtlinie harmonisiert – 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Ist der Urheber eines Werkes also 30 Jahre alt und geht man davon aus, dass er noch mindestens 40 Jahre vor sich hat, ist der Vertrag damit auf 110 Jahre (!) geschlossen. Keine Kleinigkeit und in aller Regel nur dann sinnvoll, wenn man vorhat einen Hit à la „Last Christmas“ zu schreiben. Dann nämlich hat man dadurch auch das Auskommen der Kinder und Kindeskinder gesichert.
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Freilich muss man zwischen Vertragsdauer und Dauer der Rechtseinräumung unterscheiden. D.h. ich kann einen Künstlervertrag etwa auf zehn Jahre (Vertragsdauer) abschließen. Und alles, was in dieser Periode geschaffen wird, kann dann „auf Schutzfristdauer“ ausgewertet werden. Vielfach findet sich in den heute kursierenden Verträgen aber unter beiden Punkten, d.h. unter Vertragsdauer und Rechtseinräumung, die Wendung „auf Schutzfristdauer“. Das heißt: Ich binde mich über meinen Tod hinaus, damit meine Werke über den Tod hinaus (entweder 70 Jahre nach Veröffentlichung beim Künstlervertrag oder sogar 70 Jahre nach Tod des letzten lebenden Urhebers beim Verlagsvertrag) verwertet werden. Absurd, aber so ist es.
Noch absurder ist die heute schon beinahe übliche Wendung „für die Dauer der jeweils gültigen Schutzfristen einschließlich Verlängerungen“. D.h. es wird auch für den Fall vorgesorgt, wenn man innerhalb der EU diese 70 einmal in 80 oder 90 Jahre abändert. Sinnvoller für beide Seiten ist es, einmal eine bestimmte Zeitdauer gemeinsamen Weges zu gehen und dann - nach Ablauf dieser Zeitspanne - zu evaluieren, ob es sich für beide Seiten rentiert hat. Eine sinnvolle Regelung etwa wäre, eine Vertragsdauer von drei und eine Auswertungsfrist von zehn Jahren zu vereinbaren. Viele seriös arbeitende Labels sehen das auch genau so vor. Der Trend im angloamerikanischen Raum geht allerdings ganz klar in Richtung längere Vertragsdauer. Lange Bindungen sind nicht von vornherein zu verurteilen. Sie machen allerdings nur dann Sinn, wenn ein/eine KünstlerIn aufgebaut wird. D.h. auch hier kommt es ganz wesentlich auf das Verhältnis Leistung-Gegenleistung an.
4. Optionen:
Unter einer Option versteht man juristisch das Recht, ein inhaltlich vorausbestimmtes Schuldverhältnis in Geltung zu setzen. Klingt kompliziert, ist es aber nicht. In einem Vertrag findet sich z.B. folgende Bestimmung:
„Der Künstler räumt dem Lizenznehmer die zweimalige Option ein, den Vertrag für ein weiteres Jahr zu verlängern. Die Option kann schriftlich bis spätestens drei Monate vor dem Vertragsende ausgeübt werden.“
Im Klartext heißt das, der Vertragspartner hat das einseitige Recht, den Vertrag zu verlängern. Das Unangenehme daran ist: Man weiß nicht, ob die Gegenseite ihr Recht nun ausüben wird oder nicht, und man muss Fristen (hier: drei Monate) abwarten, wird also in eine passive Rolle gedrängt.
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Mitunter gibt es auch mehrere solcher Optionen, die nacheinander ausgeübt werden können. Manche solcher Optionsketten sind so kompliziert formuliert, dass sich selbst Juristen nicht mehr auskennen. Besser ist, den Vertrag nach einer genau festgesetzten Dauer enden zu lassen und dann zu evaluieren. Wenn solche Optionen nicht verhandelbar sind und vor allem, wenn es eine Optionskette ist, sollte man sich unbedingt mittels einer Skizze veranschaulichen, was das im Detail bedeutet. Wie lange kann der Vertrag maximal dauern, wenn alle Optionen am letzten Tag der Frist ausgeübt werden? Wie lange dauert er, wenn keine Option ausgeübt wird? Und was bedeutet das im Detail?