Erstellt am: 17. 11. 2016 - 15:39 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 17-11-16.
#demokratiepolitik #vermessung
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
vectormaps
Zum Selbstverständnis der selbsternannten 1. Welt, der westlichen Industrieländer, der Nord-Hemisphäre, also im wesentlichen Europa und Nordamerikas gehört es nicht nur ökonomisch, politisch, philosophisch und wertetechnisch den Führungsanspruch hochzuhängen, sondern auch geografisch.
Deshalb schauen unsere Weltkarten so aus wie sie aussehen. Nämlich falsch. Und zwar komplett falsch, wie ich in den letzten Jahren immer wieder (hier 2009 oder da 2013) nicht müde werden wollte anzuprangern. Wer den Globus (die Erde ist rund, die Landmassen sind also gebogene Flächen) einfach nur wie einen Strudelteig ausrollte, der kann Grönland, und überhaupt Nordeuropa und Nordamerika riesig machen und den Süden (Afrika, Südamerika zb) wunzeling klein. Wie hier rechts nebenan ->
weltkarte.com
Das passt dann nämlich perfekt in unser Weltbild, egal ob es nur platt eurozentristisch ist oder ideologisch die white supremacy forcieren will. Dabei geht es, wenn man es etwa so macht wie bei nebenstehender, die Abrundungen mitdenkender Karte hier >
Es geht auch anders
mapsworldwide
Noch ehrlicher wäre die Peters Projection, aber diese Karte rückt Afrika so sehr ins Zentrum, dass alle Lobby-Alarmglocken schrillen, so schlecht wäre das fürs Distinktions-Business, dass die Domnanz der alten Wert braucht und sich ungern so oben hingepickt darstellen lässt wie hier ->
Hier kommt die Peters-Projection in einer West Wing-Folge vor, The Organization of Cartographers for Social Equality gibt es leider nicht wirklich.
Das ist alles (menschlich) nachvollziehbar, Macht und Eitelkeit und Geschäft und schließlich ist man doch der Ausgangspunkt der zivilisierten Welt und will dementsprechend präsentiert werden.
Geschenkt.
Denn die Weltkarte per se ist nicht dazu da Gefühligkeiten zu transportieren, sondern die Wirklichkeit abzubilden; so gut wie möglich. Auch wenn der postfaktische rechtsnationale Populismus mit seinen rassistischen Untertönen das aktuell global beeinsprucht.
Und deshalb kommt die Narukawa-Karte gerade rechtzeitig.
So sieht die aus. Und, bevor ihr jetzt vor Schreck von Sessel fallt: sie ist die bis dato korrekteste Annäherung an die Wirklichkeit, in jeder Hinsicht.
AuthaGraph
Was fällt auf? Europa ist nicht als Kontinent zu erkennen. Das Mittelmeer ist - vergleichsweise - ein Teich, nicht viel breiter als das japanische Meer. Grönland und die kanadischen Inseln sind ihres virtuellen überdimensionalen Zaubers beraubt. Der Süden (Australien, Südamerika, die untere Hälfte von Afrika) rinnt nicht mehr verloren in Richtung Antarktis (die übrigens auch ganz schön groß ist eigentlich). Der Pazifik zeigt was er kann. Ebenso wie Asien, das Land-Zentrum des Planeten.
Diese Karte erschüttert eine ganze Menge von konstruierten Erzählungen, die auf virtuellen Pseudo-Landkarten, die letztlich immer noch auf dem alten Ptolemäus zurückgreifen, basieren. Sie macht etwa die riesenhafte politische und gesellschaftliche Distanz, die Europa Afrika gegenüber an den Tag legt, unglaubwürdig. Sie fordert einen völlig neuen Blickwinkel auf unser globales Zusammenleben. Und überfordert damit selbstverständlich alle bereits von den vielen anderen Veränderungen Überforderten.
Aus dieser Ecke kam aber seit jeher der Widerstand gegen die ehrliche Vermessung und Darstellung der Welt. Ich erinnere mich an vergangene Diskussionen mit heimischen Kartographen, die sich ihren Unwillen einer neu zu ordnenden Welt an der Ausrede, eine bessere Weltkarte als die verzerrte wäre nicht denkbar/technisch möglich, verschanzten.
Jetzt hat sie der japanische Architekt Hajime Narukawa der Lüge überführt, die ich ihnen (und dem Großteil ihrer Branche) schon damals unterstellt hatte. Natürlich geht es. Und es gehört geteilt, verbreitet und eingesetzt. Die alten ekelhaft falschen Weltkarten gehören auf den Misthaufen der Geschichte, sofort.
PS: Hier erklärt Narukawa sein Ding