Erstellt am: 17. 11. 2016 - 11:35 Uhr
Der Zauberlehrling in Amerika
Fast zehn Jahre ist es mittlerweile her, seit das letzte Buch aus der Harry Potter-Serie "Harry Potter and the Deathly Hallows" veröffentlicht wurde. Die Bedeutung von J.K. Rowlings Erfolgsreihe lässt sich aber vor allem heutzutage, im Blick zurück, in dem auch schon langsam Nostalgie beginnt eine Rolle zu spielen, so richtig verstehen.
Was die Autorin mit Harry, Hermine und Hogwarts geschaffen hat, war eine komplett neue Marke zu erfinden, in einer Welt, die oft glaubt, popkulturell schon komplett übersättigt zu sein. Nicht zuletzt die Verfilmungen der Bücher trugen zur endgültigen Rolle der Harry Potter-Serie als zeitloses Megafranchise bei. Umso überraschender war es da für so manche Beobachter und Beobachterinnen der Popkulturindustrie, dass J.K. Rowling irgendwann tatsächlich sagte: Es ist genug, ich bin fertig mit Potter. Obwohl in dem Geldbrunnen rund um Zauberer und Hexen sicher noch einiges an Taschengeld versteckt war.
Warner Bros. Pictures
Ganz so ist es dann letzten Endes eh nicht: Harry Potter kehrt zwar nicht zurück, sein Universum dafür schon. Diese Woche mit einem brandneuen Film namens "Fantastic Beasts And Where To Find Them", einer Geschichte, die die Welt der Zauberer aus einer neuen Perspektive betrachtet und sich dabei als vorsichtig konstruiertes Projekt präsentiert, das einigen Menschen offensichtlich sehr viel Geld machen soll. Denn wie schon beim Neustart der "Star Wars"-Reihe geht auch "Fantastic Beasts" auf Nummer sicher und erzählt eine Story ohne viele Risiken, angepasst an das jetzt doch auch älter gewordene Harry Potter-Publikum.
Warner Bros. Pictures
"Fantastic Beasts" erzählt die Geschichte von Newt Scamander, gespielt von Eddie Redmayne, der eines Tages aus mysteriösen Gründen von England nach New York schifft, um dort eine strenggeheime Mission zu erfüllen. Scamander ist awkward, schüchtern und introvertiert, hat Probleme mit anderen Menschen zu sprechen und driftet in seinen abgehackten Dialogen in schwer verständliches Gemurmel ab. Ein Held also, der eine Geschichte nur tragen kann, wenn das Skript und die Filmwelt richtig passen. Und vor allem letztere wird besonders schön in Szene gesetzt.
Die neue Erweiterung des Potter-Universums spielt nämlich nicht an einer Akademe für Zauberlehrlinge, sondern in New York City in den 1920er Jahren. Zauberer und Hexen leben versteckt unter den Menschen, in einer quasi Alternativwelt, die Normalsterblichen nicht zugänglich ist. "Muggles", wie man solche Leute in England nennt, "No-Maj", wie sie in den USA heißen. Die Stadt gibt sich als klassisch nostalgisch-melancholische Version der 20ies, wenn Jazzklänge aus unterirdischen, verrauchten Bars steigen und dubiose Mobster an Straßenecken herumlungern. Vor allem aber ist es die Mischung aus Harry Potter-Magie und 1920er Charme, die unglaublich gut funktioniert und von der man gar nicht wusste, wie sehr man die wollte.
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Trotz allem: "Fantastic Beasts" ist eine Origin Story, die ganz langsam die Welt unserer neuen Helden und Heldinnen, der Politik um Zauberer und No-Majs und vor allem die titelgebenden fantastischen Kreaturen vorstellt und aufbaut. Etwas zu langsam vielleicht, denn der Film schafft es nicht ganz, seine Spannungsmomente durchzuziehen. Größere Teile strecken sich zu sehr in die Länge und konzentrieren sich auf Exposition statt auf Entertainment, wie das bei einer solchen Produktion essenziell ist.
Unter der Regie von Harry Potter-Veteran David Yates und mit einem Skript von J.K. Rowling höchstpersönlich bemerkt man aber die Intentionen hinter dem Projekt: Hier soll das nächste große Ding aufgebaut werden, eine neue "Harry Potter"-Reihe, nur diesmal erwachsener, komplexer und teilweise düsterer. Von jedem Kameraschwenk zum kleinsten Verweis auf die Vorgängerbücher und Vorstellung von Charakteren, die erst in den kommenden Filmen eine Rolle spielen werden: "Fantastic Beasts" ist ein detailliert zusammengesteckter Film, der sein wahres Potential erst mit den unumgänglichen Sequels zeigen wird.