Erstellt am: 16. 11. 2016 - 15:37 Uhr
"Minecraft" in der Schule
"Minecraft" ist seit Jahren unter den Top 3 der meistverkauften Videospiele. Einer der Gründe ist seine Vielseitigkeit: Man kann "Minecraft" je nach Geschmack als Zombie-Survival-Game, als Wettkampf, als unendlich großes Set von Bausteinen und auf viele Arten mehr spielen. Diese Vielseitigkeit und die Möglichkeit, durch Modifikationen das Spiel und seine Regeln selbst zu verändern, haben dazu geführt, dass es auf der ganzen Welt Communities gibt, die "Minecraft" auf ihre eigene Weise spielen.
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Eine solche Mod von "Minecraft" kam vor ein paar Jahren von videospielbegeisterten Lehrerinnen und Lehrern. Sie hieß "MinecraftEDU" und wurde in Schulen weltweit so beliebt, dass das Entwicklerstudio Mojang (mittlerweile im Eigentum von Microsoft) inspiriert von der ursprünglichen Fan-Modifikation eine offizielle "Minecraft Education Edition" völlig neu entwickelt hat. Eine der Schulen, die "Minecraft" bereits seit einem Jahr im Unterricht verwendet, hat in Zwettl (NÖ) ihren Standort.
Foto: PNMS Zwettl
Die Private Neue Mittelschule Zwettl bezeichnet sich selbst als "Schwerpunktschule für Informatik und Soziales Lernen". Der Informatikunterricht ist in viele andere Unterrichtsfächer eingebunden. Alle Schülerinnen und Schüler haben Laptops, sie programmieren Lego-Roboter, steuern Drohnen mit Smartphone und Tablet und basteln mit dem Mini-Computer Raspberry Pi. Und wie kam "Minecraft" in den Unterricht? Am Anfang, sagt Informatik- und Mathematik-Lehrer Martin Stadler, war das im Informatikraum eigentlich ein verbotenes Spiel: "Ich habe aber nichts dazu gesagt, außer, dass sie halt die Schule nachbauen sollen – ohne mir bewusst zu sein, was ich damit auslöse und wieviel Arbeit das ist."
Die virtuelle "Minecraft"-Schule
Sechs Schüler haben dann tatsächlich das Schulgelände vermessen, Pläne angeschaut und alles maßstabgetreu nachgebaut – Hauptgebäude, Turnsaal und Sportplatz. So hat das also angefangen mit "Minecraft" in der Zwettler Schule. Heute wird "Minecraft" fächerübegreifend verwendet. "In einem Projekt in Deutsch und Geschichte ging es zum Beispiel darum, Schillers Gedicht 'Der Handschuh' digital zu interpretieren." Die Schüler bauten Szenen aus dem Gedicht und spielten es in der virtuellen Welt nach.
Foto: PNMS Zwettl
Für mehr fächerübergreifenden Unterricht wird die nachgebaute Schule demnächst virtuell um zusätzliche Gebäude erweitert. Einer der Experten für den Bau ist der 13-jährige Manuel Trimmel: "Wir haben uns zuerst alle zusammengesetzt und besprochen, was wir zuerst aufbauen. Jetzt bauen wir Gebäude für einzelne Unterrichtsfächer, zum Beispiel ein Biologiehaus und ein Mathematikhaus." Im Mathematikhaus werden zum Beispiel Rechenübungen und geometrische Aufgaben implementiert. Das Spiel verfügt ja unter anderem über die sogenannten Redstone-Elemente, mit denen sogar komplexe logische Schaltungen gebaut werden können. (Einige "Minecraft"-Spieler bauen virtuell komplett funktionsfähige Mikrochips und Computer nach.)
Im Zwettler Schulprojekt werden Redstone-Schaltungen vor allem für den Zugang zu Räumen mit neuen Lerninhalten eingesetzt, sagt Schulsprecher Stefan Grünstäudl, ebenfalls 13 Jahre alt: "Wir stellen zum Beispiel mit einem Command-Block eine Frage. Man muss mit einem Hebel die richtige Antwort auswählen. Dann öffnet sich ein Geheimgang, sodass man ins nächste Level aufsteigt."
Foto: Christoph Weiss
Dass "Minecraft" so gut ins Konzept der Privaten Neuen Mittelschule Zwettl passt, liege unter anderem daran, dass sie schon immer den Schwerpunkt Soziales Lernen hatte, sagt Martin Stadler. Darum gehe es eben auch beim Game Based Learning: "Ich sehe gerne, wie sich Teams von selbst bilden. Wie gruppendynamische Prozesse, Teambesprechungen und Zusammenarbeiten entstehen, durch die große Projekte möglich werden."
Kompatibilitätsprobleme
Ebenfalls ein ambitioniertes Projekt: "Minecraft Vienna". Dabei wird Wien maßstabgetreu nachgebaut.
Schade ist, dass die offizielle "Minecraft Education Edition" nur mit dem Betriebssystem Windows 10 funktioniert und keine Kompatibilität zu den Welten der Originalversion von "MinecraftEDU" besteht. Das gleiche gilt etwa auch für die offizielle Virtual-Reality-Version von "Minecraft", die nicht mehr mit den Welten der Fan-VR-Modifikation "MinecRIFT" kompatibel ist.
Seit dem Erwerb von "Minecraft" und ihrer Entwicklerfirma Mojang durch Microsoft wird das ehemalige Indie-Game, dessen Fokus jahrelang auf Offenheit und Mods lag, immer mehr zum Walled Garden. Der Wunsch des Konzerns ist offenbar, dass die Mehrheit der Spielerinnen und Spieler langfristig auf die neuen Windows-10-Versionen von "Minecraft" umsteigt. Dort soll man Skins, Texture-Packs und Welten kaufen – anstatt sie wie bisher aus einem quasi unendlich großen Pool von Spieler-Mods gratis zu beziehen.
Derzeit bevorzugen die meisten Minecraft-Fans weiterhin die Originalversion des Games – schon allein, um die bisher gestalteten Welten weiter verwenden zu können. Es bleibt zu hoffen, dass die enorme Kreativität der Spielercommunity nicht allzu stark durch die Pläne des neuen Eigentümers gebremst wird, und dass Microsoft in Zukunft die Kompatibilität zwischen alten und neuen Versionen des Spiels gewährleisten wird.