Erstellt am: 21. 11. 2016 - 17:06 Uhr
Fight for your Right to Party!
Ein Rave im klassischen Sinne bzw. eine Free Party lebt davon, frei von Restriktionen zu sein. Und diese sind in Österreich mitunter recht groß. Die Liste an Vorgaben, die man als legaler Veranstalter einzuhalten hat, ist lang. Kein Wunder also, dass es auch heute noch immer illegale Raves, "Freetekkno-Parties" oder einfach "Free Parties" gibt, die an entlegenen Plätzen stattfinden, in Lagerhallen oder verlassenen Gebäuden.
Die Raver-Generation der 1990er-Jahre ist inzwischen erwachsen geworden und einer neuen Generation gewichen, die ebenfalls versucht, ihr Recht zum Partymachen durchzusetzen. Teilweise in der Tradition ihrer Vorgänger, und doch manchmal anders.
flickr/Ivan Dimitrov
Was sie eint, ist der Wunsch nach weniger Restriktionen und Bürokratie, mehr Freiraum, und die DIY-Mentalität der Partys. Unterschiede gibt es bei den Genres und dem Öffentlichkeitscharakter der Veranstaltungen. Rave ist eben nicht gleich Rave.
Die Illegalen - Freetekkno/Free Parties
Sie sind wohl jene, die noch am ehesten in der Tradition der ursprünglichen Raves stehen.
Die Musik, die auf Freetekk(-no)-Parties vorwiegend gespielt wird, ist Tekkno (nicht zu verwechseln mit Techno), aber auch Acid House oder Hardtek. Ein Szenekenner hat uns ein bisschen was über die Partys erzählt, zum Beispiel, wie man überhaupt davon erfährt.
* = Der Kontakt will anonym bleiben. Name der Redaktion bekannt.
Was die Kommunikation anbelangt, stecken die Freetekk-Parties noch mit einem Fuß in der Steinzeit. Denn trotz der Omnipräsenz von Smartphones und Social Media werden die Informationen über die illegalen Raves meist über Mundpropaganda oder über Mobilboxansagen von Wertkartenhandys weiterverbreitet, damit die Veranstaltung vor der Polizei geheim gehalten wird. Wo man diese Infos bekommt, will mir mein Kontakt nicht verraten. Laut einem Reddit-Thread empfiehlt es sich aber, bei einschlägigen legalen Events herumzufragen. Aber: Nicht jeder bekommt die Nummer bzw. die Infos, verrät mir mein Kontakt.
Viele fasziniert der untergründige, geheime Charakter der Freetekk-Parties, aber auch die Do-it-Yourself-Mentalität und die Loslösung von sämtlichen Normen: "Was die meisten Leute motiviert, auf Freetekk-Parties zu gehen, ist, dass es etwas Außergewöhnliches ist - etwas außerhalb der Norm. Wo es keine Gesetze gibt, keine Kontrollen, keinen Eintrittspreis, günstige Getränke", erklärt S.*, der immer wieder auf "Illegale" geht und viele Leute aus der Szene kennt.
Zumindest in der Theorie ist auf diesen Partys kein Rassismus, kein Sexismus und keine Gewalt Programm. S. gibt aber zu, in der Praxis auch schon anderes auf diesen Partys gesehen zu haben: "Natürlich kommen oft Leute, die wenig oder gar nichts über die Hintergründe der Freetekk-Szene wissen." So würden auch immer wieder "szenenfremde" Leute, die nur "auf die Musik stehen und sich zumachen wollen" Stress machen. Alteingesessene Freetekk’ler bringen diese "szenefremden" Störenfriede dann zur Räson. Ganz ohne Regeln geht es also doch nicht.
Als reine Drogenpartys will der Kenner die Freetekk-Raves aber nicht sehen, auch wenn er eingesteht, dass aufgrund der fehlenden Kontrollen dort sicherlich mehr Drogen konsumiert werden, als bei legalen Veranstaltungen.
Die Polizei löst solche Veranstaltungen häufig auf, weil diese eben nicht angemeldet sind und bei Indoor-Raves keinerlei Sicherheitsauflagen erfüllt werden - Stichwort Notausgänge. Laut S. sind viele Freetekk'ler, wenn die Exekutive anrückt, ziemlich "resistent": "Manche sind wirklich hart im Nehmen. Die gehen nicht einfach so wieder nach Hause. Oft muss die Polizei viele Stunden in Kauf nehmen, bis die Party endlich aufgelöst ist." Bei der einen Party in Wien musste die WEGA etwa nur anrücken, weil man die Türen zum Veranstaltungsraum verschweißt hatte.
Die Legalen - z.B. Psytrance
Auch im legalen Bereich gibt es VeranstalterInnen, die im Bezug auf Restriktionen ähnliche Forderungen haben, wie die Freetekk-Szene. Die Crispy Chaos Crew etwa. Sie ist Verein und DJ-Kollektiv aus Wien, das sich dem Psytrance verschrieben hat.
Und es sind auch dieselben Vorurteile, mit denen beide Arten der Partys konfrontiert sind: "Die Leute stempeln unsere Veranstaltungen oft als reine Drogenpartys ab", sagt Arsen. Er ist DJ bei der Crispy Chaos Crew. Das Drogen-Vorurteil will der DJ nicht gelten lassen. Auf Psytrance-Partys sei das Problem nicht größer als bei anderen elektronischen Musikevents.
C³
Neben den regelmäßigen Psytrance-Partys in Clubs oder anderen Venues sind die DJs der Crispy Chaos Crew gerade dabei einen Verein zu gründen - "C³" nennt er sich. Arsen ist auch im Vereinsvorstand. Der Verein will jungen, heimischen DJs eine Plattform geben, aber betont auch, die bürokratischen Hürden für Veranstalter abbauen zu wollen.
Bei der Peace Parade im September 2016 waren die "Crispies" auch vertreten. Bereits zum dritten Mal wurde bei der Peace Parade an verschiedenen Plätzen in Wien die Forderung nach mehr Freiraum und weniger Restriktionen für Partys nach außen getragen. Da die Veranstaltung als Demonstration angemeldet war, mussten die Soundsysteme und -kollektive nicht mit Konsequenzen von Seiten der Polizei rechnen. Laut Arsen war die Veranstaltung sogar "familientauglich".
Die Grauzone - Demonstrationen
Demo statt Party: Dieses Konzept nutzt auch der "Verein zur Förderung der öffentlichen Tanzkultur" seit einigen Jahren erfolgreich. Entstanden ist die Idee, als ein paar Leute mit Laptop und Computerboxen irgendwo im Freien zu feiern begonnen haben.
Man wollte mehr davon, und so entstand der Wunsch, legal eine Grünfläche in Wien als Veranstaltungsort zu nutzen, erzählen Laurenz und Felix vom Verein. Doch das stellte sich als äußerst schwierig heraus, wie Laurenz vom Verein erklärt: "Das Gartenamt legt sich quer, die Ämter wollen nichts davon wissen, die MA36 sagt fast immer Nein. Deshalb haben wir begonnen, dafür zu demonstrieren."
bloom.jetzt
Enstanden sind aber eben keine klassischen Demonstrationen mit Route, Reden, Sprechchören und dem Anstimmen der "Internationale", sondern eben eine Art Outdoor-Rave. Hie und da stand ein Transparent, und neben Platten wurden auch Petitionen und Wunschlisten für z.B. Kunstprojekte aufgelegt, die die DemoteilnehmerInnen ausfüllen konnten. "So hat das Ganze einen bisschen anderen Charakter als eine Veranstaltung", sagt Laurenz. Und: "Wir wollen uns eben dafür einsetzen, dass ohne viel Bürokratie Grünflächen auch für so etwas benutzt werden können."
Musikalisch sind die Demos des Vereins hauptsächlich im Techno, Minimal und Tech House verortet. "134 BPM ist wahrscheinlich das Schnellste, was wir spielen", sagt Laurenz. Somit ist man doch noch ein Stück langsamer unterwegs, als die Kollegen beim Tekkno, die gut und gerne wortwörtlich auf 180 sind.
Zu Problemen kommt es bei den Demos laut Laurenz und Felix selten. Ein einziger Vorfall ist den beiden bekannt: Bei einer der Demos wurde ein Mädchen rassistisch beleidigt. Seither gibt es Leute auf den Demos, die ein Auge auf die BesucherInnen werfen und im Zweifelsfall als Ordner agieren.
Drogen wären ebenfalls kein größeres Problem als sonstwo, meinen die beiden, die dabei ohnehin immer stocknüchtern bleiben. "Wir setzen auf die Eigenverantwortung der Leute und dass sie ihre eigenen Grenzen kennen", sagt Felix, "Es ist uns dabei einfach sehr wichtig zu transportieren: 'Wir machen was für euch, also macht das mit uns.'"