Erstellt am: 15. 11. 2016 - 14:50 Uhr
US-Freihandelsabkommen auf der Kippe
Seit dem Wahlsieg Donald Trumps hängen die beiden von den USA initiierten Freihandelsabkommen TTIP und TPP in der Luft. Am Freitag erklärte die scheidende Administration, dass der bereits unterschriebene TPP-Vertrag dem Kongress nicht mehr während der Amtszeit Barack Obamas zur Ratifikation vorgelegt werde. Damit wird dem neuen Präsidenten Donald Trump, der sich im Wahlkampf strikt gegen Freihandelsabkommen ausgesprochen hatte, die Entscheidung überlassen.
Zeitgleich erklärte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström in Brüssel, sie erwarte nun eine Pause bei den TTIP-Verhandlungen. Die für November eingeplante Runde 16 der Verhandlungen ist auf unbestimmte Zeit verschoben, eine allfällige Wiederaufnahme wird nicht vor Mai 2017 erwartet. Am APEC-Gipfel der Pazik Anrainerstaaten, der am Donnerstag in Peru beginnt, wird Noch-Präsident Barack Obama den dort versammelten Staatschefs erklären, warum die USA TPP zumindest jetzt nicht ratifizieren können.
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Erinnerungen an NAFTA
Die 15. TTIP-Runde Anfang Oktober lief unüblicherweise fast geräuschlos ab, um die Verabschiedung des umstrittenen CETA-Abkommens der EU mit Kanada nicht zu gefährden.
Anders als das in der US-Öffentlichkeit weit weniger beachtete TTIP stößt der "Trans Pacific Partnership"-Vertrag mit 12 Staaten im pazifischen Raum auf breite Ablehnung in den USA. Aufgrund der großen Gegnerschaft hatte sich auch Trumps unterlegene Gegnerin Hillary Clinton zuletzt gegen eine Ratifikation von TPP ausgesprochen. Da auch Billiglohnländer wie Peru, Malaysia oder Vietnam unter den Unterzeichnerstaaten sind, fürchtet man den Verlust von Arbeitsplätzen in den USA.
Das 1995 abgeschlossene nordatlantische Freihandelsabkommen (NAFTA) der USA mit Kanada und Mexiko hatte nach und nach den Verlust von mindestens 700.000 Arbeitsplätzen in den USA zur Folge. Große Unternehmen lagerten mehr und mehr Produktionsstätten nach Mexiko aus und das wurde in den USA nicht vergessen. Dass Trump dieses vielgehasste Abkommen, von dem US-Firmen allerdings bis dato reichlich profitiert haben, wie angekündigt, tatsächlich neu verhandeln wird, halten Beobachter für unwahrscheinlich.
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Annäherung an China, Argwohn in Japan
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Die Europäische Union und Kanada unterzeichneten das CETA-Abkommen am 30. September. Im Jänner kommt es zur Abstimmung ins EU-Parlament
Weit eher geht man davon aus, dass der neue Kurs der amerikanischen Außen- und Handelspolitik Inhalt und Ausrichtung der aktuellen Freihandelsabkommen verändern wird. Schon wenige Tage nach der Wahl zeichnet sich nämlich eine Öffnung der US-Handelspolitik in Richtung China ab. In Japan, wo der TPP-Ratifikationsprozess bereits angelaufen ist, wird eine mögliche Annäherung der USA zu China in Handelsfragen argwöhnisch verfolgt.
Nach monatelangen internen Blockaden der mit Zweidrittelmehrheit regierenden LDP - TPP ist auch in Japan vor allem aufgrund seines Agrarkapitels sehr umstritten - hatte man es im japanischen Unterhaus am Freitag plötzlich eilig. Mit großer Mehrheit wurde dort für eine Ratifikation von TPP gestimmt. Obwohl auch im Oberhaus ein ähnliches Ergebnis erwartet werden kann, ist es nicht sicher, wann oder ob es überhaupt dazu kommt.
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TPP ohne USA nicht möglich
Ohne die Ratifikation durch die USA ist die gesamte "Trans Pacific Partnership" nämlich nicht gültig. In den Prämissen des Vertrags wird - gerechnet nach dem Bruttonationalprodukt aller Staaten zusammen - eine Mehrheit von 85 Prozent vorausgesetzt, damit das Abkommen in Kraft treten kann. Ohne die USA kommen die übrigen elf Unterzeichnerstaaten Australien, Japan, Kanada, Neuseeland, Malaysia, Brunei, Singapur, Chile, Mexico, Peru und Vietnam nicht einmal auf 50 Prozent.
"Strategischer Fehler" der USA
Am Donnerstag veröffentlichte die in Hongkong erscheinende "South China Morning Post" einen programmatischen Artikel von James Woolsey, einem ehemaligen CIA-Chef, der nun zum engsten Beraterkreis Donald Trumps gehört. In Washington sei es mittlerweile weitgehend unumstritten, dass "die Ablehnung der 'Asian Infrastructure Investment Bank' durch die Administration Obama ein strategischer Fehler" gewesen sei. Er hoffe, dass die neue Adminstration in Washington der "One Belt, one Road"-Initiative Chinas freundlicher gegenüberstehe.
Dieses auch "Neue Seidenstraße" genannte Großprojekt mit einem Volumen von etwa einer Billion Dollar soll den transkontinentalen Handel durch Ausbau der Verkehrswege und anderer Infrastruktur wie Pipelines zwischen Europa und Asien befördern, zur Finanzierung wurde die neue Investmentbank für Asien AIIB gegründet. Das Projekt wird allgemein als Chinas Antwort auf das TPP-Abkommen gesehen, das - wie auch TTIP - gegen die Interessen Chinas gerichtet ist.
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Offenes Angebot an China
Chinas Wunsch nach einer "Reform globaler Institutionen, um Chinas steigender Bedeutung in der globalen Wirtschafts- und Sicherheitsarchitektur Rechnung zu tragen sei verständlich", schreibt Woolsey weiter. So ein Wandel brauche seine Zeit. Aus dem Diplomatischen übersetzt, heißt das: Wir haben verstanden, dass China in der Weltbank und im internationalen Währungsfonds eine größere Rolle spielen will und werden das unterstützen, wenn sich China entsprechend verhält.
Daraufhin folgte ein offenes Angebot Woolseys für eine Art Kuhhandel der beiden Supermächte - wie man es sich in Asien sozusagen gemeinsam rіchten könne, ohne Konflikte zu provozieren. "Am Horizont sehe ich den großen Deal, in dem die USA die sozialen und politischen Strukturen in China akzeptiert und sich verpflichtet, diese nicht zu stören", schrieb Woolsey in der South China Morning Post. Im Gegenzug erwarteten sich die USA, dass China den Status Quo in Asien nicht in Frage stelle.
Wie es nun weitergeht
Währenddessen zeigen sich bereits Auflösungserscheinungen. Pedro Pablo Kuczynski, der Staatsschef des TPP-Unterzeichnerlands Peru und Gastgeber des kommenden APEC-Gipfels der Pazifikanrainerstaaten, ließ ebenfalls am Freitag mit einem Vorschlag aufhorchen. Er fände ein Asien-Pazifikabkommen am besten, in dem auch Russland und China vertreten seien, erklärte der peruanische Staatschef im russischen Staatsfernsehen RT. Dabei handelt es sich in erster Linie um den 2014 gestarteten und von China unterstützten "Free Trade Area of Asia Pacific"-Vertrag (FTAAP) aller 21 Anrainerstaaten.
Aufgrund des durch die Einbeziehung Russlands und Chinas vielfach höheren Handelsvolumens sei auch die Wertschöpfung durch FTAAP um ein Mehrfaches höher, als bei TPP mit nur zwölf Mitgliedern, wird argumentiert. Ob die USA unter Donald Trump tatsächlich einen so radikalen Schwenk in ihrere Handelspolitik gegenüber China vollziehen werden, ist fraglich. FTAAP wäre nämlich das erste, multilaterale Freihandelsabkommen, bei dem die USA nicht mehr allein die erste Rolle spielen.