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Lisa Schneider

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28. 11. 2016 - 18:42

It's a new day, another full of heartbreak

Der amerikanische Musiker Kishi Bashi veröffentlicht mit "Sonderlust" sein pathetischstes und auf verrückt-übertriebene Art schönes, drittes Album.

FM4 Musik

Mehr zu Kishi Bashi findet ihr auf kishibashi.com

Es gibt sie, diese Songs, die trotz schwerem, traurigen Inhalt erhebende Wirkung zeigen. Die dann plötzlich laufen, während man mit seiner besten Freundin über Liebeskummer spricht, oder mit Mama darüber, was das beste Geheimheilmittel dafür ist.

"Well it's a new day
Another full of heartbreak
And every time I check in on myself
I'm drinking my soul away"


Das sind sie, die ersten Zeilen von „Can’t let go, Juno“, der Single von „Sonderlust“. Ein wunderschöner, unaufdringlicher Indiepophit, der sich spätestens dann, wenn der dicke Synthbass einsetzt, tief in die Gehörgänge gräbt. Nicht umsonst also die Lead-Single.

Zurück zum Anfang. Wer ist eigentlich Kishi Bashi?

Kishi Bashi

Kishi Bashi

Kishi Bashi ist keine Sorte neuer, regenbogenfarbener Zuckerwatte, sondern der Künstlername von Karou Ishibashi. Seine Eltern stammen aus Okinawa, Japan – er selbst ist aber in Seattle geboren und aufgewachsen. Er studiert zuerst klassische Violine am Konservatorium, bevor er sich entschließt, sich zusätzlich der Filmmusik zu widmen.

Es sind nicht selten die einfachsten Popsongs, die von den talentiertesten und klügsten Musikern geschrieben werde: Seit 2003 lebt Kishi Bashi in New York, schnell findet sich der Multiinstrumentalist im Studio von Künstlerinnen wie Regina Spector wieder. Sein Wissen um Hollywood, klassische Musik und die Vermarktung von Popmusik bringt ihn schließlich selbst auf die Bühne: Jupiter One ist die Band, die Kishi Bashi 2003 mitgründet, kurz darauf unterstützt er auch Of Montreal vor allem live.

Coverbild "Sonderlust"

Joyful Noise Recordings

"Sonderlust" von Kishi Bashi ist via Joyful Noise Recordings erschienen.

Als Kishi Bashi 2011 endlich seine Solokarriere startet, ist er 36 Jahre alt- und hat im Musikbusiness schon so ziemlich alles gesehen. Während er immer wieder als Geigenvirtuose auftritt, hat er mit „Sonderlust“ soeben sein bereits drittes Studioalbum veröffentlicht. Die klassischen Wurzeln seiner Ausbildung blitzen vor allem in den Intros der Songs hervor, die nicht selten mit einem Streicherarrangement – oder einfach nur mit der Geige, Kishi Bashis Markenzeichen nach wie vor, beginnen (vor allem das orchestrale „Ode To My Next Life").

George Michael und die Suche nach der Liebe

Mehr als auf den Vorgängeralben aber, und in Gegensatz zu seinen klassischen Auftritten, rücken jetzt Elektronik, Synthesizer-Spielereien und 80er-Jahrepop in den Vordergrund. Auf Songs wie „Say Yes“ sieht man George Michael vor dem inneren Auge backgroundsingen. „M’lover“, der cool abgekürzte Opener des Albums, knallt einem hingegen in Animal Collective-Manier entgegen.

„Would you be my lover?“ Wenn es um seine Texte geht, hüllt sich Kishi Bashi nicht in Metaphern oder Phrasen ein. Verfremdet oder abstrahiert wird hier nichts, manche Zeilen klingen wie direkt aus dem Tagebuch entnommen. Das ist manchmal ein bisschen zu viel, weil der Phantasie kein Spielraum bleibt. Wie im ersten Stück ist auch auf der restlichen Platte die Liebe und damit verbundene Sehnsucht das Hauptthema, bis es dann im kitschigsten aller Titel „Honeybody“ kulminiert.

Kishi Bashi

Shervin Lainez

Immer wieder Kevin Parker

„Sonderlust“ wirkt, fühlt und hört sich so an wie ein prächtiger Farbenrausch, der nur zwischendurch einen ruhigen Moment zum Durchatmen lässt. Tame Impala, MGMT und Future Islands dürften am Plattenteller von Kishi Bashi heiß gelaufen sein, aber das war ihm für seine neu erfundene Neo-Elektropopdisko trotzdem noch zu wenig. Vergleichbar vielleicht mit dem Gefühl, dass der pinke Nagellack noch nicht ganz ausreicht, und man schnell noch ein paar Glitzersteine hinzufügen muss. Schiller-Funkel-Glitzer-Glitzer.

LIVE

Alle Tourdaten von Kishi Bashi gibt es hier.

Kishi Bashi hat mit „Sonderlust“ sein intensivstes und ja, zuckrigstes Album geschrieben. Wenn mit Kitsch die zu große Geste, die Übertreibung und auch die selbstironische, vorgetäuschte Naivität, das alles eh zu wissen, gemeint ist. Voll mit Pop und Pathos, und manchmal vielleicht einer Spur zu viel von beidem. Aber: Wenn Father John Misty sein letztes Album sogar „I love you, Honeybear“ taufen darf, geht das komplett in Ordnung.