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Barbara Köppel

Durch den Dschungel auf die Bühne des Lebens.

14. 11. 2016 - 18:47

Playing The Hero

Theater- und Filmemacher Zachary Oberzan nimmt Versatzstücke aus Film- und Popkultur und erzählt damit seine Lebensgeschichte. Nach Selbstdarstellungen als Rambo, Jean-Claude Van Damme und Whitney Houston, steht er diese Woche als Elvis auf der Bühne.

Eine Kinoleinwand auf der Theaterbühne. Auf der Leinwand Zachary Oberzan, der verhaftet wird. Er spielt einen Hochstapler, der sich als "der berühmte Theater- und Filmemacher Zachary Oberzan" ausgibt und ein Antwerpener Theaterteam an der Nase rumführt. Er wolle einen Film drehen, behauptet er, doch er fliegt auf und es kommt zum Prozess. Cut und Spotlight auf den echten Zachary Oberzan. Die Zarathustra-Klänge schwellen an. Ekstatischer Applaus aus der Dose. In weiß-glitzerndem Elvis-Kostüm tritt Oberzan vor die Leinwand und stimmt "The Great Pretender" an.

Zachary Oberzan als Elvis-Imitator in weißem Glitzer-Anzug in "The Great Pretender"

Manu Bloemen

"Ich wollte, dass die Zachary-Oberzan-Figur larger than life wird", sagt der Schauspieler, Theater- und Filmemacher, "und niemand repräsentiert das besser als der King." In seinem neuen Bühnenstück spielt Oberzan ein Verwirrspiel mit verschiedenen Identitäten und erzählt von künstlerischem Geltungsbedürfnis und ihrem Gegenstück dem Fankult. Dahinter steht eine sehr persönliche Frage: Wie kommt er eigentlich dazu, auf der Bühne zu stehen?

Vom Homevideo zum Indie-Kult

Schon auf der Highschool borgt sich Zachary die Schulkamera aus und spielt mit seinem älteren Bruder Jean-Claude-Van-Damme-Filme nach. Damit ist es um ihn geschehen. Nach dem College geht er nach New York City, eignet sich dort die radikale DIY-Produktionsweise des Nature Theater of Oklahoma an - einer Performing-Arts-Truppe, die z.B. Stücke aus 16-stündigen Telefongesprächen macht - und erlangt schließlich mit "Flooding With Love For The Kid" unerwarteten Ruhm und den Respekt renommierter Filmkritiker. Kunstfestivals reißen sich plötzlich um Oberzans "one-man cinematic war", obwohl der nie für die Öffentlichkeit bestimmt war.


"Flooding With Love For The Kid" ist ein komplettes Remake von "First Blood", dem ersten Teil der Rambo-Trilogie, bzw. der Buchfassung von David Morrell. Vietnamveteran John Rambo ist darin eine wesentlich vielschichtigere Figur, als ihn der wortkarge und muskelbepackte Sylvester Stallone verkörpert.

Statt aufwändiger Stunts und teurer Explosionen braucht Zachary Oberzan für seine Rambo-Version nur eine Kamera, ein 20-Quadratmeter-Apartment und ein Budget von 96 Dollar. Er übernimmt alle 26 Rollen selbst, zwei Klappsessel und ein Ventilator werden zum Helikopter, das Hochbett zur Felsklippe. Eine detailverliebte Eigenproduktion, die der kommerziellen Filmindustrie den Stinkefinger zeigt: "Wieso auch Hollywood oder irgendwelche Casting-Chefs um Erlaubnis fragen? Ich mache mich einfach selbst zu Rambo", erklärt mir Oberzan 2010 bei einem ersten Treffen. Doch die eigentliche Motivation hinter dem Projekt ist seine tiefe und lebensbestimmende Liebe zum Film, zu gutem Storytelling und zu den Helden seiner Kindheit.

Reenacting Reenactments

Es folgen weitere Soloarbeiten. Für "Your brother. Remember?" stellt der Multimedia-Künstler die Homevideos, die er mit seinem Bruder aufgenommen hat, 20 Jahre später noch einmal nach. Dazwischen liegen jahrelanges Schweigen sowie eine Gefängnis- und Drogenkarriere auf der einen Seite und Depressionen und Bühnenerfahrung auf der anderen Seite. Über die Reproduktion der Kindheitserinnerungen finden die Brüder wieder zueinander, auf der Bühne erzählt Oberzan diese Episode in einer Liveperformance mit Einspielungen der originalen und nachgestellten Szenen.


Spätestens damit ist "reenacting reenactments" zu Oberzans Trademark geworden. "Alle meine Projekte haben direkt mit meinem Leben zu tun.", sagt er außerdem. "Sie sind für mich wie Einträge ins Tagebuch." Ein Tagebuch, das reich an Momenten ist, die komisch und tragisch zugleich sind. "Tell Me Love Is Real" etwa führt das Publikum in eine Februarnacht 2012 zurück, in der Zachary in einem Hotelzimmer an der Westküste eine Überdosis Xanax schluckt. Whitney Houston wirft sich zur selben Zeit das gleiche Beruhigungsmittel ein. Sie stirbt, er überlebt und macht daraus eine Performance, die sich mit den existentiellen Fragen des Lebens beschäftigt.

Erfolg und Selbstzweifel

"The Great Pretender" knüpft hier an. Oberzan hat sich als quirky Solokünstler einen Namen gemacht, seine Produktionen sind auf Theater- und Filmfestivals gut gebucht und touren durch Europa. Während einer Artist Residency im Weißen Haus hat er sogar mit Barack Obama über seine Leidenschaft für Karate geplaudert. Man sollte also meinen, es hätte sich eine gewisse Routine in der Selbstdarstellung eingestellt. Das hat es auch, aber Zachary Oberzan ist zu reflektiert, um nicht genau das nicht zu thematisieren. Wenn er sich im Elvis-Outfit zum Star stilisiert, geschieht das in dem Wissen, dass die, die sind wie alle sein wollen, nicht selten auch von Selbstzweifeln zerfressen sind.


Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, wenn er heute sagt: "Da sind alle diese Shows von Zachary Oberzan und ich weiß nicht einmal, wie und warum ich die gemacht habe oder wer diese Person genau ist. Es erschien an diesem Punkt in meiner Karriere also passend, eine Arbeit über einen Mann zu machen, der vorgibt, jemand zu sein, der als erfolgreicher Künstler anerkannt ist. Dabei fühle ich mich gar nicht als erfolgreicher Künstler."

Oberzan, das wandelnde Film-Lexikon, hat sich die Geschichte des Schwindlers, der einen Film drehen will, nicht selbst ausgedacht. "The Great Pretender" ist von der Doku-Fiktion "Close-Up" (1990) des iranischen Regisseurs Abbas Kiarostami inspiriert. Der Film schildert die wahren Begebenheiten rund um einen Prozess gegen einen Betrüger, der sich in Teheran als Filmemacher ausgegeben hat.

Auch in Oberzans Bühnenstück ist eine Gerichtsverhandlung zu sehen. "Welche Rolle wolltest du spielen?", fragt der Richter den falschen Oberzan. "Den Helden.", sagt dieser, und es ist klar, es ist nicht der Hochstapler, der hier spricht.