Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. Saturday Edition, 12-11-16. "

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

12. 11. 2016 - 15:33

The daily Blumenau. Saturday Edition, 12-11-16.

Warum ich fürs Irland-Match eigentlich vorsichtig optimistisch war und trotzdem das Schlimmste befürchte.

#fußballjournal16

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Kader für das WM-Qualifikations-Match gegen Irland am 12.11. und den Test gegen die Slowakei am 15.11.

Tor: Ramazan Özcan (Leverkusen/D), Heinz Lindner (Eintracht Frankfurt/D) Andreas Lukse (Altach); Auf Abruf: Daniel Bachmann (Stoke/ENG - bei der U21) sowie (nachträglich) Richard Strebinger (Rapid).

Abwehr: Florian Klein (VfB Stuttgart/D), Aleksandar Dragovic (Leverkusen/D), Martin Hinteregger (Augsburg/D), Kevin Wimmer (Tottenham Hotspur/ENG), Markus Suttner (Ingolstadt/D), Valentino Lazaro, Stefan Stangl (RB Salzburg); Verletzt absagen musste Sebastian Prödl (Watford/ ENG); Nachnominiert wurde Michael Madl (Fulham/ENG), Auf Abruf: Andreas Ulmer, Stefan Lainer (RB Salzburg), Andreas Lienhart (Altach), Philipp Lienhart (Real Madrid/ESP - bei der U21).

Mittelfeld: David Alaba (Bayern München/D), Julian Baumgartlinger (Leverkusen/D), Stefan Ilsanker, Marcel Sabitzer (RB Leipzig/D), Alessandro Schöpf (Schalke/D), Marko Arnautovic (Stoke/ENG), Martin Harnik (Hannover/ D), Louis Schaub (Rapid); Verletzt absagen musste Zlatko Junuzovic (Werder Bremen/D), nachnominuert wurde Karim Onisiwo (Mainz). Auf Abruf: Jakob Jantscher (Caykur Rizespor/TUR), Guido Burgstaller (Nürnberg/D), Verletzt nicht zur Verfügung steht Florian Grillitsch (Werder Bremen/D).

Angriff: Marc Janko (FC Basel/SUI); Lukas Hinterseer (Ingolstadt/D), Michael Gregoritsch (Hamburger SV/D), Auf Abruf: Deni Alar (Sturm).

Verletzt sind Robert Almer (Austria), Christopher Dibon, Stefan Schwab, Philipp Schobesberger, Thomas Murg (Rapid), Tarkan Serbest (Austria), Georg Margreitter (Nürnberg/D).

Rücktritt: Christian Fuchs (Leicester City/ENG).

Am Altenteil: Alexander Manninger (Liverpool/ ENG), Michael Gspurning, Emanuel Pogatetz (Union Berlin/D), Andreas Ivanschitz (Seattle/USA), Christoph Leitgeb (RB Salzburg), Veli Kavlak (Besiktas/TUR) und György Garics (aktuell vereinslos).

Unangefragt: Moritz Leitner (Lazio/ITA), Jonathan Schmid (Augsburg/D) und Ashley Barnes (Burnley/ ENG). Neu beim Kosovo: Sinan Bytyqi (Go Ahead Eagles/NED), bei Liechtenstein: Marcel Büchel (Empoli/ITA), bei Kroatien: Marin Leovac (PAOK/GRE), bei Bosnien: Anel Hadzic (Videoton/ HUN). Neu bei Australien: der in Wien geborene James Jeggo (Sturm).

In Kader-Reichweite befinden sich noch Jörg Siebenhandl (Würzburg/D), Marco Knaller (Sand-hausen/D), Michael Langer (Norrköping/SWE); Christopher Trimmel (Union Berlin/D), Lukas Spendlhofer (Sturm), Robert Gucher (Frosinone/ ITA), Raphael Holzhauser, Ismael Tajouri, Alexander Grünwald (Austria), Michael Liendl (1860/D), Alexander Gorgon (Rijeka/CRO), Thorsten Schick (YB/SUI), Robert Zulj (Fürth/D), Daniel Royer (RB New York/USA), Andreas Weimann (Derby County/ ENG), Marco Djuricin (Ferencváros/ HUN), Philipp Hosiner (Union Berlin/D), Adthe Nuhiu (Sheffield Wed./ ENG).

Bei der U21 neben Bachmann und Philipp Lienhart noch ua Philipp Mwene (Lautern/D), Junior Schoissengeyr (Sturm), Christoph Martschinko (Austria), Ylli Sallahi (Karlsruhe/D), Dominik Wydra (Bochum/D) Konrad Laimer (RB Salzburg) uvam...

Stellen wir uns kurz vor, der Vorfall um das zeitweilige Trainingsverbot für die ÖFB-Nationalmannschaft durch die Wiener Stadionverwaltrung (also durch den sprichwörtlichen Platzwart, den Horrorclown des heimischen Fußballs) wäre unter Constantini, Krankl oder Baric passiert. Keiner dieser Vorgänger wäre derart gelassen mit einer derart kafkaesken Situation umgegangen wie Marcel Koller, der sofort eine Ausweich-Option parat hatte. Nichts dagegen sich angesichts von Ungeheuerlichkeiten ordentlich aufzuregen, noch weniger dagegen solche Possen zum Anlass zu nehmen Prinzipielles aufzuzeigen und anzumahnen. Der gelernte Österreicher aber neigt dazu, eine solche Vorlage dazu zu benutzen um sich selber aufzuplustern, und in aller Gockel-, ja Trumpelhaftigkeit zu nutzen. Für sich, weder für die ihm anvertraute Sache, noch im Sinn der davon tatsächlich Betroffenen, nämlich der Spieler.

Es sind Details wie diese, die mir, die uns erzählen, was der ÖFB und in weiterer Folge die österreichische Öffentlichkeit an einem Koller hat, der genau die richtige Mischung zwischen Aufregung, Schadensbegrenzung und Öffentlichmachung fand. Das sind Vorkommnisse, die Rückschlüsse zulassen, wie Kollers Team mit anderen, internen, sportlichen Krisen umgeht und sie managt. Das stimmt positiv.

Stellen wir uns weiter vor, eine österreichische U21-Nationalmannschaft vergangener Tage hätte in ihrem Entscheidungsspiel um die Euro-Teilnahme einen übermächtigen Gegner wie Spanien und würde weder a) ungestüm und taktisch unvorbereitet in ihr Verderben laufen noch b) sich in der Schlußphase mit einem Remis zufriedengeben, sondern auf Sieg spielen. Ist absurd, geht aber jetzt, und das obwohl der Trainer Werner Gregoritsch heißt, also ein Proponent dieser vergangenen Tage ist.

Das bedeutet nämlich zum einen, dass das von Koller/Ruttensteiner errichtete System eigentlich Unbelehrbare bessern/heilen kann und zum anderen, dass vormalige Beratungsresistenz einem Interesse an neuen Ideen gewichen ist. Und es bedeutet zum anderen, dass sich Wissen um die eigenen Stärken und die Bereitschaft alte Konstrukte, vererbte Klischees und innere Schweinehunde zu überwinden auch auf die Wichtigsten, die Spieler nämlich übertragen hat. Und es damit geschafft haben, dass die U21 vor dem Entscheidungsspiel in Albacete am Mittwoch mit einer echten Chance ins Spiel geht.

Wenn ich diese beiden (sowie einige andere, unscheinbare Beobachtungen und kleine Fakten) auf das heutige Irland-Spiel des A-Teams hochrechne, dann ist leiser Optimismus angesagt. Denn Unaufgeregtheit oder das Vertrauen auf gute Vorbereitung oder der Wille zur Überwindung sind zentrale Vorraussetzungen für das, was heute dringend nötig ist: einen Sieg in der WM-Qualifikation, den ersten gegen einen der der Gegner auf Augenhöhe.

Dass sowohl der ÖFB-Präsident als auch andere wichtige Player in gleichlautenden Worten betonen, dass nicht einmal eine Niederlage ein Beinbruch wäre, ist kein Ausbruch kollektiver Additions-Armut (denn auch rein rechnerisch würde das den ÖFB recht aussichtlos zurückwerfen), sondern soll zeigen, dass man sich keine Führungs- oder gar Trainer-Diskussion ins Haus tragen lassen will, sondern seinen Weg beinhart durchzieht; sei es an Russland vorbei.

Und auch das ist positiv, für die hausinterne Stimmung, und schlägt sich in hohem Masse auf die Spieler nieder, die von dem was sie seit dem Beginn der Euro am allermeisten belastet, befreit: dem Druck, den ihnen Öffentlichkeit und sie sich selber auferlastet haben.

Also auch das: ein cleverer move. Alles in Ordnung eigentlich.

Es gab nur einen Punkt, der mir seit der Nominierungs-Pressekonferenz Sorgen gemacht hat. Dafür aber gravierende. Koller erweckte da den Eindruck als würde er Irland nicht nur philosophisch, sondern auch strategisch immer noch mit dem Gegner aus der letzten WM-Quali von vor drei/vier Jahren gleichsetzen. Was oberflächlich (Kampfkraft, englische Liga, 4-4-2) ja auch stimmt, einer genauere Kontrolle aber nicht standhält. Schon weil der Coach damals der von Altersstarrsinn gepackte Trapattoni war und jetzt der clevere Martin O'Neill ist; und sich allein deren taktische Herangehensweise so stark unterscheidet wie Weber von Scherb.

Es war ja bei der Euro gleich viermal zu sehen, vor den Augen der Weltöffentlichkeit, wie O'Neill Irland vom alten, tumben Ball-nach-vorne-schlagen zu einer taktisch variablen, den Gegner in Betracht ziehenden, seine Schwächen nutzenden, innerhalb von drei, vier Systemen changierenden fußballerisch hochintellektuellen Truppe umgeformt hatte. Die letztlich das schiere Gegenteil von dem spielt, was noch vor drei, vier Jahren als üblich, als irisch galt.

Meine Interpretation der Koller-Worte, die kein Erkennen dieses Unterschieds zuließen, sondern die Berechenbarkeit dieses (einfältigen) Gegners betonte, war eine wohlwollende: der Teamchef schwindelt uns an, zum einen, um den Gegner nicht größer zu machen als er vielleicht ist (was davor mit Wales, aber auch Serbien bis zu einem gewissen Grad passiert war) und zum anderen, um seine bereits feststehende Matchstrategie (die all die erwähnten Erkenntnisse und noch mehr zu einem guten Plan verdichtet hatte) besser zur Wirkung kommen zu lassen.

Bei einer der im Rahmen des Teamtrainingslagers folgenden PKs kam es dann aber zu einer bezeichnenden Szene. Eine Frage (eh nur eine, bei den heimischen Journalisten kommt Irland so gut wie nicht vor) bezog sich auf den bereits vor fast 24 Stunden gemeldeten Ausfall von Ward und McCarthy. Kollers Reaktion war verblüffend: er wusste das noch nicht und reagierte mit leiser Zufriedenheit, lobte die Medien für ihre Zuträger-Funktion.

Das lässt alle Alarmglocken schrillen. Denn das bedeutet, das niemand im Camp Koller dafür abgestellt ist den Chef zeitgerecht über alles, was bei den Iren passiert und für Planänderungen führen kann, zu informieren. Und das bestätigt die teaminterne Struktur, was Gegnerbeobachtung und Strategie/Matchplan betrifft. Koller hat keinen Chefanalysten, auch sein Assistent hat diese Rolle nicht, sondern er lässt die Gegner von Freelancern beobachten, übernimmt dann die Daten und bastelt sich eigenständig/händig was draus zurecht. Koller hat also keinen Experten, mit der er auf Augenhöhe über Strategie/Taktik/Matchplan diskutieren kann: er hat keinen Siegenthaler. Das erklärt die Gatschgriffe bei der Euro oder gegen Serbien. Österreich gilt seit der letzten Quali als ernstzunehmender Gegner, dem man strategisch etwas entgegenzusetzen kann. Die Kontrahenten haben aufgerüstet, Koller nicht, er verlässt sich weiter auf Rohdaten und sein eigenes Gespür. Und das ist, schmerzlich merklich, zu wenig.

Die Ward/McCarthy-Sache ist ein Indiz dafür, dass meine wohlwollende Interpretation von Kollers Einstellung zum irischen Gegner vielleicht nur Selbstbetrug ist. Dass sich da wirklich Info-, Wissens- und Interpretations-Lücken auftun, die auf diesem Level der Auseinandersetzung fatale Konsequenzen haben können. Und das ließe das Schlimmste befürchten.
Außer, ja außer, auch diese Ansage, war eine ausgefuchste Finte, ein Trick.

Wir werden es ab heute 18:00 sehen. Ich werde meine Schlüsse ziehen und dann nach dem Match mit euch teilen.