Erstellt am: 11. 11. 2016 - 13:20 Uhr
The daily Blumenau. Friday Edition, 11-11-16.
#poetry
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Zum Tod von Leonard Cohen (1939 - 2016): That’s how the Light gets in
Ich weiß nicht mehr, wann mir Leonard Cohen das erste Mal begegnet ist (also mit seiner Musik; die real-life-Begegnungen mit grumpy old music-men empfiehlt sich ohnehin nur in Ausnahmefällen). Es wird wohl an einem dieser Nachmittage gewesen sein, den wir Gymnasial-Oberstufler in den gut mit Musik und Text ausgestatteten Großbürger-Wohnungen von Freunden, Kollegen oder gar den coolen WGs der Älteren verbrachten, um offiziell zu lernen und inoffiziell das zu veranstalten, was man heute listening sessions nennen würde. Mitte der 70er war Cohen da durchaus präsent, auch in österreichischen Mainstream-Pop-Wohnzimmern.
APA/AFP/DIEGO TUSON
Ich weiß nur noch, wann mir Leonard Cohen zum ersten Mal eingefahren ist, so richtig, per Gänsehaut. Das war, als ich bei einem der vielen Programm-Kino-Angebote, die man uns Schülern nachgeworfen hat (jede Bank hatte ihren Filmclub), bei Robert Altmans McCabe & Mrs. Miller, dieser schneeverwehten (Anti-)Western-Ballade, dem dichten, sprachüberfrachteten Portrait einer Goldgräberstadt, der intensiven und komplexen Liebesgeschichte zwischen dem Gambler (Warren Beatty) und der Hure (Julie Christie). Der Film hat keinen Score, es sind nur drei Cohen-Songs, die die melancholische Grundstimmung unterstützen, weiter aufdefinieren: "The Stranger Song", "Winter Lady" und "Sisters of Mercy" .
Zu Winter Lady gibt es diese spannende Gegenüberstellung zum gleichnamigen Joni Mitchell-Song, der die kurze Beziehung der beiden auf den Punkt bringt.
Wenn ich ehrlich bin, dann sind es immer noch nur diese drei Songs, die mein schmales Cohen-Songbook ausmachen. Es ist die nur hingetupfte schmale, Poesie atmende Instrumentalisierung von Winter Lady, es ist das perlende, flüchtende, lonerhafte Männerbild des Stranger Song und es ist die Gier darin das andere Geschlecht zu erforschen an Sisters of Mercy.
Vielleicht sind diese drei Annäherungen, diese drei Quasi-Videos aus McCabe & Mrs. Miller auch gar nicht so verkehrt um Cohen auf den Punkt zu bringen. Den schon immer etwas (so zehn Jahre) älteren Onkel der jungen 68er-Garde, den Dichter, der schon einen Roman und Gedichtbände aufzuwarten hatte und als Kanadas vorderster Poet galt, ehe er in Newport (1967, zwei Jahre nach dem Dylan/Seeger/Axe-Eklat) auch als Singer/Songwriter entdeckt wurde. Oder eher als Rezitator/Songwriter, der sich nie so richtig ins Zentrum der nachmittäglichen listening sessions spielen konnte, nicht einmal wenn die coolsten der älteren Kids einen orginalsprachlichen Cohen Lyrik-Band aufstellen konnten. Ich habe interessiert drin geblättert, einiges angelesen, nichts verstanden und mich dann von der nächsten, deutlich zupackenderen Generation verführen lassen.
Cohen blieb der ältere Onkel aus dem unmondän gesitteten Kanada, der die jüngeren Kollegen aufmunternd beklatschte und seinen worteschmiedenden Segen gab; auch wenn sich seine Privat-Persona eher am glamourösen Pierre Trudeau (dem damaligen Premier und dem Vater des heutigen Regierungschefs Justin) orientierte.
Es waren dann also nicht die Hits, die echten, die großen, die frühen, Suzanne, So Long, Marianne, Bird on a Wire, Avalanche, Chelsea Hotel #2 (zu viel Blowjob-Geprotze), schon gar nicht Hallelujah, das Stück, das noch in 100 Jahren übrigbleiben wird, auch weil es so covertauglich ist, für jeden und jede, von Mainstream bis Nische, das Stück, das Cohen durch die Menschheit bereits entrissen wurde, und dann auch nicht die späten wie Dance Me to the End of Love, Everybody Knows, nicht einmal First We Take Manhattan, das der Poesie und dem Glam dann auch das konkret Politische, Dissidente hinzufügte. Selbst der Cohen, der sich dem "Ende der Geschichte" verweigerte und in "The Future" schon 1992 die dystopische Gegenwart zu antizipieren verstand, ist - auch weil das Spät-Werk, vor allem musikalisch so wenig widerborstig war - nicht an mich herangetreten. Es ist auch nicht der Job von würdevoll swingenden Opas mit lässigen Geschichten die Welt zu verändern oder Einfluss zu nehmen. Gefühlt war das bei Cohen aber immer schon (auch als 33jähriger Pop-Novize) so.
Cohen (der Altman schätze) mochte McCabe & Mrs. Miller dann gar nicht so sehr. Ich habe den Mann wohl nie wirklich verstanden.
Das McCabe & Mrs Miller-Intro mit dem Stranger Song
The Sisters of Mercy mit Filmbildern
Das Finale des Films, McCabes Tod zu Winter Lady