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Lisa Schneider

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21. 11. 2016 - 18:14

Trickfigur Trump

Wie das New Yorker Duo Sleigh Bells auf ihrem neuen Album "Jessica Rabbit" beides unter einen Hut bringt.

Jessica Rabbit ist natürlich die Frau von Roger Rabbit, auch bekannt als die erotischste (und sexistischste?) aller Trickfiguren im 1988 erschienenen Zeichentrick-/Realfilm "Falsches Spiel mit Roger Rabbit". Acht Jahre war Derek Miller, Produzent, Songwriter und Gitarrist der New Yorker Sleigh Bells, als er sich in Jessica verliebt hat. Die Jagd nach dem Unmöglichen spinnt sich seither in seinen Gedanken weiter.

"Fearing that I will never create my masterpiece, in which shadow I could live forever. I will just constantly be chasing, in the same sense that there is still a little kid in me that is holding out hope that I will have Jessica Rabbit, which is quite literally an impossibility."

Seine kindlichen Sehnsüchte verpackt er jetzt in seine Musik. Ein bitterer Beigeschmack von "denial", wie er kopfschüttelnd sagt, bleibt haften.

Noch mehr Musik

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Ich unterhalte mich mit Derek Miller, weil sich Alexis Krauss die Stimme wortwörtlich aus dem Leib geschrien hat: Seit dem Release ihres neuen und vierten Albums "Jessica Rabbit" touren die Sleigh Bells an der amerikanischen Westküste, und alle paar Tage braucht Alexis dann verständlicherweise Ruhe, dicke Schals und Kamillentee.

Sleigh Bells

Sleigh Bells

Nur die kleinen Probleme

Mit ihrer Stimme hat sie diesmal noch viel mehr experimentiert als sonst, so Derek, aber viel wichtiger noch: "She has grown more and more as a songwriter from when I met her". Anfangs hat sich nur er um die Texte gekümmert, auch jetzt ist er noch der, der das meiste schreibt. Aber die Kollaboration, Austausch und Unterstützung wurde in acht Jahren Sleigh Bells einfach immer stärker, enger, intensiver. "The good thing is, though, that we actually have a deep friendship basis. Not like in other bands we never ever discussed about money, not one time". Gestritten wird schon, aber nie über die "big things".

Wenn nicht gerade im Studio, fühlt Derek Miller sich auf der Bühne am wohlsten. Mehr als die Hälfte seines Lebens hat der 35-Jährige mit kürzeren Unterbrechungen dort verbracht, etwas anderes will er sich zur Sicherstellung seines Lebensunterhalts nach wie vor nicht vorstellen. Die Illusionen sind zwar teils ab und zu der Realität gewichen - der Beruf als Musiker, auch nach drei in den USA erfolgreichen Alben, hat eben nicht immer ausgereicht, um alle Kosten zu decken. Auch das verrät er sympathischerweise ganz offen im Interview. "I’ve been working a lot the last three years, in restaurants and other stuff. Most to get new equipment and technical stuff to get back to the studio as quick as possible."

Ein schizophrenes Album

Dass der Sound des neuen Albums jetzt so aufgekratzt, ja eklektisch geraten ist, ist nicht das liebste Feature, über das Derek Miller beim Nachdenken über die neue Platte besprechen will.

"Ultimately I had to make peace with the fact that how’s the record’s gonna be, that it will be messy for a lot of people, some tracks people might skip, but for better or worse, that’s a document. Publish it, and move forward."

Es ist einfach das Ergebnis dreijähriger Arbeit, in denen sich so viel Material angehäuft hat, das er nun vereinen wollte. So klingt es auch, das vierte Album der Sleigh Bells. Es rauscht und knarzt, ist aber genauso poppig, ja, dancy. Es scheppert einem stellenweise die Ohren weg (wenn Derek die Hardcore-Riffs aus seiner Bandvergangenheit mit "Poison The Well" aus dem Ärmel schüttelt) und ruft kurz darauf nostalgisch nach Courtney Love und all den anderen wunderbaren Punkgören, die Alexis Krauss sich zum Vorbild genommen hat.

Cover Album "Jessica Rabbit"

Lucky Number

"Jessica Rabbit" von Sleigh Bells ist bei Lucky Number erschienen.

Wäre das Album also ein Bild, es wäre eher ein Picasso als ein Yves Klein. Mit vielen Augen und noch mehr Nasen. Klänge, die man von den Sleigh Bells teilweise so nicht erwartet hätte, verstecken sich hinter dem gruselig gestalteten Artwork, das allein schon auf genug verborgene Monster hinweist.

R’n’B-Shakealongs gibt es da, wie etwa "I Can’t Stand You Anymore". Derek Miller lacht kurz auf. Das ist so ein Song, erklärt er, zu dem er beinahe eine Hassliebe führt. Die Liebe steht höher im Kurs, weil er den Text genial findet, dass der Refrain melodietechnisch aber auch in einer zuckrigen Popschnulze den Protagonisten spielen könnte, ist ihm klar. Die Diskrepanz, oder die Pole zwischen hell und dunkel, schön und hässlich, blitzen nicht nur während unseres Gesprächs, sondern in Dereks Leben so wie auf diesem neuen Sleigh Bells-Album auf. Er erzählt, je älter er wird, desto stärker driften sie auseinander. "There are really good days, and there are really, really bad days. That’s probably what I wanted to expose on the new record, the things my head’s been dealing with for the last intense period of time, in kind of a schizophrenic way."


Der Song lehnt sich an The Smiths an. Das Video wiederum ist vom sehr guten New Yorker Regisseur Alex Ross Perry.

Und wie war das mit Donald Duck, äh, Trump?

Als Alexis Krauss und Derek Miller sich an einem Haus an der Westcoast eingemietet haben, um im Sommer 2015 an neuem Material zu arbeiten, zeigte sich im Fernseher, im Radio, ja, überall, leider immer öfter dieselbe Person. Donald Trump will Präsident werden. "It was actually not bearable. His presence in all the media, he was actually everywhere. We couldn't believe it. Donald Trump as our president? What a fucking joke."

Ein Song ist im Zuge dessen direkt aus der Feder geflossen, es ist "As If", die abschließende Nummer auf "Jessica Rabbit". Es ist eine der düsteren, sinistren Titel von Sleigh Bells, die in einer Art paranoidem Gestammel, direkt auf Donald Trump bezogen, endet. Es ist aber der einzig politisch motivierte Song. "I don’t know if I’d written about politics before, but this time it was this pressure, that overall feeling we both had, and we tried to express it both through lyrics and sound."

Tourdates

Wo Sleigh Bells bald live spielen? Alle Details hier.

Sein erwähntes Masterpiece hat Derek Miller, wenn auch in immer vollständiger wirkender Zusammenarbeit mit Alexis Krauss, mit "Jessica Rabbit" nicht veröffentlicht. Seine realitätsfernen Kindheitsträume aber, über die er genauso offen spricht, wie über seine nicht allzu lang zurückliegende Drogen- und Alkoholsucht, hat er aber gegen einen anderen großen Traum eingetauscht. Und seine Band, die hat ihm dabei geholfen. "When you’re a kid, the worst thing that can happen to you is getting your heart broken - and you have your favorite movie or comic or whatever saving you. But I definitely had Sleigh Bells saving me."

Ich-bezogen ist Derek Miller auf keinen Fall. Er hat die Kurve gekratzt, aber ein großes Ziel hat er sich noch gesteckt. "Best case scenario? It would be great to be that band for someone going through some shit like that."