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Anna Katharina Laggner

Film, Literatur und Theater zum Beispiel. Und sonst gehört auch noch einiges zum Leben.

10. 11. 2016 - 10:41

Das unbekannte Tier in uns

Händl Klaus sucht in seinem Spielfilm "Kater" die Tiefen und Untiefen der Liebe.

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Dass in jeder und jedem von uns eine potentielle Täterin und ein potentieller Täter steckt, ist eine Binsenweisheit, die in erster Linie nur besagt, dass wir unsere Handlungen nicht gänzlich unter Kontrolle haben. Wenn wir etwas Schlimmes tun, spricht man von Kontrollverlust.
Der hätte aber zur Voraussetzung, dass wir das, was uns antreibt, unter Kontrolle haben. Sonst könnte man der Kontrolle ja gar nicht verlustig gehen.

Was treibt uns also an? Im Guten wie im Schlechten? Diesem Unbekannten, das nicht, beziehungsweise schwer in Worte zu fassen ist, geht „Kater“ auf den Grund.

Thimfilm

Der titelgebende Kater heißt Moses – im leinwandfernen Leben heißt er Toni, Klaus Händl hat ihn aus dem Tierheim geholt und mit ihm die Vereinbarung getroffen, er müsse ein wenig künstlerisch arbeiten, dafür winke ihm dann ein schönes Leben mit Haus und Garten.

Moses lebt gemeinsam mit Stefan und Andreas (Lukas Turtur und Philipp Hochmair) im Grüngürtel von Wien. Da lieben sich zwei, mit großer Zärtlichkeit, großem Respekt, großer Erotik. Und die zwei lieben ihren Kater und er, auf seine käterliche Art, die niemals gefallen möchte, er scheint sie auch zu mögen.

Das Häuschen ist schmuck, Musik erfüllt die Räume. Man lädt die Musikerfreunde zum Essen ein, man kocht die Früchte des Gartens ein und stellt den lieben Kolleginnen und Kollegen das Eingeweckte vor der Orchesterprobe zu den Notenpulten. Selbst die Kamera schmiegt sich an, bewegt sich im Rhythmus des schönen Lebens.

Es ist ein Leben, so ehrgeizig idyllisch, dass es nach Desaster schreit. Die innere Fremde, die innere Gefährlichkeit tritt auf den Plan, sie gefährdet die Liebe, die Liebe steht ihr aber auch entgegen. Genau das habe den Autor und Regisseur daran interessiert.

Händl Klaus: Vor allem, dass die Liebe als solche bleibt, obwohl man sie vielleicht verschüttet wähnen könnte, aber sie bleibt spürbar, man mag sich sogar dagegen wehren und sie ist so stark, dass sie eine schreckliche Krise durchstehen kann, andrerseits sich aber auch verwandelt. Es ist ein Liebesfilm.

Anna-Katharina Laggner: Man kann es aber auch als artifiziell sehen, es hat eine starke künstlerische Überhöhung, im Romantischen wie im Dramatischen. Was kannst du zur künstlerischen Umsetzung sagen?

Hier sind zwei wahrscheinlich schon sechs Jahre zusammen, lieben einander ganz wahnsinnig, auch körperlich, was vielleicht besonders ist, dass das nach so langer Zeit in der Intensität geschieht und in so großer Vertrautheit und dann gehen sie durch die Hölle. Die künstlerische Herangehensweise würde ich ein Begleiten nennen, das liegt auch am Director of Photography Gerald Kerkletz, der mehr ist als ein Kameramann. Wir arbeiten, kaum dass ich das Drehbuch geschrieben hab, gemeinsam an der Bildsprache. Dieses bei den Figuren sein, mit ihnen mitatmen, auch mit dem Tier – das war ja eine besondere Herausforderung – das gelingt auch dank Geralds feiner, einfühlsamer Art.

Hast du dir eigentlich die Frage gestellt, was es für den Film, die Geschichte bedeuten würde, wenn es ein heterosexuelles Paar wäre?

Ich hab sie mir sehr gestellt, weil ich lange auf der Suche nach der richtigen Besetzung war, nach Schauspielern, die bereit sind, so weit zu gehen. Mir war´s auf jeden Fall sehr, sehr, sehr lieb, zeigen zu können, wie schön dieses schwule Leben in aller Selbstverständlichkeit sich ereignet, es ist nichts Besonderes, es ist einfach Liebe. So gesehen würde ich sagen, es gibt keinen Unterschied zum Frau-Mann-Paar.
Aber natürlich entfällt die herkömmliche Setzung, die da lautet, die schwächere Frau und der stärkere Mann, was ja ein vollkommener Humbug ist. Aber das ist leider noch immer vorhanden und schlägt sich ja auch im Lohnvergleich nieder. Aber dadurch, dass es zwei Männer sind, entfiel dieser historische Blödsinn und ich musste mich nicht damit aufhalten, was ich sonst getan hätte.
Ein zweiter Punkt ist auch, dass die Frage nach dem Kind sich nicht stellt. Sicher gibt’s auch den Wunsch, bei schwulen und lesbischen Paaren und es gibt ja auch Kinder, aber die Frage stellt sich nicht so vorrangig wie zwischen Frau und Mann.

Ich habe mich gefragt, wie es möglich ist, dass eine Liebesbeziehung, die intellektuell, emotional, körperlich, sexuell derart reich ist, plötzlich auf allen Ebenen verstummt?

Es ist ja nicht nur ein Verstummen, es ist auch ein Schmerz, der einsetzt, eine fast Todesangst vor dem Verlust des geliebten Partners und des gemeinsamen Lebens. Eine Zeit des Erschreckens, des Stillstands, wobei sich bei beiden rasend viel tut. Und die Musik hilft ihnen. Es ist ja in einem Orchester angesiedelt, der eine ist Hornist, der andere ist Orechestersdisponent und die Musik, die sie spielen, ist klassische Musik. Diese Musik ist so beredet auf eine Weise, die uns im menschlichen Dialog nicht möglich ist. Die rührt ins Unsagbare und hat so viel Trost und Schmerz. Dadurch, dass die beiden täglich damit umgehen, in ihrem Leben, in ihrer Arbeit, sind sie nicht allein. Sie sind getröstet von der Musik und die Musik schreit für sie mitunter.

"Kater" läuft derzeit in den österreichischen Kinos.