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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

7. 11. 2016 - 16:01

The daily Blumenau. Monday Edition, 07-11-16.

Die Tücken der direkten Demokratie im Fall von Rapid Wien und der heute erfolgten Entlassung der sportlichen Führung.

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

#fußballjournal16 #fankultur #demokratiepolitik

Frage: Wenn die Chefetage einem postfaktischen Fan/Volks-Diktum folgt - ist das dann vorbildliche Demokratie, Selbstaufgabe oder clever instrumentalisierter Populismus?

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Eigentlich wollte ich heute die an dieser Stelle vor 14 Tagen erschienene Hymne auf Damir Canadi und seine Qualitäten noch einmal highlighten. Denn im Gegensatz zu den Konkurrenten, die allesamt bereits ihre zumindest erste Saison-Krise haben, kommt der SCR Altach, dessen sportliche Geschicke Canadi führt, ohne derlei Selbstgefälligkeiten aus und balanciert sein Spieljahr so geschickt aus, dass man (mit) die bislang meisten Punkte in der Meisterschaft errungen hat. Und das mit einem deutlich geringeren Budget und deutlich weniger individueller Klasse als die Großen 4 aus Salzburg, Wien und Graz.

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Dann kam die mancherorts eh schon avisierte, also dann doch nicht so überraschende mittägliche Entlassung von Sportchef und Trainer bei Rapid Wien dazwischen.

Ich habe mich sofort gefragt, warum ich (naiverweise) nicht an einen derartigen Befreiungsschlag glauben wollte. Und die Erkenntnis ist durchaus erschreckend: ich gestehe (antizipatorisch) den Managements der Fußball-Branche (bzw eh nur ihren Top 8, ÖFB, Liga, die vier Großklubs, Altach, Ried... ab Familienbetrieben wie in Wolfsberg, Mattersburg etc wird es ohnehin herrenbäuerlich, löwingerbühnenartig, braunschlagert) immer noch professionelle Fähigkeiten bzw Handlungen zu.

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Das ist aber ein schlimmer Denk-Fehler. Denn selbst wenn die entscheidenden Player in Rapid-Präsidium und Geschäftsstelle in ihren eigentlichen (oder früheren) Jobs hochkarätige Manager sind/waren: wenn sie Entscheidungen für "ihren" Verein treffen, agieren sie wie ein ganz normaler Fan.
Und lassen sich emotional leiten.

Die Fans, die vielen normalen und die wenigen, die glauben sie zu vertreten, die organisierten Ultras, haben sich nämlich darauf geeinigt, dass die Schuld an allem zuerst beim Sportchef (Andreas Müller) und dann beim Coach (Mike Büskens) und erst dann bei der Mannschaft (Mocinic und andere) liegt.

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Die Gründe für dieses Ranking sind weder durch Zahlen/Daten/Fakten belegt noch einer soliden Analyse entsprungen, sie sind aus diversen durch spontane emotionale Auswölbungen entstandenen tektonischen Schichten gefestigt und gaben sich den Anschein der Irreversibilität, nahmen durch diese Emo-Panzerung also einen Stärke-Grad an, an dem sich schließlich auch die Vereinsführung orientieren musste. Inhaltlich war die Bekanntgabe der Entscheidung durch Präsident Krammer ein Eiertanz voller Widersprüche und blieb so ein Spiegel des Fan-Votums.
Oder schlimmer: sie instrumentalisiert die eindimensionale Blickweise der Fans für eigene Abputz-Zwecke.

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Zur Klarstellung: weder Andreas Müller als doch deutlich zu reaktiver Sportdirektor, noch Mike Büskens als deutlich zu wenig einbringender old-school-Coach haben mich je überzeugt. Im Gegenteil: ein Trainer, der in öffentlichen Äußerungen ausschließlich die Spitznamen seiner Spieler verwendet (und damit hofft kindliche Ablenkungspunkte zu erzielen), ist nicht zu weit von einem Peter Pacult, also dem vorigen Jahrhundert, entfernt. Und ein Coach, der aus deutlich verbessertem Personalstand so wenig mehr herausholt als der für seine Zögerlich- und Risikolosigkeit schon notorische Vorgänger Barisic, verdient keine Sekunde Mitleid.

Und: wer so wenig von Rapid verstanden hat, dass ihm der Fall Entrup passieren und dann ebenso komplett entgleiten kann wie die Geschichte rund um den kontraproduktiven Legionärsüberschuss, hat sich den Rausschmiss selber zuzuschreiben.

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Nur: sich im Vorfeld anbahnende Fehler wie diese lassen sich innerhalb einer gut ineinandergreifenden Zusammenarbeit (also steten Austausch) von Management, sportlicher Leitung und Fan-Beauftragten im Vorfeld abfangen/federn. Oder: wer die Entscheidung für Büskens, den Anti-Nagelsmann, unkritisch mitträgt, hat gefälligst eine Halbsaison damit zu leben und selber Sorge zu tragen den Karren aus dem Sumpf zu ziehen.

Im Moment der Doppel-Entlassung entzieht sich die Chefetage der Verantwortung, versucht sich der Schuldfrage zu entledigen. Und schiebt dabei die Emo-Grundlage der Ultras (und der gesamten Fanbasis) vor.

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Das ist ebenso praktisch wie perfid.
Und folgt - im Kleinen, im scheinbar unpolitischen - der populistischen Logik jener, die sich direkte Demokratie, die permanente Rücksicht auf die öffentliche Stimmungslage und wutbürgerliches Surfen auf der Volkstribunen-Welle auf die Fahnen geschrieben haben, und so den reinen Machterhalt vor etwaige inhaltliche Festlegungen stellen.

Diese Art des Managements schmiegt sich dicht ans postfaktische Zeitalter an. Und wird auch die Entscheidung über die Nachbesetzung ausschließlich nach populistischen Kriterien treffen. Andere, wie die erwähnte Ausnahme Altach/Canadi mögen nach inhaltlichen Kriterien entscheiden und realwirtschaftliches Management betreiben - bei Rapid wird sportliche Führungs-Qualität nur durch Zufall oder Versehen implementiert werden können.