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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

6. 11. 2016 - 16:34

Ich will Pizza

Der Song zum Sonntag: Charli XCX - "After the Afterparty"

After the show it's the afterparty and after the party it's the hotel lobby, and we can't stop. Charli XCX hört nicht auf, nie, sie kann nicht, muss nicht, sie fängt erst an.

Demnächst erscheint das dritte Album der englischen Musikerin, Sängerin und, man soll es nicht vergessen, Songwriterin, die Vorabsingle ist Befreiungsschlag und neonausgeschildertes Mission Statement. Subtilität ist over.

Die Geschichte von Charli XCX ist vor allen Dingen auch die Geschichte der Identitätsfindung, in der Kunst, im Leben, im in der Kunst präsentierten Leben. Mit ihren ersten beiden Platten hat sich Charli XCX eine unspektakuläre, dabei sehr eigene Nische eingerichtet, zufällig, durch Orientierungslosigkeit und Ortlosigkeit.

Zwischen halbcoolem Mainstream und halbcoolem Irgendwie-Alternative, zwischen Elektro-Pop, Großraum-House, Mall-Punk, Trash-R'n'B und Bubblegum Pop, zwischen Grimes, t.A.t.U. und Avril Lavigne.

Charli XCX

Charli XCX

Im Song "After the Afterparty" muss jetzt nichts mehr bewiesen oder ausgemessen werden. Hier wird einfach bloß noch gesagt. Was ist. Wir machen Party, 24/7, davon handelt dieses Lied, Charli XCX gibt die Losung aus. “We do it like ice cream for dinner/Bucket of liquor/We’re getting sicker”.

Produziert hat den Track ein seltsames Sammelsurium an Produzenten: der noch relativ unbekannte FRED, der englische Plastik- und Latex-Elektroniker SOPHIE aus der Blase des Labels PC MUSIC und das hocherfolgreiche, langgediente Duo Stargate.

Stargate haben so ziemlich alles und alle gemacht, Atomic Kitten und Rihanna, Drake und Beyoncé, Lionel Richie und Lil Wayne. Die Ästhetik der hyperrealen Airbrush- und schrillen Digital-Überfrachtung von PC Music war vor zwei Jahren kurz der ganz heiße Scheiß und ist mittlerweile leicht abgemildert im Fast-Mainstream angekommen.

Und so ist "After the Afterparty" auch ganz genauso, wie es sein muss. Hook, Hook, Hit. Schlicht und supercatchy, perfekt auskalibriert und steht so deutlich im Widerspruch zur im Text transportierten Egalheit und Unbekümmerheit. Ein Song, der sagt: Dies ist Produkt.

  • Alle Songs zum Sonntag auf FM4
  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Die Gaststrophe des aus Atlanta stammenden Rappers und Sängerdarstellers Lil Yachty – aktuell ziemlich hart auf dem aufsteigenden Ast – ist ein besonders prächtiges Highlight der ausgestellten Albernheit, der neuen, im Halbschlaf übers Telefon eingespielten Faulheit: "The party was so crazy, the party was so crazy, tomorrow I'll be lazy, but I'll spend it with you baby".

Mit über den Anschlag hinaus aufgedrehtem Autotune auf der Stimme, hier wird lange schon nichts mehr verschönert und aufgehübscht, hier wird die Künstlichkeit stolz und trotzig ausgewiesen.

In "After the Afterparty" schwingen unausgesprochen die Zweifel und die Konsequenzen mit. Das Stück ist absolutes Party-Anthem und die endgültige Leere, die komplette Ernstmeinung und der Widerspruch.