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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

7. 11. 2016 - 18:16

Keiner spielt so wie er

Der junge Schachweltmeister Magnus Carlsen ist so virtuos, wie es noch keiner seiner Vorgänger je war. Nun gibt es eine Dokumentation, die seine Kindheit und Jugend aufrollt und ihn bei seiner ersten Weltmeisterschaft begleitet.

Er wird als der Mozart des Schach bezeichnet: Der Norweger Magnus Carlsen ist im Jahr 2013, kurz vor seinem 23. Geburtstag, Schachweltmeister geworden. Er gilt als unerreichtes Ausnahmetalent, weil er brillant ist, für Schach lebt und gleichzeitig sehr intuitiv spielt. Jetzt gibt es eine Doku in Spielfilmlänge, in der der bisherige Werdegang von Magus Carlsen nachgezeichnet wird. Das passiert anhand von Archivaufnahmen aus seiner Kindheit und Jugend sowie Interviews mit Familie, Freunden und Begleiter/innen.

Schachspieler vor einem Schachbrett

Moskus Film

Der ehemalige Schachweltmeister Garry Kasparow sitzt in einer frühen Szene in "Magus" einem jungen Teenager gegenüber: in verzweifelter Miene, die Hände in die Stirn eingrabend. Sein Gegner, ein noch kindlich anmutender Magnus Carlsen, wirkt hingegen nahezu unterfordert und abgelenkt. An einer Stelle verlässt er das Schachbrett sogar für ein paar Sekunden, bis Kasparow den nächsten Zug gemacht hat. Es wird ein Remis, und spätestens dann ist klar: Hier wächst ein werdender Großmeister auf.

Man vermutet es und bekommt es im Film bestätigt: Der junge Magnus ist tendenziell ein vergeistigter Außenseiter, der sich bereits als Kind in Schachpartien vertieft. Er muss erst den Bezug zu seinem Körper und zur Umwelt finden, weil er so in seinem Kopf lebt und sich in Analysen vergräbt. Dennoch verliert er nie den sozialen Anschluss. Das liegt am guten Zusammenhalt der großen Familie, immerhin hat Magnus drei Schwestern. Vor allem der Vater unterstützt seinen Sohn, legt aber auch Wert auf Ausgleich und Entspannung. Magnus selbst ist auch stolz darauf, dass er keine beeinträchtigenden sozialen Inkompetenzen aufweist. Schach als sein Lebensinhalt wird aber nie in Frage gestellt.

Datenbank im Kopf

Wichtig ist Magnus Carlsen seine Intuition, dann kommt alles von selbst. So setzt er bei einem Showturnier zehn fortgeschritten gute Spieler gleichzeitig matt. Mit verbundenen Augen - eine der einprägendsten Szenen in "Magnus". Die wahren Partien sind eben im Kopf, wo der Mann unzählige Schachbegegnungen der letzten 100 Jahre memoriert hat und immer wieder durchspielt.

"Magnus" (Regie: Benjamin Ree) läuft am 11. November in den österreichischen Kinos an.

Die größtenteils privaten Archivbilder sind gegengeschnitten mit der Vorbereitung und schließlich der Umsetzung der Schachweltmeisterschaft 2013 in Indien, bei der der norwegische Dokumentarfilmer Benjamin Ree die Familie Carlsen begleitet. Der mehrfache indische Weltmeister Viswanathan Anand scheint zunächst unbesiegbar. Er wird als pragmatischer Analytiker dargestellt, der seine Kontrahenten und ihre Spiele akribisch studiert und mit seiner Entourage ganze Hotelstockwerke bucht. Erstmals keine leichte Ausgangssituation.

Nur nicht das Mojo verlieren

"Magnus" zeigt ein junges Genie, das zwischen entspannter Souveränität und nagenden Selbstzweifeln pendelt. Die negative Kraft der Rückschläge muss Carlsen – wie jeder Profi-Sportler und -Spieler – im Laufe der Jahre erst lernen zu verarbeiten. Der schmale Grat zwischen unerreichbarer Brillanz und dem spontanen Verlust der Intuition sorgt bei der zehn Partien andauernden WM 2013 für mehr Spannung als in so manchem Thriller.

Der Film wirkt zunächst wie eine etwas wahllos zusammengestoppelte Footage-Sammlung, gewinnt aber durch das Alternieren zwischen den Turnieren und den Rückzugsszenen mit der Familie an Tempo. Ein junges Schachgenie wird in 76 Minuten vom hochtalentierten Kind zum sportlichen Rolemodel begleitet, das nebenbei sogar noch zum Mode-Testimonial wird.