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Anna Katharina Laggner

Film, Literatur und Theater zum Beispiel. Und sonst gehört auch noch einiges zum Leben.

3. 11. 2016 - 17:32

Wünschen und Lügen

In Karin Peschkas Roman "FanniPold" lügt die Heldin sinnlos und besiegelt damit ihr Schicksal.

Otto Müller Verlag

"FanniPold" von Karin Peschka ist im Otto Müller Verlag erschienen.

Am Anfang von "FanniPold" steht der Absturz: Fanni landet in einem Baum, hinter ihr ein Fallschirmpilot, seine Kotze in ihrem Nacken, in ihrer Brust steckt ein Ast. Derart intim hat sich Fanni das nicht gewünscht, so war das nicht geplant, der Tandemflug nicht, die Landung nicht und alles davor war ebenso eine Kette von Entscheidungen, die wie Unfälle passieren. Auch der Tandemflug, ein Wunsch, der so circa zum Letzten zählt, was Fanni möchte, ihr aber dennoch erfüllt wird.

Das Schlamassel nimmt seinen Anfang als Fanni beim Frauenstammtisch in der Pizzeria behauptet, sie habe Krebs. Wobei, Behauptung, das bedeutet eine Aussage mit Kopf. Doch Karin Peschkas tragikomischer Heldin fällt so eine Aussage aus dem Mund ("Das ist ihr einfach so aus dem Mund gefallen und kam im Grunde aus dem Nichts.")

Die Pizzeria, der Supermarkt, in dem Fanni arbeitet, das Haus, das sie mit ihrem Mann gebaut hat und in dem sie mit einer pubertierenden Tochter und ihrem Sohn lebt – all das befindet sich in einem kleinen Ort. Man kennt sich, weil alle nach demselben Schema leben. Die Tage abfertigen, nennt es Fanni.

Karin Peschka, die Autorin von "FanniPold" ist in Eferding aufgewachsen, einem kleinen, schmucken Städtchen in Oberösterreich, als Wirtstochter (wer das von sich behaupten kann, muss es auf den Buchumschlag schreiben!). Was sie beschreibt, ist ihr nicht fremd - eine Art von fortgeschrittener, ländlicher Bürgerlichkeit, in der es kein politisches Statement mehr ist, wenn Frauen die Männerbastion Stammtisch kopieren.

Fanni allerdings schert aus, benimmt sich jenseits von dem, was akzeptiert, also Gut oder Böse ist. In ihr aktiviert sich jener blinde Fleck, an dem ungenutzte Talente schlummern und das ungelebte Leben danach drängt, gelebt zu werden. Fanni lässt die Unvernunft zuschlagen.

"Etwas Unbändiges wollte sich einen Weg bahnen aus tiefer Brust. Aber in dieser Ödnis war kein Platz dafür. Fanni bog vom Hauptplatz ab, die Straßen hinunter zum Gemeindezentrum, auch hier fast jedes Geschäft leer, die Scheiben verklebt oder mit Vorhängen zugedeckt. „Damit man nicht ins Innerste sieht,“ dachte Fanni."

Es ist dieses Innerste, das Fanni im Jahr vor ihrem Fallschirmflug, umtreibt. Das Leben, die Freundschaften, die Liebe sind für sie nichts anderes als Serien oberflächlicher Handlungen, vorgefertigten Phrasen, unhinterfragter Konventionen. Fanni rebelliert dagegen, auch brachial.

Man wundert sich im Ort über Akte des Vandalismus, vermutet – nona – Asylwerber. Wo denn bitte, fragt sich die randalierende Fanni und schreibt ein arges Wort in den Kies.

Karin Peschka liest aus FanniPold im Rahmen der Buch Wien am Samstag, 12.11.2016 um 11:30 Uhr im Literaturcafe

In kurzen Kapiteln, knappen Sätzen, mit Präzision und Sprachwitz erzählt die oberösterreichische Autorin Karin Peschka alternierend jene Stunden, die Fanni und Poldi im Baum hängen und Fannis Jahr davor. Und im Laufe des Buches wächst einem diese Ulknudel, die mit dem Feuer spielt, die sich wehrt gegen das Schema und das Funktionieren nach Plan, sehr ans Herz.