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Christoph Sepin

Pixel, Post-Punk, Psychedelia und sonstige Ableger der Popkultur

3. 11. 2016 - 16:29

#Vlog16 - 7: The One about the End

Mit Tanz und Musical-Einlagen geht die Viennale 2016 - und damit auch das Viennale-Tagebuch - zu Ende.

#Vlog16

Christoph Sepins Viennale-Tagebuch.

Der Kreis schließt sich. Es fühlt sich an, als hätte das gerade erst alles angefangen. Als ob man sich soeben erst in die allererste Schlange gereiht hätte. Verzweifelt versuchte, um 10 Uhr vormittags die Tickethotline zu erreichen, um Tickets für "Paterson" zu bekommen. Oder sich über die ideale Platzierung im Gartenbaukino unterhalten hat (die vorderen Reihen sind zwar zu nah an der Leinwand, haben aber die gemütlicheren Kinosessel). Es fühlt sich alles noch neu an und frisch. Die Filme, die man gesehen hat. Die Menschen, die man getroffen hat. Die Gedanken, die man sich gemacht hat.

Aber doch: Die Viennale 2016 ist vorbei. Mit einer großen Abschlussgala im Gartenbaukino. Mit einem großen Abschlussfilm namens "La La Land". Und einem besonderen Höhepunkt, der Vorführung von John Carpenters herrlichem "They Live", der in Anwesenheit des Regisseurs im Stadtkino gezeigt wurde. Wollte man bei beidem sein, übrigens, also beim Abschlussprozedere und dem Carpenter-Film, dann ging sich das nicht aus. Die fanden nämlich fast zeitgleich statt.

Viennale 2016

Alexander Tuma

Der Kreis schließt sich. Und Dinge wiederholen sich. Wie am Eröffnungsabend betritt auch am Abschlussabend Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny die Bühne und hält eine Rede. Über den schönen Eskapismus, den uns die Viennale bereitet, spricht er diesmal. Über das Pause nehmen von dem was da draußen in der echten Welt passiert und das Platz nehmen im vertrauten Kinosaal, um in andere Welten einzutauchen. Wie zur Eröffnung tritt auch Viennale-Chef Hans Hurch nochmal vors Publikum. Und wie zur Eröffnung spielt es nochmal Stargast Patti Smiths Musikvideo zu "Summer Cannibals" unter der Regie von Robert Frank vor dem Hauptfilm.

Die Viennale fühlt sich so an, als ob man zwei Wochen lang alles versäumt, hat jemand auf Facebook geschrieben und meint das auch wahrscheinlich gar nicht so negativ. Das Festival ist eben so vollgestopft mit Inhalten, dass man sich zu Beginn gar nicht auskennt und sich dann auch gar nicht entscheiden kann. Und sich dann irgendwas ansieht, das man eigentlich gar nicht sehen wollte, aber dann trotzdem glücklich ist, dass man das gemacht hat.

Viennale 2016

Robert Newald

Der größte Vorteil an dieser Überfülle an Filmen ist aber der, dass dadurch jeder Viennale-Besucher und jede Viennale-Besucherin ein komplett anderes Filmfestival erlebt. Unterhalte ich mich an der Straßenbahnhaltestelle mit Leuten, die auch gerade im Kino waren, erfahre ich von deren filmischen Erlebnissen, die sich oft total von meinen unterscheiden. Von deren Abenteuern und spannenden Entdeckungen. Oder wenn wir den selben Film gesehen haben: Von deren Eindrücken, die sich mal komplett mit meinen eigenen deckungsgleich zeigen, dann wieder konträr abdriften. Und da unterhält man sich dann drüber. Worum es auch ein bisschen geht: Ums miteinander reden über all die Filme.

La La Land

Viennale

La La Land

Der Kreis schließt sich. Auch mit dem Abschlussfilm der Viennale, "La La Land" von Damien Chazelle, dem Regisseur und Autor des hervorragenden "Whiplash". Auf den ersten Blick könnte Chazelles neuer Film kaum unterschiedlicher zum Eröffnungsfilm, dem bedrückenden Drama "Manchester by the Sea" sein: "La La Land" ist eine übersättigte, romantisch-nostalgische Musicalkomödie. Ein Film übers Tanzen und Lieben und Singen und Jazz spielen. Wie "Manchester by the Sea" ist das aber auch ein Film, der sich in seiner Essenz mit einer kleinen Geschichte beschäftigt, trotz des pompösen Charakters und all der launigen Tanzeinlagen. Ein Film über zwei Menschen, die dazu verdammt sind, sich zu lieben, inmitten einer Stadt, die gelernt hat, Liebe zu verpacken, zu verkaufen und dann auch schnell wieder zu vergessen.

La La Land

Viennale

Es war mein allererstes Interview auf dieser Viennale, als ich mich zum Gespräch mit Frank Zappas Tochter Moon Zappa hinsetzte. Moon wurde der Welt zum ersten Mal so richtig durch das 1982er Lied "Valley Girl" vorgestellt. Das essenzielle Lied über Los Angeles, über die Oberflächlichkeit und den Schönheitszwang, die falschen Freunde und Opportunisten, die Egozentriker und Materialisten. Aber gerade aus dieser Welt, so erzählt mir Moon Zappa, kann man so viel über sich selbst lernen und kommt dem Sinn der ganzen Sache um einiges näher. Denn wenn man täglich mit Oberflächlichkeit und Fakeness konfrontiert ist, dann beschleunigt das oft den eigenen Selbstentwicklungsprozess. Und so geht es auch den beiden Protagonisten in "La La Land", Sebastian Wilder und Mia Dolan, perfekt gespielt von den unendlich sympathischen Ryan Gosling und Emma Stone.

La La Land

Viennale

"La La Land" ist aber auch ein Film, in dem sich jedes Motiv aus jedem einzelnen diesjährigen Viennale-Tagebuch wiederholt. Das ist ein Film über das Festhalten an der Zeit, über Musik, über Kommunikation und das Fehlen davon, über Nostalgie, über die Mischung aus Realität und Fakeness und über die Selbstfindung. Gosling ist ein nostalgisch-melancholischer Jazzpianist, der gerne seinen eigenen Jazzclub öffnen möchte, Stone spielt eine erfolglose Schauspielerin, die in einem Coffeeshop arbeitet und tagtäglich zu Castings gehen muss, die gefüllt sind mit Menschen, die aussehen wie sie, aber alle immer ein bisschen besser und attraktiver sind. So glaubt sie zumindest. Ein klassisches Set-Up mit klassischen Regeln, das dann aber doch ab und zu komplett herausbricht und emotionalisiert, romantisiert, überrascht und begeistert.

Was übrig bleibt, nach einem Happy End, das eigentlich gar kein Happy End ist, ist ein zentraler Satz. Ein zentraler Gedanke und eine grundlegende Einstellung: "Here's to the fools who dream". Für die Träumer. Für die, die sich nicht zufriedengeben wollen damit, Anwälte zu werden oder Buchhalter. Die Romantiker und Nostalgiker, Weirdos und Idealisten. Die Peter Pans, die nicht erwachsen werden wollen. Oder noch viel weniger können. Und vielleicht auch ein bisschen für die, die sich gerne durch den Film wegtransportieren lassen in andere Welten und andere Geschichten. Und dann gemeinsam Träumen, vor der Leinwand sitzend, in den Kinosessel gedrückt. Wie dieses Jahr und auch wieder nächstes Jahr auf der Viennale.

Viennale Kekse

Christoph Sepin / Radio FM4