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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

2. 11. 2016 - 19:01

EU-Kommissar Oettingers digitale Hinterlassenschaft

Haftpflicht von Providern für Inhalte ihrer Kunden, Leistungsschutzrecht für Printverleger und Upload-Filter, kontrolliert von der Unterhaltungsindustrie.

Die Beförderung des bisher für den digitalen Binnenmarkt zuständigen Kommissars Günther Oettinger zum Vizepräsidenten der EU-Kommission wird von der digitalen Wirtschaft Europas weniger als Aufstieg sondern als Abgang angesehen. Oettingers digitale Hinterlassenschaft ist nämlich eine Novelle zur Copyright-Richtlinie, die von der gesamten Internetwirtschaft heftig bekämpft wird. Diese Kontroverse wurde zuletzt durch die "launigen" Bemerkungen Oettingers etwas überdeckt.

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"Schlitzaugen und Schlitzohren", "verpflichtende Homo-Ehe", Wallonien als "kommunistisch regierte Mikro-Region", und andere "launige" Bemerkungen von Ex-Kommissar Oettinger im O-Ton

Vom Leistungsschutzrecht für Printverleger über die Haftung von Providern für Inhalte ihrer Kunden bis zu Upload-Filtern sind alle Sonderwünsche der Unterhaltungsindustrie erneut enthalten, die den technischen Gegebenheiten vernetzter Kommunikation diametral zuwiderlaufen. Unterstützung erhalten die Internetfirmen dabei von einer bunten Allianz aus digitalen Bürgerrechtsgruppen, Bibliothekarsverbänden, der Wikimedia Foundation und anderen Organisationen.

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Unter den Gegnern der Novelle finden sich in dieser (unvollständigen) Liste neben NGOs, die für offenen Zugang zu Wissen eintreten, Firmenlobbys wie Digital Europe, EDiMA oder EuroISPA.

Provider haften für Kunden

Neben der geplanten Einführung eines Rechts auf "Leistungsschutz" für Printverlage, das in Deutschland bereits gescheitert ist (siehe weiter unten), sind im Text der Novelle weitere Wünsche der Unterhaltungsindustrie enthalten, die sich mit grundlegenden Passagen in bestehenden EU-Richtlinien und Verordnungen schlagen. Der Entwurf aus dem ehemaligen Ressort Oettingers kollidiert zum Beispiel mit Regelungen der E-Commerce-Richtlinie, die Provider von der Haftung für Inhalte ihrer Kunden freistellen.

Mit der Novelle sollen Webhosting Services, die ihren Benutzern ermöglichen, "Copyright-geschütztes Material öffentlich zugänglich zu machen", nunmehr dazu verpflichtet werden, Lizenzen von den Rechteinhabern im Voraus zu erwerben, heißt es in Rezital 38. Die Provider gingen dadurch über das Speicherungsangebot hinaus und vollzögen selbst "Akte der Kommunikation mit der Öffentlichkeit", deshalb seien sie auch für die Inhalte ihrer Kunden verantwortlich.

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Wenn Provider eine "aktive Rolle einnehmen", indem sie die Präsentation hochgeladener Werke optimieren oder diese bewerben, haften sie auch für diese Inhalte. Durch diese Formulierung werden sämtliche Provider erfasst, die öffentlich einsehbares Webhosting anbieten.

"Keine Überwachungsverpflichtung"

In Artikel 14 der E-Commerce Richtlinie aus dem Jahr 2000 heißt es in Sektion 4 "Haftung von vermittelnden Service Providern" hingegen, dass diese nicht für Inhalte ihrer Kunden haften. Nur wenn ihnen Gesetzesverstöße bekannt würden, hätten die Provider zu regieren und die nicht rechtskonform veröffentlichten Inhalte zu entfernen. Artikel 15 trägt den ebenso lapidaren wie eindeutigen Titel "Keine Überwachungsverpflichtung", darin wird festgehalten, dass Provider nicht dazu verpflichtet werden können, die Webinhalte ihrer Kunden laufend nach möglicherweise Copyright geschütztem Material zu überwachen. Genau das aber ist in der Novelle nun zwingend vorgesehen.

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Richtlinie 2000/31/EG des EU-Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) alias "E-Commerce Directive"

"Lex Video Upload"

Im Dachverband von 35 europäischen Bürgerrechtsorganisationen EDRi wird die EU-Copyrightnovelle als "nuklearer Angriff auf die Freiheit im Internet" bezeichnet

Artikel 13 der neuen Copyright-Richtlinie sieht nun vor, dass Provider, die "große Mengen an Werken, die von Kunden hochgeladen werden, speichern und öffentlich zugänglich machen", mit den Rechteinhabern kooperieren müssen. Dafür seien "Maßnahmen zu ergreifen, um das Funktionieren der Vereinbarungen mit den Rechteinhabern zu überprüfen". Als Beispiel, was unter diesen "Maßnahmen" zu verstehen ist, werden "Technologien zur Identifikation von Inhalten" angeführt.

Aus dem Rotwelsch der Kommission übersetzt heißt das: Internet-Serviceprovider müssen Upload-Filter installieren, um dadurch mit Copyright belegtes Material bereits beim Hochladen zu identifizieren. Der Unterhaltungsindustrie wird damit die Entscheidung über die Gültigkeit "geistiger Eigentumsrechte" für Inhalte eingeräumt, bevor sie via Facebook oder Youtube veröffentlicht werden. Primär geht es in allen hier zitierten Abschnitten nämlich um Video-Uploads.

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Artikel 13 der Novelle zur Copyright-Richtlinie

Der EU-Richtlinienentwurf aus Günther Oettingers digitalem Vermächtnis sieht auch ein "Leistungsschutzrecht" für europäische Verlagshäuser vor. Verwerter von Urheberrechten sollen demnach von Google und den anderen Suchmaschinen Geld für Hyperlinks und Textschnipsel erhalten, die auf Artikel von Printverlagshäusern verweisen. Diese Gelder beziehen sich auf die "Copyrights" - also die Rechte zur Verbreitung bestimmter Inhalte - und eben nicht auf "Urheberrechte". Für die Autorinnen und Autoren der Texte ist deshalb nichts von diesen Geldern vorgesehen.

Bereits 2015 hatte die konservative Frakrion Europaparlament versucht, ein Leistungsschutzrecht in den Bericht der EU-Abgeordneten Julia Reda (Grüne) zur Modernisierung des Urheberrechts zu reklamieren. In einem Aufwaschen sollte auch die Panoramafreiheit für Fotografen hinkünftig abgeschafft werden

Fiasko für Verleger

2013 hatten die mithin größten deutschen Verlagshäuser Springer, Frankfurter Allgemeine Zeitung und andere eine große Kampagne gegen "Google News" gestartet. Die Verlage wollten Geld von Google für die im Newsfeed angezeigten Titel, Textschnipsel und Links auf Nachrichtenartikel. In Folge zeigte Google die Angebote der betreffenden Verlage in "Google News" nicht mehr an. Obwohl sie im gesamten Suchindex selbst weiterhin vorhanden waren, fielen die Klickraten der betreffenden Websites ins Bodenlose und in kürzester Zeit gaben die deutschen Verleger sehr klein bei.

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In Recital 35 der Erläuterungen zur neuen Copyright-Richtlinie steht verklausiert, dass Autorinnen und Autoren ja versuchen könnten, selbst für ihre Urheberrechte zusätzliche Gelder zu lukrieren. Eine so weltfremde Passage kann nur jemand verfasst haben, der sowohl von Internetwirtschaft als auch von den Usancen im Printverlagswesen keine Ahnung hat.

Sie erteilten Google eine Exklusivlizenz zur unentgeltlichen Anzeige von Titel und Anrissen der Artikel. Diese Lizenz galt freilich nur für Google. Alle anderen, nämlich auf Nachrichten spezialisierte Newsfeeds und Suchmaschinen deutscher Start-Ups galt dies nicht. Damit wurde die Stellung Googles als Quasimonopol für Internetsuchdienste in Deutschland zementiert.

GEMA einigt sich mit Google

Die am Dienstag verkündete Einigung der deutschen Verwertungsgesellschaft GEMA mit Google, die seit 2009 im Clinch um die Abgeltung von Urheberrechten auf Videos lagen, sollte ebenfalls in eine ähnliche Kategorie fallen. Die Folge der rechtlichen Blockade der GEMA war, dass eine Unzahl von Videos aus deutscher Produktion auf der weltgrößten Videoplattform nicht von deutschen IP-Adressen abgerufen werden konnten, wohl aber in anderen Staaten.

Über die Höhe der Abgeltung für die von der GEMA vertretenen 70.000 Urheberinnen und Urheber wurde von beiden Seiten Stillschweigen bewahrt. Bekannt wurde hingegen, dass die GEMA den kostenpflichtigen Service "YouTube Red" bei seiner Einführung in Deutschland unterstützen wird.