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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

2. 11. 2016 - 15:45

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 02-11-16.

Angerührtheit ist keine Krisen-Kommunikations-Strategie. Anmerkungen zu einem von etlichen Problemen vor dem wegweisenden Irland-Spiel des ÖFB-Teams.

#fußballjournal16

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Heute mit dem schon traditionellen Bericht anlässlich einer ÖFB-Kaderbekanntgabe, diesmal für das WM-Qualifikations-Match gegen Irland am 12.11. und den Test gegen die Slowakei am 15.11.

Tor: Ramazan Özcan (Leverkusen/D), Heinz Lindner (Eintracht Frankfurt/D) Andreas Lukse (Altach); Auf Abruf: Daniel Bachmann (Stoke/ENG - bei der U21) sowie (nachträglich) Richard Strebinger (Rapid).

Abwehr: Florian Klein (VfB Stuttgart/D), Sebastian Prödl (Watford/ENG), Aleksandar Dragovic (Leverkusen/D), Martin Hinteregger (Augsburg/D), Kevin Wimmer (Tottenham Hotspur/ENG), Markus Suttner (Ingolstadt/D), Valentino Lazaro, Stefan Stangl (RB Salzburg); Auf Abruf: Michael Madl (Fulham/ENG), Andreas Ulmer, Stefan Lainer (RB Salzburg), Andreas Lienhart (Altach), Philipp Lienhart (Real Madrid/ESP - bei der U21).

Mittelfeld: David Alaba (Bayern München/D), Julian Baumgartlinger (Leverkusen/D), Stefan Ilsanker, Marcel Sabitzer (RB Leipzig/D), Zlatko Junuzovic (Werder Bremen/D), Alessandro Schöpf (Schalke/D), Marko Arnautovic (Stoke/ENG), Martin Harnik (Hannover/ D), Louis Schaub (Rapid); Auf Abruf: Jakob Jantscher (Rizespor/TUR), Guido Burgstaller (Nürnberg/D), Florian Grillitsch (Werder Bremen/D - bei der U21).

Angriff: Marc Janko (FC Basel/SUI); Lukas Hinterseer (Ingolstadt/D), Michael Gregoritsch (Hamburger SV/D), Auf Abruf: Deni Alar (Sturm), Karim Onisiwo (Mainz).

Rücktritt: Christian Fuchs (Leicester City/ENG).

Verletzt sind Robert Almer (Austria), Christopher Dibon, Stefan Schwab, Philipp Schobesberger (Rapid).

Am Altenteil: Alexander Manninger (Liverpool/ ENG), Michael Gspurning, Emanuel Pogatetz (Union Berlin/D), Andreas Ivanschitz (Seattle/USA), Christoph Leitgeb (RB Salzburg), Veli Kavlak (Besiktas/TUR), György Garics (aktuell vereinslos). Zu weit weg ist Rubin Okotie (Beijing EG/CHN).

In Kader-Reichweite befinden sich noch Jörg Siebenhandl (Würzburg/D), Marco Knaller (Sand-hausen/D), Michael Langer (Norrköping/SWE); Christopher Trimmel (Union Berlin/D), Lukas Spendlhofer (Sturm), Raphael Holzhauser, Ismael Tajouri, Alexander Grünwald (Austria), Alexander Gorgon (Rijeka/CRO), Thorsten Schick (YB/SUI), Robert Zulj (Fürth/D), Andreas Weimann (Derby County/ ENG), Marco Djuricin (Ferencváros/ HUN), Philipp Hosiner (Union Berlin/D), Adthe Nuhiu (Sheffield Wed/ENG).

Weniger Chancen haben Cican Stankovic (RB Salzburg), Robert Olejnik (Exeter/ ENG); Georg Margreitter (Nürnberg/D), Matthias Maak (Sönder-jysk/DEN), Stipe Vucur (Lautern/D), Mario Pavelic, Thomas Schrammel, Christoph Schösswendter (Rapid), Georg Teigl (Augsburg/D), Emir Dilaver (Ferencváros/HUN), Tanju Kayhan (Göztepe/TUR), Patrick Farkas (Matters-burg), Robert Gucher (Frosinone/ ITA), Marcel Ziegl, Dieter Elsneg (Ried), Muhammed Ildiz (Gaziantepspor/TUR), (Austria), Marcel Ritzmaier (Eagles Deventer/NED), Kevin Stöger (Bochum/D), Dominik Hofbauer (Arka Gdynia/POL), Stefan Savic (Slaven Belupo/CRO), Michael Liendl (1860/D), Konstantin Kerschbaumer (Brentford/ENG), Stefan Hierländer, Philipp Zulechner (Sturm), Tomas Simkovic (Kostonay/KAZ), Daniel Royer (RB New York/USA), Marco Meilinger (Aalborg/DEN), Ümit Korkmaz (Caykur Rizespor/TUR), Martin Pusic (Midtjylland/DEN), Erwin Hoffer (Karlsruhe/D), Darko Bodul (Perm/RUS) uvam...

Unangefragt sind etwa Moritz Bauer (Rubin Kazan/RUS) und Ashley Barnes (Burnley/ ENG). Neu beim Kosovo: Sinan Bytyqi (Go Ahead Eagles/NED), neu bei Australien: James Jeggo (Sturm).

Bei der U21 sind neben Bachmann, Philipp Lienhart und Grillitsch noch ua Phillipp Mwene (Lautern/ D), Lukas Gugganig (Fürth/D), Ylli Sallahi (Karlsruhe/D), Konrad Laimer (RB Salzburg), Christoph Martschinko, Tarkan Serbest, Kevin Friesenbichler, Dominik Prokop (Austria) oder Thomas Murg (Rapid).

1

Dünnhäutigkeit ist keine Tugend, Schmallippigkeit auch nicht. Marcel Koller vermeidet es (mit einiger Mühe, aber doch) in die selbstgerechten Fallen zu tappen, die seinem Vorgänger zum Verhängnis wurden; auch weil er in seinen zunehmend substanzloser werdenden öffentlichen Aussagen jede Patzigkeit vermissen lässt, und so die Tugend der Verständkeit ausspielt. Trotzdem schwebt ein Klima der Angerührtheit über seinen öffentlichen Auftritten.

2

Koller hat auch in den sonnigsten aller Zeiten, als ihm die Nation zu Füßen lag und kein Miniatur-Wölkchen seinen Himmel trübte, wenig ausgesagt, wenn er gesprochen hat. Diese Defensivstrategie ist angesichts einer auf Krawall gebürsteten Boulevard-Medien-Landschaft auch durchaus angebracht; und sie fruchtet auch solange derjenige, der Mitteilungen an die Öffentlichkeit sendet, seine Methoden als kleines Geheimnis bewahrt, Hoffnungen auf eine bessere Zukunft macht, vielseitig interpretierbar bleibt und die anderen Kardinaltugenden lebt.

In dem Moment wo das Geheimnis zerbröselt (oder durch Euro-Gruppengegner zerbröselt wird), die Hoffnung zusammensackt und die Tugenden den Sünden Platz machen greift die Taktik aber nicht mehr.

3

Seit der Euro umweht Koller und sein Team nicht mehr der Wind der Unangreifbarkeit, es regiert (wieder) der Zweifel. Dem mit wenig nachvollziehbarem Bestemm und zunehmender Angerührtheit entgegenzutreten ist in etwa so sinnvoll wie der Versuch, sagen wir, einer aktuellen österreichischen Regierung ihre nicht immer zweckmäßig arrangierten Handlungen trotzdem immer als optimal zu verkaufen.

Also wäre eigentlich ein Strategiewechsel für die Außendarstellung, die Kommunikation angebracht. In beiden Fällen. Im Fall des ÖFB ginge es leichter, weil man sich im Bereich 'Fußball und Öffentlichkeit' ausschließlich auf gefühligem Terrain bewegt (also postfaktisch ist) und jede emotionale Regung sofort eine Reaktion erzielt, die stärker ist als Statistiken oder Ergebnisse.

Es wäre also. Ist aber nicht so.

4

Koller dabei zuzusehen, wie seine Außendarstellung nicht und nicht funktioniert, wie zunehmend schwer er mit dem neuen Tonfall des Zweifels umgehen kann, wie sehr er sich in einem Geflecht aus Selbstmitleid, Beratungsschwäche, Kritikresistenz und Feindbilder-Zuschreibung zu verheddern beginnt, tut echt ein bisserl weh.

Vor allem in der Projektion in die Zukunft. Bei einem Scheitern in der WM-Quali ist nicht nur er (spätestens 2018, vielleicht schon früher) weg, sondern auch all seine wichtigen Hinterlassenschaften werden bezweifelt und vom nicht unwahrscheinlichen Backlash der Reaktionäre, der heimischen Ex-Teamkicker-Seilschaften massiv bedroht. Die potentiellen Nachfolger (und Hasenhüttl, Stöger und Hütter stehen - wegen ihrer Erfolge - nicht zur Verfügung, und über Canadi traut sich der ÖFB nicht drüber) sind deutlich näher am Constantini- als am Koller-Vorbild gebaut. Es droht also eine Wiederholung der alten ÖFB-Geisterbahnfahrten, ein Rücksturz in das von Freunderlwirtschaft geprägte präfaktische Zeitalter, in dem gefühliges Kantinen-Gequatsche die seriöse Analyse ausbremst, in dem Lautstärke und Populismus Wissen und Können schlagen.

5 - Crisis? What Crisis?

Auf die vielen Fragen, die sich zwischen den Zeilen vorsichtig an diversen Krisen-Symptomen abarbeiten, reagiert Koller mit der ebenso verklausulierten These dass es keine Krise geben könne, solange er sie nicht erkennen und dann auch ausrufen würde.

So funktionieren Menschen aber nicht. Wenn sie etwas sehen, das wie eine Krise spricht und wie eine Krise geht, dann erkennen sie es als Krise. Auch wenn sie es sich selber nicht gestatten, es so zu nennen.

Diese Krise ist schon da, virulent seit dem Ungarn-Match, schwelend seit dem Sommer hinein in den Herbst. Ihr Überwintern kann nur durch einen Sieg gegen Irland und eine zumindest ansehnliche Test-Leistung gegen die Slowakei verhindert werden. Andernfalls wird sie brüten, wachsen, gedeihen und - sofern die Kommunikations-Strategie der Verantwortlichen sich nicht ändert - zu einem Monster auswachsen.

6

Koller hat sein Rezept heute am späten Vormittag ja offenbart. Wenn's nicht so gut läuft (das ist das Zugeständnis, seine Version von Krise), dann a) weniger machen, b) sicherer spielen und c) Ruhe reinbringen, sagt er.

Das klappte zuletzt weder auf dem Platz (die Führungsspieler wollten mehr machen, glänzen, sich mit Highlight-Fußball wieder reinspielen; Ruhe-Phasen erinnerten allzu schnell an Ohnmachts-Phasen) noch in Kollers Kommunikation.

Er verwendet zwar weniger Zeit auf An/Aussagen und sichert sie in aller Vorsicht ab - allerdings kommt das nicht so rüber, wie er sich das vorstellt, nämlich beruhigend, sondern zündet (über die passive-aggressiveness die die offensichtlichen Schere zwischen Wort und Körpersprache in sich trägt) die nächste Stufe der Eskalation, die Vermehrung von Zweifel.

7

Die beste Erklärung für das aktuelle Vorgehen von Koller & ÖFB ist die Sicherheit eines Erfolgs gegen Irland, der die Sicherheit bringt in Schlagdistanz zu den drei Konkurrenten um die eineinhalb Quali-Plätze für die WM zu bleiben.

Neben dem (wohl bewusst genommenen) Risiko übersieht diese Strategie des Nicht-Handels aber die Auswirkungen, die leicht angerührte Bunkerstimmung auf eine Mannschaft, die sehr wohl über die eigene Krise Bescheid weiß, haben kann, haben muss.

Für die einen, die Schwächeren, dient sie als Ausrede, sich dahinter zu verstecken, noch weniger an Verantwortung zu übernehmen. Für die anderen, die Leader, vorneweg die kriselnden Alabas und Baumgartlingers, kann sie, besser: die Notwendigkeit sie gewissermaßen auch vor sich selber leugnen zu müssen, sich auch zum Hemmschuh auswachsen. Sie steht im Raum wie ein Elefant und nimmt deutlich zu viel Platz ein; Platz, der etwa für einen gezielten Matchplan mit exakt verteilten Aufgaben deutlich besser aufgewendet wäre.

8a

Hochmut ist auch keine Tugend. Koller schätzt - zumindest öffentlich, auf Nachfrage - seinen irischen Gegner nicht viel anders ein als das Irland von 2012/3, das aus der WM-Quali für Brasilien. Er setzt also Trapattonis same old crap mit Martin O'Neills differenziertem und überlegtem hochvariablen Spiel gleich. Wiewohl es sich letztlich um das exakte Gegenteil handelt. Kollers gleichsetzende Deutung grenzt also ans Fahrlässige.
Und sie weist nur dann nicht auf eine extrem getrübte Sicht der Dinge hin, wenn seine Antwort eine bewusste Verschleierung wahren Absicht ist.

8b

Die schwächliche Vorbereitung und der fatal-falsche Matchplan gegen Serbien sprechen da eher für Ersteres, für den weiterhin siegenthalerlosen taktisch zunehmend unsichereren Koller. Der seine Legitimierung in Sätzen wie "Ich weiß nicht, ob sich sonst jemand das Spiel nachher noch einmal angeschaut hat" zieht.
Zum einen: doch, einige, ich etwa, auch wenn ich nicht jedes mal extra ausweise oder die Kollegen, die derlei auch mit genauer Analyse ausweisen, für jeden sichtbar. Zum anderen: anschauen alleine genügt nicht. Und zwar im doppelten Sinn: es braucht Lernen und Umsetzen ebenso wie andere Nachbeschauer.

8c

Das dritte Signal für eine der Kollerschen Verständigkeit völlig zuwiderlaufende Hochmut ist die Behandlung der U21, die am 11. und vor allem am 15. in einem Play-Off gegen das starke Spanien um ihre historische, erste Chance auf eine Endrunde kämpft und dafür nicht nur Schaub, Lazaro und Gregoritsch, sondern auch Sabitzer und Schöpf so richtig gut brauchen könnte. Kollers Umgang mit dieser Frage war dann eher als gönnerhaft zu bezeichnen.

9

Dass Koller nicht an der Personalschraube drehen würde, war klar. De facto gar keine Änderung (Lindner rückt wegen des Almer-Ausfalls nach, Özcan ist die Nummer 1; Alar bleibt auf Abruf, ebenso wie Jantscher und Burgstaller) aber zwei Tage mehr Zeit um sich im Training wieder Sicherheit zu erarbeiten, jene Sicherheit, über die man zuletzt "natürlich nicht" verfügt habe.

Das wird rein sportlich schwer genug. Vor allem dann, wenn die aktuellen Kommunikations-Strategien nicht viel besser sind als es der Matchplan gegen Serbien war.