Erstellt am: 2. 11. 2016 - 12:48 Uhr
Georg und Georgi
Mit Akzent
Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharov und sein satirischer Blick auf das Zeitgeschehen - jeden Mittwoch in FM4 Connected und als Podcast.
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Mein Freund Georgi arbeitet in einem internationalen Unternehmen mit Sitz in Wien. In dem Büro nebenan sitzt Georg. Georgi kommt aus Bulgariens Hauptstadt Sofia, Georg aus einem Dorf im Salzkammergut. Bis vor einigen Tagen waren sie beste Freunde. In ihren Gesprächen in der Mittagspause waren sie darauf gekommen, dass sie das gleiche Hobby haben: die Horden des Bösen im Computerspiel “Diablo” zu vernichten.
Die beiden hatten mit dem Spiel im frühen Kindesalter angefangen, noch bevor die ersten Pentiumcomputer auf den Markt gekommen sind. Beide Eltern meinten, dass das Computerspielen schlecht sei und haben es ihnen verboten. Deshalb standen Georgi und Georg immer nachts auf, um heimlich Dämonen auszurotten. Bis zum heutigen Tag sind Georg und Georgi kindische Idealisten geblieben, die an die moralischen Normen der Computerspiele glaubten.
![© CC BY-SA 2.0, foeoc kannilc on Flickr Drache auf Berg sitzend im Spiel Diablo](../../v2static/storyimages/site/fm4/20161144/7892876408_8de4d58db9_z_body.jpg)
CC BY-SA 2.0, foeoc kannilc on Flickr
An einem Feiertag lud Georg seinen Freund Georgi ins Dorf seiner Eltern ein. Dort haben Sie ein Familienhotel, eine freundliche Hütte mit vielen Blumen an den Fenstern und einer netten Katze namens Missis. Alles lief super. Bis Georgs Oma mitbekommen hat, dass Georgi ein Bulgare ist. Sie verkündete, dass sie „keine Flüchtlinge in ihrem Haus“ dulden würde. Es halfen keine Erklärungen, dass Georgi aus einem EU-Land kommt und es ganz normal sei, dass er in Wien lebt und arbeitet. Die Oma war nicht zu überreden. Sie sagte: „Georg, Polen und Tschechen sind unsere Diener. Sie kommen hierher, um unsere Schuhe und den Boden sauberzuhalten. Und einen Bulgaren kann ich schon gar nicht akzeptieren!“
Georg vesuchte ihr zu erklären, dass die Eltern von Georgi nicht wilde Schafzüchter sind, die ihre Berghütte mit getrockneten Fäkalien heizen, sondern Universitätsprofessoren. Georgis Uropa habe sogar in Wien Medizin studiert und nach dem Studium eine Assistentenstelle angeboten bekommen, hatte sich aber dazu entschieden, zurück nach Bulgarien zu gehen.
Die Oma hörte diesen Erzählungen mit einem ständigen Kopfschütteln zu: „Sein Opa hat das gut gemacht, zurück nach Bulgarien zu gehen, was macht er noch hier?“ Die ganze Zeit sprach Georgs Oma von Georgi, ohne seinen Namen zu nennen, so, als ob sie von einem Kochtopf spräche. Sie zog ihre Lederhandschuhe an und ging aus. Man weiß nicht, wozu sie die Lederhandschuhe braucht – um sich zu wärmen oder sich nicht am Höllenfeuer zu verbrennen.
Georgi und Georg fuhren zurück nach Wien. Am Anfang war alles in Ordnung. Eine Woche danach aber bat Georg auf einen anderen Platz versetzt zu werden. Im Büro neben Georgi sei ihm zu kalt gewesen. In der Mittagspause sagte er was wirklich los war. Seine Oma habe ihn gebeten nicht mehr mit Migranten zu verkehren, sonst würde sie ihn enterben. In Wahrheit gehörte die schöne Hütte in den Bergen nämlich Georgs Oma, die Blumen an den Fenstern und die Katze Missis auch. Georg und seine Eltern sind ihre Geiseln. Er bat Georgi ihn zu verstehen, er könne nicht einfach so seine Oma beleidigen. Und die Hütte kann er sich nicht entgehen lassen.
Georgi hat ihn verstanden. Ab heute sitzt neben ihm im Büro ein Inder.