Erstellt am: 2. 11. 2016 - 06:00 Uhr
Es knallt und leuchtet
Bei uns dauert es noch knappe zwei Monate bis Weihnachten, in Indien hat man den Höhepunkt der festlichen Zeit mit Diwali schon hinter sich gebracht. Diwali ist das hinduistische Lichterfest, gleichzeitig in einigen Teilen Indiens auch Neujahr. Es wird mit diesem Fest gleich alles in einem Aufwasch hinter sich gebracht: Kerzen, Geschenke, Süßigkeiten, Kracher, Familienbesuch. Nur gesungen und Blockflöte gespielt wird nicht.
FM4/Irmi Wutscher
Auch wenn Mumbai eine geschäftige moderne Stadt ist, geht Diwali an ihr nicht vorbei. In der Woche vor dem Fest hängen in unserem Büro Lampions, und regelmäßig kommen Kollegen an meinem Platz vorbei, um mir Süßigkeiten anzubieten.
Auch sonst ist alles festlich geschmückt mit Kerzen und Lichterketten, schöne Lampions hängen überall. Es gibt besonders schöne Saris zu kaufen und überall gibt es Süßigkeiten.
Rama den Weg leuchten
Weil Diwali ein geselliges Fest ist, haben mich meine Kollegin Roli und ihr Freund Bhushan zu einem Diwali Dinner bei sich eingeladen. Als ich ankomme, sind im Stiegenhaus vor jeder Türe Rangolis am Boden, Mandalas aus buntem Puder, die Glück bringen sollen. Und überall brennen Kerzen, die Rama den Weg nach Hause leuchten sollen.
FM4/Irmi Wutscher
Das ist natürlich nur ein kleiner Ausschnitt von indischer Diwali-Tradition – Indien ist ein Subkontinent und in anderen Teilen wird Diwali wieder ganz anders gefeiert! Im Südosten Indiens und in Sri Lanka zum Beispiel, ist nicht Lord Rama der Held, sondern Ravana wird verehrt!
„Diwali ist das Lichterfest“, erklärt Bhushan. „Die Mythologie besagt, dass Gott Rama nach 14 Jahren im Exil zurück in seine Stadt gekommen ist. Als er ankam, haben die Menschen Lichter angezündet, um seine Ankunft zu feiern.“ Die Geschichte stammt aus dem Ramayana, einem der beiden großen indischen Nationalepen, die auch als heilige Texte gelten. Den Inhalt kennt in Indien jedes Kind: In der Ramayana geht es grob vereinfacht um Lord Rama, der von seinem Vater verstoßen wird und im Exil leben muss, bis er Ravana, den Fürsten der Dämonen besiegt und nach 14 Jahren zurückkehrt. Und das feiert man dann zu Diwali.
FM4/Irmi Wutscher
Fünf Tage Festlichkeit
Insgesamt dauern die Diwali-Feierlichkeiten fünf Tage lang. Am ersten Tag wird vor allem das Haus geputzt und geschmückt. Und es wird eingekauft, neue Kleider und Schmuck, erklärt Roli: „Am ersten Tag, Dhanteras, kaufen wir Schmuck, es soll Glück bringen, an diesem Tag Schmuck oder irgendetwas aus Metall zu kaufen. Am zweiten Tag ist Chhoti Diwali, oder kleines Diwali. Es ist auch der Geburtstag von Gott Hanuman.“
Hanuman kennt man bei uns als den Affengott. Er soll Rama in seinem Exil als treuer Diener zur Seite gestanden sein und wird in ganz Indien verehrt. Zum kleinen Diwali wird seine Lieblingsspeise gereicht: Laddu. Das sind kleine Bällchen aus süßem Kichererbsenmehl.
FM4/Irmi Wutscher
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Am dritten Tag ist dann der Haupttag von Diwali. Dieser Tag ist der Göttin Lakshmi gewidmet, die für Wohlstand zuständig ist. An diesem Tag gibt es eine Puja, eine Art Gebet für Lakshmi. Es wird um Erfolg und Wohlstand für das kommende Jahr gebetet. Außerdem ist Geselligkeit angesagt, sagt Bhushan: „Nach dem Gebet wird gefeiert. Die Menschen tragen besonders schöne, neue Kleider an diesem Tag, sie besuchen sich gegenseitig, um sich Happy Diwali zu wünschen und bringen Geschenke und Süßigkeiten.“
Es gibt natürlich auch spezielles Essen: in Maharashtra, der indische Bundesstaat, in dem Mumbai liegt, sind es mehrere pikante und süße Snacks, die zu Diwali gereicht werden.
Weil Lakshmi auch das Glück selbst verkörpert, gilt dieser Tag auch als besonders veheißungsvoll für Glücksspiele. Manche Inder_innen gehen an diesem Tag ins Kasino oder kaufen ein Lotterielos. Wir spielen bei Roli ein Kartenspiel mit 1-Rupien-Stücken als Einsatz, um Lakshmis Glück zu uns einzuladen.
FM4/Irmi Wutscher
Vorwurf der Kommerzialisierung
In einem Dorf würden sich tatsächlich alle Nachbarn besuchen, in der Stadt ist es die Familie, die zusammenkommt. Und da gibt es dann auch die Geschenke, sagt Bhushan: „Die Familie trifft sich, manche sehen sich vielleicht nach einer langen Zeit wieder. Deshalb bringt man auch Geschenke mit.“
Es gibt genau wie bei Weihnachten den Vorwurf, dass Diwali zu einer reinen Kommerzveranstaltung verkommt. Ähnlich wie bei uns im Advent, wird man in den Wochen vor Diwali mit Werbung bombadiert. Und die Straßen und Geschäfte sind in Mumbai besonders voll, weil viele Menschen einkaufen.
FM4/Irmi Wutscher
Roli meint, dass diese Tradition des Geschenke-Kaufens mit der wirtschaftlichen Liberalisierung Indiens in den 1990er Jahren stärker geworden ist. „Bis dahin war es vermutlich nur ein Austausch von Süßigkeiten. Aber mit der wirtschaftlichen Liberalisierung haben einerseits Unternehmen begonnen, Geschenke zu verteilen. Andererseits wurde Diwali auch als Marketingstrategie erkannt“
Ich bin als Teil des Medienbotschafter_innen-Programms der Robert-Bosch-Stiftung für drei Monate in Indien. Im ersten Monat in Chennai, am ACJ. Dann für zwei Monate in Mumbai, um bei der Tageszeitung The Hindu mitzuarbeiten.
Und Neujahr
Am vierten Tag wird dann in vielen Teilen Indiens ein neues Jahr begangen. Wie bei uns mit viel Krach und Knall.
FM4/Irmi Wutscher
Der fünfte Tag ist dann der Bruder-Schwester-Beziehung gewidmet. Schwestern und Brüder besuchen einander, es wird ein Text vorgelesen, der die Besonderheit ihrer Bindung preist. Übrigens geht das wirklich nur zwischen Schwestern und Brüdern, gleichgeschlechtliche Geschwister feiern nicht. „Indien ist eine patriarchale Gesellschaft“, sagt Roli, „Brüder werden als Beschützer ihrer Schwestern gesehen, aber auch als Wohltäter den Schwestern gegenüber. Und umgekehrt, Schwestern sind auch Wohltäterinnen den Brüdern gegenüber.“
Man kann Diwali, genau wie Weihnachten, total kommerziell und total kitschig finden. Ich persönlich bin eine Freundin der Kerzen und der Farben und des Sich-Besuchens. Und ich freue mich, die festliche Zeit in Indien erlebt zu haben.
FM4/Irmi Wutscher
Und wer jetzt glaubt, dass man in Indien dann zu Weihnachten wenigstens Ruhe hat, der oder die irrt: Weihnachten wird in Indien auch gefeiert – es gibt ja auch eine christliche Bevölkerung. Und Silvester ist eine große Sache, wie bei uns, sagt Roli.