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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

31. 10. 2016 - 16:40

Ein heiliger Geist

Jude Law protzt: Die merkwürdige Fernsehserie "The Young Pope"

Zwar ist der junge Papst Kettenraucher, schön anzuschauen und gerne süffisant am Lächeln - abgesehen davon aber bringt er nicht den jugendlichen Rock'n'Roll-Spirit, den man vielleicht von ihm - und seiner Show - erwartet hätte, in die katholische Kirche.

Die Ausgangslage der kürzlich – mit prächtigen Quoten, vor allem in, man ahnt es, Italien – gestarteten Serie "The Young Pope" mag gar arg an den Haaren herbeigezogen anmuten. Recht schnell jedoch stellt sich die Show bei allem Wahnsinn, der hier versprüht wird, auf der Plotebene als recht plausibel dar.

"The Young Pope": Die zehnteilige Serie ist immer freitags um 21.00 Uhr in Doppelfolgen auf Sky Atlantic HD zu sehen sowie zeitlich flexibel über Sky On Demand, Sky Go und Sky Ticket verfügbar.

Jude Law raucht

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Jude Law: "The Young Pope"

Regisseur Paolo Sorrentino ("This Must Be the Place", "La Grande Belleza") erzählt hier die Geschichte des amerikanisch-italienisch-stämmigen Endvierzigers Lenny Bellardo (Jude Law), der als jüngster Papst unter dem Namen Pius XIII. in die Geschichte eingehen soll.

Seine Wahl ins Amt dürfte von Schatteneminenzen manipuliert worden sein, installiert haben ihn die Drahtzieher im Vatikan als fotogene und telegene, leicht zu spielende Marionette. Auch soll er als weltoffenes Symbol der Kirche mit frischem Wind zu neuem Leben verhelfen.

Da hat man sich aber den falschen Gegenspieler ausgesucht. Lennys Biografie hat die Zeichen nicht unbedingt auf Ausgelassenheit und Laissez-Faire gestellt: Als Achtjährigen haben ihn seine lebenshungrigen Hippie-Eltern verlassen, aufgezogen hat ihn eine Nonne (Diane Keaton) im Waisenhaus.

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Über weite Strecken lebt "The Young Pope" von einem beklemmenden, fast schon kammerspielhaften Ton, im Büro des Papstes, in engen Gängen, finsteren Kirchgemäuern und Beichtstühlen. Träume und traumhafte, beinahe surrealistische Sequenzen und spröder Humor mischen sich ins Geschehen. Dann wieder fährt die Show immer wieder opulente, weihevolle Bilder auf, so üppig und formidabel ausgeleuchtet wie alte überdimensionale Ölschinken. Gewänder, Kopfbedeckungen.

Der Vatikan bietet naturgemäß einiges an Schauwerten, idyllische Gärten, Prachtbauten, hinter den Oberflächenreizen grummelt es unheilvoll, bedrohlich summt Ambient, der das artifizielle Aroma des Szenarios unterstreicht.

Young Pope

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Auch wenn es ihm von Sex und Masturbation träumt, von der Vorstellung, die Kirche mit Milde und Lockerheit den Menschen näher zu bringen: Der junge Papst gibt sich in der Serie - bislang - als erzkonservativer Hardliner, der die Kirche über alles stellt, nach außen hin zumindest. Für Gott müsse alles hintangestellt werden. Gott müsse dem Menschen gar nichts beweisen.

Im inneren Apparat ist der Papst kalter Machtmensch, arrogant, überheblich, kostet seine Position mit Vergnügen aus. Geraucht werden darf im Palast nur von ihm selbst, er ist ja schließlich der Papst, zum Frühstück muss es schon – und nur das – ein obligatorisches Cherry Coke Zero sein.

Auf freundschaftliche Beziehungen legt er keinen Wert, offiziell und amtlich müsse alles ablaufen. So erspart man sich Enttäuschungen. Jude Law geht in dieser Rolle genüsslich auf, mal Gockel und Pfau, mal schweigsam, abwartend lässt er seine Kontrahenten, die machthungrigen Kardinäle auflaufen.

Die Absichten und Motive des jungen Papstes sind unklar, er bleibt schwer fassbare, wachsglatte Figur, in der wohl dunkle Geheimnisse schlummern. Die vielen langen Momente des Innehaltens, des zähen Harrens und Zögerns laden "The Young Pope" mit elektrischer Spannung.

Es ist ein Verwirr- und Intrigenspiel. Oft gestaltet sich das als eine Annäherung an das Format Thriller, dann wieder kippt "The Young Pope" ins Groteske, mit allem goldenen Glanz. So lässt Pius in den Gärten des Vatikans ein Känguru frei herumlaufen.

Wenn es um die Inszenierung seines öffentlichen Images geht, zeigt er sich ganz popkulturbeflissen und orientiert sich an Salinger, Kubrick, Banksy und Daft Punk: Er verbietet die Herstellung von katholischem Merchandise, das sein Antlitz zeigt. Keine T-Shirts, keine Teller, keine Bieruntersetzer mit Papst Pius drauf.

Auch fotografiert und gefilmt werden darf er nicht, öffentliche Auftritte absolviert er im Dreivierteldunkel. Es ist aber nicht die Bescheidenheit, die ihn treibt – im Gegenteil: durch die Geheimniskrämerei sollen Mysterium und Strahlkraft generiert werden.

Eine seltsame Mischung, eine rätselhafte Show, deren Richtung noch kaum einzuschätzen ist - das ist eine Stärke. Pomp und Tand, Angstzustände, Isolation und Größenwahn, eine Show, so eitel wie der Papst.