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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

31. 10. 2016 - 17:30

The daily Blumenau. Monday Edition, 31-10-16.

Ist es paradox oder vorbildlich, wenn gerade die extrem marktgetriebene Fußball-Branche nach Regulierung schreit?

#fußballjournal16

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

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Siehe dazu auch Der Untergang des Fußballs - 11Freunde Novemberheft, oder Radikale Reformen gegen die Langeweile? in kicker.tv auf Eurosport.

Jetzt hat die Debatte also die intellektuellen Keller verlassen und den Mainstream erreicht: Fußball-Deutschland diskutiert den Salary Cap, die Regulierung eines ausufernden Binnen-Kapitalismus. Und selbst die großen Player müssen sich - wenn auch zähneknirschend - stellen: sobald die Öffentlichkeit sich nämlich wegen zu hoher Berechenbarkeit/Überlegenheit der Big Names abwendet, bricht das Geschäftsmodell Fußball in sich zusammen. Im Gegensatz zum Turbo-Modell des Raubtier-Kapitalismus, wo das Ausschalten der Konkurrent und die de-facto-Monopolisierung die heiligen Schritte zur absoluten Markt-Macht sind, lebt das Milliarden-Business Fußball vom Wettbewerb, von der competition. Nur die Branche in ihrer Gesamtheit kann (theoretisch) unbegrenzt expandieren; sobald ein Einzelner davonzieht, verlieren alle. Nämlich das Publikum.

Interessanterweise entzündete sich die Diskussion zu einem Zeitpunkt wo der deutsche Serien-Primus Bayern München nur einen kleinen Vorsprung auf die noch dazu neu zusammengesetzte Konkurrenz hat. Auch weil das egal ist: mittelfristig setzen sich in der Bundesliga dieselben üblichen Verdächtigen (nach den Bayern sind das im Fünf-Jahresschnitt Dortmund, Leverkusen, Schalke, Gladbach und Wolfsburg) durch, der Rest hat nur Ausnahme-Chancen aufs einmalige Erreichen der internationalen Futtertröge. Diese Gewinne machen die Großen dann noch größer, den Vorsprung noch uneinholbarer.

In Österreich ist es (Salzburg, Rapid&Austria sowie Sturm sind vorne, jeder andere, der dazukommt ist ein kleines Wunder) nicht viel anders, auch hier festigen die Europa-League-Gewinne die Spaltung der Liga. Und ein Blick über die Sprachgrenzen weist diese Entwicklung als globalen Trend aus. In England etwa rulen die Big 7 (die auch schon wieder allesamt vorne dabei sind), ein Meistertitel für einen Außenseiter wie Leicester City wird auf Jahre hin die Ausnahme bleiben. In Spanien sind die großen Vier schon wieder vorne, in Italien (bis auf Inter) oder den Niederlanden detto; same with Portugal, Russland, Ukraine, Griechenland. Die wenigen Ausnahmen von Außenseiter-Überraschungen (Nice in Frankreich, Waregem in Belgien, Başakşehir in der Türkei) werden sich, da sind die Experten sicher, im Laufe der Saison schon wieder in Richtung Normalität nivellieren.

Geld spielt nämlich Fußball, mittlerweile. Merkt man auch daran, wer etwa die ersten Verfolger der Bayern in Deutschland sind: Leipzig und Hoffenheim, zwei durch investitionsintensives Mäzenatentum schnell hochgepitchte Retortenvereine, die die Schutzregelung der 50+1-Regel de facto ausgehebelt haben-.

Das 11Freunde-Magazin verweist auf die Marktanalysen im Standard-Werk Tipping Point und postuliert, dass der bereits erreicht wurde, dass der Samen des Misstrauens in ein System, in dem jedes Team auf der Basis rein sportlicher Erfolge gewinnen kann, bereits aufgegangen ist. Und belegt die aufgegangene (manch sagen: auseinandergesetzte) Schere mit eindrucksvollen Zahlen und Fakten.

Ein wichtiges Signal dieser Ängste vor dem Absturz des globalen Sportunterhalters Nummer 1 in die Fadesse, kommt von den Mit-Verursachern selber. Der Druck des Verbandes der von der Geldsack-Fraktion der ehemaligen G-14 kontrollierten ECA (Vorsitz: Bayerns Karl-Heinz Rummenigge) hatte zuletzt die (aktuell führungsschwache) UEFA zur Ankündigung einer Reform der Champions League gedrängt. Ziel: jeweils 4 garantierte Startplätze für die besten vier Nationen (Spanien, England, Deutschland, Italien) sowie Wild Cards für wichtige Traditionsvereine um sich Erbhöfe und garantierte Pfründe aufbauen zu können.

So könnten die europäischen Klub-Giganten nämlich auch die am Horizont herbeidräuende Regulierung des Fußball-Sports gut überleben, der mit einem erweiterten Financial Fairplay und vor allem (nach amerikanischem Muster eingezogenen) Verdienst-Beschränkungen zu mehr Chancengleichheit, und somit zu mehr Wettbewerb und auch mehr Spannung führen soll.

Die milliardenschweren Super-Sportarten in den USA (American Football, Basketball, Baseball und Eishockey) gründen ihre Macht nämlich auf solchen salary caps. das klingt auf den ersten Blick absurd: die USA, Heimat des ungebremsten Kapitalismus, entwickelt ein System von Regulierungen, die Wachstum der Einzelnen bremsen, Gewerkschaften stärken und für ausgleichende Gerechtigkeit (etwa auch durch den sogenannten draft, der die Verteilung der Nachwuchskräfte regelt) eintritt.

Die Paradoxie ist nur eine scheinbare: das US-System der jedes Jahr aufs Neue gewichteten Franchises funktioniert nach dem uramerikanischen Prinzip der checks'n'balances, die funktionierende Systeme am Leben erhalten um so die Basis für Communties bis hin zur Bundesregierung zu schaffen. Ein disruptiver Kapitalismus wie der den die Silicon Valley-Giganten gerade kaum merklich durchführen, ist für ein Gesamt-Paket wie eine kommerziell gut vermarktbare Sportart nicht brauchbar. Weshalb NFL, NBA, MLB oder NHL dann ein Modell forcieren, das nach Gleichmacherei klingt.

Dass sich das alte Europa gerade in diesem Bereich gegen Regulative sträubt, hat mit der Tradition zu tun - mit der man sich auch gegen die "neureichen" Sportarten abgrenzen will. Die gewichtigen Fußball-Vereine haben meist über 100 Jahre am Buckel, haben ihre Anhänger bereits über Generationen angehäuft, leben also mit quasi vererbtem Grundkapital - nämlich der per Geburt erworbenen Treue der Fans. Jahrzehntelang hat der sportliche Wettbewerb gut funktioniert, neue Giganten nach oben gespült, alte Reiche untergehen lassen und für einen immerwährenden Austausch gesorgt. In den letzten Jahren, jedenfalls seit dem Bosman-Urteil, das ungehinderte Transfer-Berechtigung und somit astronomische Zahlungen ermöglichte, wurde das auf informelle checks and balances aufgebaute System europäischer Fußball bröckelig. Und droht jetzt - nach dem womöglichen Erreichen des tipping points - unterzugehen wie das alte Rom.

Insofern kommt die Debatte um die Neustrukturierung des Fußballs durchaus zeitgerecht. Und könnte auch Vorbildwirkung auf die gesamtgesellschaftliche Diskussion um Verteilungsgerechtigkeit haben. Denn auch die ökonomischen Modelle im wirklichen Leben wären gut beraten sich eher an Ausgeglichenheit denn an disruptiver Marktzerstörung zu orientieren,.