Erstellt am: 31. 10. 2016 - 14:37 Uhr
Halloween, Rübengeister und Clowns
Im Vorjahr wurde ich am 31. Oktober gleich zweimal von Kindergruppen um Süßigkeiten angebettelt. Eine davon war unverkleidet – ich habe nochmal ein Auge zugedrückt, den Kleinen einen Haufen Kekse gegeben und dazugesagt, dass ich nächstes Mal ordentliche Gespenster sehen will.
Ausgeschnitzte Kürbisgesichter zieren Gärten, Fenster und Auslagen – doch in vielen Regionen sind es oft noch ausgeschnitzte Rüben. Letztere haben nämlich schon seit Jahrhunderten Tradition: Das „Rübengeistern“ ist in manchen Teilen Bayerns, Österreichs und der Schweiz ein altes Brauchtum und ähnelt somit der irischen Halloween-Tradition, in der ebenfalls Rüben aufgestellt wurden. Nur eine von vielen interessanten Parallelen zwischen dem heimischem und dem angeblich importierten Brauchtum.
Rääbeliechtli
Vor 2000 Jahren heißt Halloween noch Samhain (ausgesprochen "Samuin") - im keltischen Jahr der letzte Tag des Jahres, an dem die Verstorbenen auf die Erde zurückkehren. Die Geister, die nicht nach Hause finden, erschrecken Menschen auf der Straße. Damit das nicht geschieht, stellen die Kelten Lichter auf. So soll die tote Verwandtschaft leichter nach Hause finden.
CC BY-SA 3.0
Im achten Jahrhunderte erklärt Papst Gregor III. den 1. November zum Feiertag der christlichen Märtyrer, und so wird aus dem keltischen Samhain-Fest der „All Hallows Eve“. Die aus Rüben geschnitzten Laternen bleiben – in Irland, England aber auch in Regionen des deutschen Sprachraums. Beim „Rübengeistern“ schnitzen Kinder in Österreich, Bayern und der Schweiz bis heute gruselige Laternen aus Zucker- und Futterrüben. In Thüringen heißt das Brauchtum „Rubebötz“, in Hessen „Dickwurzmann“, in Oberlausitz „Flenntippln“ und in der Schweiz „Rääbeliechtli“. Erst nach dem Export der Tradition von Irland nach Amerika wandelte sich die kunstvoll geschnitzte, manchmal dämonisch gestaltete Rübe allmählich zum Kürbis.
Für die Anthropologin Emma Louise Backe stellt die Zeit rund um Halloween eine Möglichkeit für die Menschen dar, sich der Monster und Geister in unserer Kultur bewusst zu werden. Wissenschaftlerinnen wie sie führen etwa den Mythos der Elfen bzw. Alben, von denen das Wort „Albtraum“ herrührt, auf die Halluzinationen zurück, die man während einer Schlafparalyse erlebt. Das Gemälde „Der Nachtmahr“ von Johann Heinrich Füssli hat sich ins kollektive Gedächtnis genauso eingebrannt wie die Mythen von Hexen und des Teufels.
Gemeinfrei
Hexen und Teufel
Als die Christen das keltische Samhain-Fest aufnahmen und zu Allerheiligen umdeuteten, ging es ihnen auch darum, den Teufel zu bekämpfen, indem sie seine größte Schwäche angriffen: seinen Stolz, der dazu geführt hat, dass er als Engel aus dem Himmel verstoßen wurde. Wenn sich Kinder heute zu Halloween als Teufel mit roten Hörnern und einem lustigen Schwanz verkleiden, steht das also in der Tradition davon, das Böse lächerlich zu machen.
Kelten glaubten, dass nach dem Tod alle Seelen in einen großen Kessel kommen – dieser Lebenskessel wird von einer alten Frau umgerührt, bis man wiedergeboren wird. Der Kessel wird als Symbol für den lebensspendenden Uterus angesehen. Das positive Bild der Frau, die den Lebenskessel umrührt, wurde durch die Christianisierung des Samhain-Festes in ein negatives verkehrt - zur Hexe, die ein unheilvoll blubbernes Gebräu kocht.
Gemeinfrei
Eine Umdeutung traditoneller Figuren erleben wir auch heute wieder: Der Clown, der im Zirkus ursprünglich für Spaß und Tollpatschigkeit steht, wandelt sich zunehmend zum Monster. Er erschreckt Menschen in der Zeit vor Halloween, genau wie die verlorenen Seelen der Kelten, die nicht nach Hause finden. Die aktuelle Welle von Clownattacken ist bereits die dritte, denn auch in den Jahren 1980 und 2010 gab es ein vergleichbares Phänomen, angelehnt an gruselige Clowns in der Popkultur: den Joker aus Batman, Pennywise aus Stephen Kinds „Es“ und zuletzt Twisty in der vierten Season von „American Horror Story“. Sie zeigen einmal mehr, wie sich Figuren und Mythen wandeln – seien es Clowns, alte Frauen mit Kessel oder das Bild von Elfen bzw. Alben. Das Erschrecken hat um diese Jahreszeit ebenso Tradition wie das Gedenken an die Toten - egal, ob es jetzt Allerheiligen, Halloween, Rääbeliechtli oder Día de los Muertos heißt.