Erstellt am: 29. 10. 2016 - 12:17 Uhr
Girls in the wood
Rowohlt Berlin
Etwas kompliziert ist das schon - da erscheint ein Roman 2015, wird 2016 als Jugendbuch neu aufgelegt und gewinnt dann den Deutschen Jugendliteraturpreis. Dabei ist die Trennlinie zwischen Erwachsenen- und Jugendliteratur ja bekanntlich weder stark noch klar.
(Auch "Tschick" von Wolfgang Herrndorf wurde übrigens mit dem Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.)
Jedes Buch könne auch ein Jugendbuch sein, erklärt Kirsten Fuchs und freut sich, dass ihr Roman "Mädchenmeute" diese Kategorisierung gesprengt hat.
Da gäbe es gleich noch eine: Ein Abenteuerroman mit weiblichen Protagonistinnen - wie selten ist das denn? Auch das ist der Autorin "völlig schnurz". "Das ist eine Geschichte, die auch mit Jungs spielen könnte und wo mich eben gereizt hat, das mit Mädchen zu schreiben, ohne dass man jetzt ständig sagt: 'Oh, ist aber ungewöhnlich für ein Mädchen' oder so. Sondern es ist eben ein Abenteuerbuch und es sind eben jetzt einfach mal Mädchen."
Rowohlt Rotfuchs
Genauer gesagt: sieben, zwischen 14 und 16 Jahre alt, die in den Sommerferien ein Survivalcamp in einem Wald besuchen (müssen). Nachdem einiges massiv schief läuft, beschließen sie, in den nächsten Wochen die Welt bzw. den Wald auf eigene Faust zu erkunden. Hinzu kommen einige Hunde und etliche Probleme.
Erzählerin ist die 14-jährige Charlotte Nowak, die nicht nur sehr schüchtern, sondern ebenso schlau ist und am liebsten Rätsel löst.
Ihre Erzählstimme ändert sich im Laufe der Geschichte. Anfangs ist da die rotzig bockige Haltung, die sich Kirsten Fuchs gut erklären kann, "dass man als Jugendlicher eine Distanz zu dieser Welt hat, die man nicht gemacht hat. Man hat ja auch noch nichts mitgestaltet. 'Das ist nicht meins. Ich will das nicht.'" Später fange man an mitzugestalten und wundere sich, warum nicht alles besser sei, wo man das doch eigentlich alles besser machen müsste. "Das, finde ich, gehört mit zur Pubertät und das ist eine superspannende Brille. Das hat mich an dieser Perspektive so gereizt."
Erstaunlich, wie gut sich Kirsten Fuchs dabei in die Teenager reindenken kann. Sie habe als Pubertierende viel Tagebuch geschrieben und dort nachgelesen. "Ah, doch. Es war doch noch schlimmer."
Kirsten Fuchs
Vorspiel
Drei Jahre hat Kirsten Fuchs an dem Roman geschrieben. Der Entstehungsprozess des Buches ist umfassend auf maedchenmeute-derroman.blogspot.co.at dokumentiert: Neben Notizen und Landkarten findet man auch Fotos und Videos von Recherchereisen und detaillierte Entwürfe von den Mädchencharakteren und den Hunden. Wer will kann auch gestrichene Kapitel und Szenen nachlesen.
Kirsten Fuchs
Gut aufgehoben ist "Mädchenmeute" zwischen "Herr der Fliegen" und "Tschick". An die beiden Coming-Of-Age-Romane erinnert das Buch. Und das ist schon mal kein Fehler.
Freiheit ist ein großes Thema in "Mädchenmeute" und im Leben von Kirsten Fuchs, die in der DDR aufgewachsen ist. "Schon in meiner Kindheit in der DDR war auch nicht alles erlaubt und es war auch gefährlich, diese Freiheit für sich zu erkämpfen. Dann ist eben jetzt die Frage – was ist jetzt noch Freiheit? Entscheidet das jeder für sich selbst? Kann man da nur einfach so vor sich hin leben? Darüber reden die Mädchen in dem Buch ja auch. Was bedeutet das? Sollen wir da jetzt einfach so weitermachen oder können wir vielleicht auch dafür sorgen, dass die Jungs nicht immer blöder sind als wir in der ganzen Kindheit und dann aber die guten Jobs haben. Wie kommt denn das? Das darf doch eigentlich nicht sein! (sie lacht) und da merk ich schon, dass ich das an dieser Stelle für junge Leser geschrieben habe und dachte 'doch, da könnt ihr schon mal drüber nachdenken. Wieso ist das so?'"
Nachspiel
Die Arbeit an "Mädchenmeute" hat bei Kirsten Fuchs einiges ausgelöst. "Also dass ich mich auch losbewege und nicht nur die Freiheit im Wald suche sondern in der Welt." Nachdem der Roman fertig war, hat sie ein Jahr mit ihrer fünfjährigen Tochter die Welt bereist und mit dem Weblog welt-und-kind.de begonnen.
Mit dem Deutschen Jugendbuchpreis hat sie zwar nicht gerechnet, aber "Das ist ganz großes schönes Streicheln. Das nehme ich gerne entgegen."