Erstellt am: 2. 11. 2016 - 14:46 Uhr
Wie funktionieren Sportfilmfestivals?
"Mit deinen besten FreundInnen staunen, zittern, frieren, vor Glück fast platzen, die Angst herunter schlucken, Vollgas geben – Outdoor-Sport ist Leben im Superkonzentrat." Das verspricht die Alp Con Cinematour.
Und das Freeride Film Festival lockt mit: "Dem Phänomen Freeriden auf der Spur. 6 Tage – 6 Städte und die Leidenschaft für Schnee. Von Alaska über Sibirien bis zu den Ostalpen. Präsentiert von den besten (heimischen) Athleten, zu Gast in deiner Stadt."
Im Sommer und/oder im Winter ist unser eigenes Leben meistens auch nicht arm an "Spannung, Abenteuer, Aktion und Freiheit". In der eher trostlosen Übergangszeit sind wir aber sehr aufnahmebereit für diverse Filmfestivals, die uns das künstlerische Substrat sportlicher Höchstleistungen in HD und Surround Sound versprechen:
Eine weitere große Filmtour, deren Österreich-Termine schon vorbei sind ist die Reel Rock Kletterfilmtour.
Die Banff-Mountainfilmtour läuft immer Anfang des Jahres.
Neben diesen großen, mehrere Länder abdeckenden Veranstaltungen gibt es auch noch einige kleinere, lokale Festivals in Österreich wie beispielsweise das Filmfest St. Anton (immer Ende August), das internationale Festival Mountainfilm von 8. - 12. November 2016 in Graz oder das Bergfilmfestival Salzburg von 16.11.-4.12. 2016.
Und auch die Filmproduktionen selbst organisieren sich bisweilen kleinere Touren, um ihre Filme in Eigenregie vorstellen.
Der Tiroler Markus Eigentler hat als Ein-Mann-Show vor sechs Jahren die Alp Con Cinematour (ACC) gestartet – damals mit nur drei Kinos. 2016 gibt es Filme zu drei Themenblöcken – Bike, Mountain, Snow – mit über 110 Stopps in über 40 Städten in Deutschland, Österreich und Italien, also sicher auch in deiner Nähe.
Der Pinzgauer Volker Hölzl hat 2010 zum ersten Mal im Wiener WUK das Freeski Film Festival Vienna organisiert. Da Harry Putz in Tirol ein ziemlich ähnliches Konzept realisiert hat, wurden die zwei Festivals unter dem Namen Freeride Film Festival (FFF) fusioniert und gehen heuer zum fünften Mal auf eine Tour mit sechs Stopps in Deutschland und Österreich.
Beide betonen, dass sie weder das größte europäische Festival, die European Outdoor Film Tour, noch den jeweils anderen als Konkurrenz sehen. Es seien Mitbewerber, die mit ähnlichen Konzepten sehr erfolgreich einen Nischenmarkt bedienen.
Ich habe Markus und Volker getrennt voneinander zu ihren Filmtouren befragt. In ihren Antworten kommen sie aber natürlich auch immer auf ihre "Mitbewerber" zu sprechen und nehmen Bezug aufeinander.
Andreas Vigl
Heinz Reich: Wie positioniert sich dein Festival im Vergleich zu anderen?
Markus (ACC): Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal ist meiner Meinung nach, dass ich die Werke der Künstler so zeige, wie sie es sich gewünscht haben. Zusammengefasst: Ich bringe die Filme in voller Länge und verwende nicht einen zugkräftigen Filmtitel oder eine namhafte Filmproduktion, um die Leute anzulocken und dann aber nur fünf Minuten daraus zu zeigen.
Volker (FFF): Wir gehen mit Athleten und Moderatoren auf Tour, um die Filme und das Drumherum zu zeigen. Mit dem was wir machen, sind wir eigentlich ziemlich alleine unterwegs. Also mit dem Konzept, dass wir die Protagonisten mithaben, die dann nach den Filmen auf der Bühne was zu erzählen haben.
Simon Rainer
Wie ist das mit der Länge der Filme?
Volker (FFF): Im Idealfall hat ein Festivalfilm beim FFF so an die 20, maximal 30 Minuten. Es gibt auch sehr viele, die sind im Original schon kürzer, also 10 Minuten, was auch kein Problem ist, wenn die Qualität passt. Längere Filme wie zum Beispiel "The White Maze" oder "Snowmads", die im Original mehr als 50 Minuten lang sind, laufen bei uns in einem speziellen, von den Filmemachern selbst gekürzten Festival-Edit.
Markus (ACC): Das hat dann für mich nichts mehr mit dem Film zu tun. Das ist wie ein längerer Trailer. Bei der ACC wird das ganze Werk der Künstler gezeigt. Die machen sich ja Gedanken, wie man Leute begeistern kann, wie man ihren Sport richtig in Szene setzt, wie man die Emotionen richtig rüberbringt. Und wenn man da versucht, teilweise über 40 Minuten oder eine Stunde lang etwas aufzubauen, kann man das nicht zerstören, indem man einfach sieben Minuten rausnimmt.
Harookz
Was hat dich dazu bewogen, dein spezielles Format von Festival zu machen?
Markus (ACC): Ich bin da reingerutscht, hab zuerst für einen anderen Veranstalter gearbeitet. Hab mir ein sehr gutes Netzwerk zu internationalen Filmproduktionen aufgebaut, und dann ist mir diese Idee mit der Kinotour gekommen, die sich eben etwas unterscheidet von den anderen Sportfilmveranstaltungen.
Volker (FFF): Ich hab damals gesehen, es tut sich sehr viel im Freeride Filmbereich, also Ski und Snowboard, aber das wird von Festivals noch nicht abgebildet. Und ich hab gefunden, dass diese meist kurzen, 10-30 Minuten dauernden Filme nicht ins Fernsehen passen bzw. nicht fürs Fernsehen gemacht sind. Ich wollte eine Plattform schaffen, um genau diesen Filmen eine Chance zu geben, gesehen zu werden.
Hanno Mackowitz
Wie viele Personen arbeiten hauptberuflich an deinem Festival?
Volker (FFF): Zwei Leute, der Harry Putz und ich arbeiten das ganze Jahr über daran. Das Festival ist im November. Wir fangen im Jänner an mit Sponsoren zu sprechen, mit den bestehenden und mit neuen. Startpunkt ist immer die ISPO in München, dort trifft sich die ganze Wintersportindustrie. Das nutzen wir um mit Firmen in Kontakt zu treten. Das Programm wird bis Ende Juni eingereicht. Die Leute kommen auch schon von selbst zu uns und reichen ihre Filme ein.
Markus (ACC): Die Alp Con Cinematour ist eine Ein-Mann-Show. Das ist vielleicht auch noch ein interessantes Unterscheidungsmerkmal zu den anderen, die doch mehrere Leute sind, die da dahinterstecken. Wenn man die Einnahmen den Ausgaben gegenüberstellt, bleibt so viel über, dass ich nebenher arbeiten gehen kann und zufrieden bin damit.
Mark Abma
Wie finanziert sich das Festival?
Volker (FFF): Zu zwei Drittel aus Sponsoring und zu einem Drittel aus Ticketeinnahmen. Wir bekommen keine öffentliche Förderung. Wir sind rein privat finanziert. Die Sponsoren kommen aus dem Skibereich - also Skifirmen, Skibekleidung - und andererseits sind es große österreichische Skidestinationen, wo man sehr gut freeriden kann. Die finanzieren uns das Festival.
Markus (ACC): Bei mir verdienen die Produktionen, das Kino und ich quasi gleichermaßen, in einem gleichen Schlüssel. Das ist abhängig von der Anzahl der Besucher, die kommen. Und mir ist es wichtig, dass die Besucher auch ein faires Produkt bekommen und einen humanen Eintrittspreis zahlen. Dass das Verdienen einer der Gründe ist, warum ich das mache, ist klar, aber es steht bei mir nicht an oberster Stelle. Sponsoren bereichern die Tour natürlich ungemein, aber es ist schwierig welche zu finden. Insofern ist alles eher low budget. Ich hab für dieses Jahr nur einen kleinen Sponsor.
Was sind eure Ausgaben? Wieviel verdienen die Filmemacher?
Volker (FFF): Die Filmemacher kriegen von uns, wenn wir auf Tour sind, für jeden Stopp und jede Aufführung eine Lizenz gezahlt. Für mich als Veranstalter der Tour entstehen aber nicht nur die Kosten für die Filme und die Ausgaben, die wir in den Kinos haben. Wir fahren mit einem Tourbus durch die Länder, das bedeutet Miete und Reisespesen. Und Kosten für das Marketing drumherum, die Pressearbeit und die Bewerbung.
Markus (ACC): Das richtet sich zum einen nach der Länge des Films, zum anderen wie lange Produktionen schon dabei sind. Ich gebe jedes Jahr auch Newcomerproduktionen die Chance, die Plattform zu nützen. Die Einnahmen werden einfach nach einem fairen Schlüssel geteilt. Und alles ist verhandelbar.
Was verdienen eigentlich die Athleten durch so eine Tour?
Volker (FFF): Alles was sie lukrieren ist die Lizenz. Die Voraussetzung, um beim Freeride Film Festival mit einem Film dabei zu sein ist, dass zumindest ein Athlet aus dem Film oder ein Filmemacher auf der Tour dabei ist.
Markus (ACC): Der Athlet ist Teil des Film. Ich stell den Film als Ganzes vor und geb der Filmproduktion die Möglichkeit, ihr Werk zu zeigen. Andere rücken in dem Fall die Athleten etwas in den Vordergrund und geben denen die Möglichkeit, ihren Standpunkt und ihr Tun zu erklären. Es sind zwei unterschiedliche Modelle, besucht werden aber alle Touren recht gut, also auch das andere Konzept wird gut angenommen.
Pally Learmond
Volker, was ist die Motivation für die Athleten und Filmemacher beim FFF dabei zu sein?
Volker (FFF): Ein sehr interessiertes Publikum zu erreichen. Und das eben nicht nur im unmittelbaren Umfeld. Viele sind ja in Tirol zuhause und haben sonst nur die Möglichkeit, die Filme daheim in Innsbruck zu zeigen und dann halt auf youtube. Aber beim Freeride Film Festival kommen sie in direkten Kontakt mit ihrem Publikum und das Interesse von seiten der Fans ist einfach sehr groß.
Markus, das Programm bei der ACC ist in drei Blöcke gegliedert: Bike – Mountain – Snow. Wie bist du auf diese Zuordnung gekommen?
Markus (ACC): Die Blöcke haben eine gewisse Chronologie. Die Touren finden ja immer im Herbst statt. Mit dem Bike-Block, der bei mir als erster auf Tour geht, verabschiedet man sozusagen den Sommer. Dann geht man mit dem zweiten Block über den Mountain zum dritten Filmblock, dem Snow in den Winter. Das hat sich im Laufe der Jahre entwickelt, weil Biken als Thema bei uns einfach immer präsenter wird. Die Leute finden immer mehr dran Gefallen und auch filmtechnisch entwickelt sich immer mehr. Und der zweite Punkt – Mountain – lässt mir Spielraum, den Block so zu befüllen, wie es mir im jeweiligen Jahr gut und richtig scheint, weil Mountain steht für Berge, und am Berg kann ich vom Rad über Ski bis zum Paragleiten eigentlich alles mögliche machen.