Erstellt am: 22. 10. 2016 - 10:29 Uhr
Wahlkampf hautnah: Clinton vs. Trump
c) Anja Kröll
Alexandra Augustin ist Stipendiatin der "U.S.-Austrian Journalism Exchange Fellowships".
Sechs Wochen lang wird sie bei der Radiostation KALW arbeiten und aus den USA berichten.
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Streift man aktuell durch amerikanische Großstädte wie Washington D.C., New York und San Francisco, dann entkommt man ihnen einfach nicht: Den beiden PräsidentschaftskandidatInnen Hillary Clinton und Donald Trump. An jeder Straßenecke starren sie einem entgegen, in den Souvenirshops lachen sie von T-Shirts, im Fernseher laufen rund um die Uhr Diskussions- und Analyserunden.
Socken, Hüte, Schirme, Unterwäsche: Es gibt sogar Kugelschreiber mit den Köpfen der beiden Protagonisten drauf. Drückt man einen Knopf, dann lässt der Donald-Trump-Kugelschreiber seine wilden Sprüche ab, während das Hillary-Pendant gar nichts sagt, sondern nur teuflisch kichert. Aber wer zuletzt lacht, lacht bekanntlich am besten.
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Glaubt man den Polls und Menschen, mit denen man ins Gespräch kommt, dann liegt Hillary klar vorne. "Die Menschen", das sind JournalistInnen, Meinungsforscher und junge Menschen in den USA, mit denen ich mich vergangene Woche vor und nach der dritten TV Debatte zwischen Hillary Clinton und Donald Trump unterhalten habe.
Die Wahl des geringeren Übels?
"In den Amerikanern existiert eine große Sehnsucht nach Authentizität", erzählt Carroll Doherty in Washington D.C., er ist der Direktor des Pew Reseach Centers. "Trump bedient seinen Twitter Account selbst, das schätzen seine Fans, auch wenn der Großteil der Inhalte belangloses Zeug ist. Trump steuert seine sozialen Kanäle selbst, das ist wichtig für seine Eigenwerbung und ein essentielles Tool seiner Strategie".
Das Pew Research Center ist einer dieser großen Think Tanks, ein Meinungsforschungsinstitut, das Zahlen und Trends analysiert, in den Vereinigten Staaten als auch in Europa. Carroll Doherty und sein Team bevorzugen allerdings den Ausdruck Fact Tank, ihre Umfragen führen sie am Telefon als auch in Direktinterviews durch. In ruhigen Worten präsentiert Caroll Doherty die aktuellsten Ergebnisse auf spannende Fragen:
Wie sehr vertrauen die Amerikaner und Europäer Präsident Obama und den Anwärtern für das Amt? Wer wird für welchen Kandidanten stimmen? Wie sehr glauben die Amerikaner daran, dass der neue Präsident Amerika auf den richtigen Pfad führt? Wie steht es um den Ruf der Vereinigten Staaten in Europa, im Falle dass Clinton oder Trump das Rennen gewinnt? Dass Trump die USA polarisiert, ist kein Geheimnis, und in Europa steht es noch schlechter um das Vertrauen in den Kandidaten: 85% der befragten Menschen in zehn ausgesuchten europäischen Ländern befinden Donald Trump als nicht vertrauenswürdig. An die Popularität des aktuellen Präsidenten Barack Obama kommt Hillary Clinton aber auch nicht ran.
Pew Research Center
Ein historischer Wahlmoment
Für Fans von Hillary:
ifeellikehillz.com
"Auf der einen Seite haben wir einen Kandidaten ohne jegliche politische Erfahrung - auf der anderen Seite eine weibliche Kandidatin. Was oft übersehen und selten thematisiert wird, ist, dass das erste Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten vielleicht eine Frau als Präsidentin an der Spitze sitzen wird. Das ist bedenklich", erzählt die Journalistin Emily Schultheis. Sie arbeitet beim Fernsehsender CBS News.
Trump gegen Clinton - Missbrauchsvorwürfe als Wahlkampfwaffe. Die FAZ hat berichtet.
Emily Schultheis recherchiert vor Fernsehdiskussionen mit den KandidatInnen die Fakten, teilweise auch parallel zur aktuellen Sendung. Schnell zu recherchieren und zu reagieren ist wichtig, denn bekannterweise ging es in den letzten Wochen des Wahlkampfes besonders heiß her.
Aber nicht nur die Schlammschlacht gestaltet sich aufregend, auch die Pressearbeit mit den beiden Kandidaten selbst. Pressereisen mit Clinton und Trump sind Teil der journalistischen Arbeit. Um die Werbetrommel in den sogenannten Swing States zu rühren, also diejenigen Bundesstaaten, in denen sich bisher kein klarer Favorit herauskristallisiert hat und in denen keine der beiden Parteien eine größere strukturelle Mehrheit hat, gehen Clinton und Trump auf Tour. Das ist teuer und anstrengend - derartige Reisen kosten die Parteien und die Medien einige Millionen Dollar.
Eine Presse-Entourage von 25 JungjournalistInnen sitzt im selben Flieger wie Hillary Clinton und begleitet diese Reise. Damit die Politikerin unterwegs ein wenig Privatsphäre hat, ist sie im Flieger durch einen Vorhang von den Journaisten getrennt. Auch wenn man ihr unterwegs so nahe ist, ist es oft unmöglich, ein Interview zu bekommen.
"Da kann es passieren, dass man mitten in Ohio steht und ihr hinterherläuft, um ein Statement zu erhaschen und sie lacht dich an und meint, 'ach was, das hat ja Zeit! So ein schönes Wetter! Kommt, wir essen zuerst ein Eis'! Irgendwann hatte dann einer der Journalisten unterwegs im Flieger eine grandiose Idee: Er hat seine Frage mit Kugelschreiber auf eine Orange geschrieben und sie nach vorne in die erste Klasse rollen lassen. Ein paar Minuten später kam die Orange zurückgerollt. Auf ihr stand die Antwort drauf. Mittlerweile hat sich aus diesem Gag eine kleine Tradition entwickelt. Hillary schreibt die Antwort drauf oder kreuzt "Ja" oder "Nein" an und rollt die Orange zurück zur Gruppe".
So eine Presse-Reise kann bis zu einem Jahr dauern und manche Journalisten verlassen in dieser Zeit diese Bubble kaum, wie Emily Schultheis erzählt. Manche stellen währendessen ihr Hab & Gut bei der Familie unter, nach Hause kommt man in diesen Monaten ohnehin nicht viel. Ein kräfteraubender Job, den vor allem junge Menschen machen, die (noch) abenteuerdurstig sind und keine Kinder haben.
Barbara Kinney/Hillary for America
Yes, we are tired
Müde sind nicht nur diejenigen, die in den Wahlkampf involviert sind, sondern auch viele andere Menschen in den USA.
"Anfangs habe ich mich auf die Debatten im Fernsehen wirklich gefreut und alle meine Freunde eingeladen, um sie gemeinsam zu schauen. Ich dachte, das würde lustig werden, wenn Donald Trump sich öffentlich selbst demontiert. Mittlerweile bin ich erschöpft und die dritte Debatte wollte ich mir gar nicht mehr ansehen", erzählt Stephanie Russel-Kraft.
Am dritten und letzten Tag der Debatte zwischen Hillary Clinton und Donald Trump finden überall in Washington D.C. große Public Viewings statt. In jeder Bar und jedem Pub gibt es eine Großleinwand. Zu Nachos und Bier schaut man zu, wie sich die Kandidaten vor laufender Kamera erniedrigen und selten Auskunft zu den gestellten Fragen geben - etwa zur Fitness des Präsidenten, zum Thema Immigration und zum Thema Schulden. Hillary Clinton macht sich für das Recht der Frauen auf ihren Körper und für Bildung stark, Trump warnt Amerika vor einer bevorstehenden syrischen Flüchtlingswelle. Dafür betont Hillary Clinton, dass Trump nicht immer auf China herumhacken soll, ist doch das gesamte Trump Hotel in Las Vegas aus chinesischem Stahl gebaut.
Nach dem Viewing ergibt eine Umfrage: Die Mehrheit der Besucher wird für Clinton stimmen, Trump-Fans findet man im gebildeten Washington D.C. kaum. Das ist keine Überraschung, über den Ausgang der Wahl möchte aber niemand, der sich ernsthaft damit beschäftigt, eine Prognose abgeben.
"Wir können nicht voraussagen, wer diese Wahl gewinnt. Noch sind es knapp drei Wochen bis zur Wahl und das Blatt kann sich noch wenden, etwa durch einen Terroranschlag oder eine Umweltkatastrophe", meint Carroll Doherty. So wie bei Hurricane "Sandy", der im Oktober 2012 mit voller Wucht Teile der amerikanischen Ostküste zerstört hat. Dieser Hurricane hatte großen Einfluß auf den damaligen Wahlkampf zwischen Barack Obama und Mitt Romney.
Beide Kandidaten sagten geplante Wahlkampfveranstaltungen ab, um sich für die Opfer stark zu machen. Obama profilierte sich als Krisenmanager und konnte sich dadurch wohl noch die eine oder andere Stimme holen, so berichteten und diskutierten viele Medien. Auf solche Ereignisse von Außen hat man keinen Einfluss, ebenso nicht auf weitere Skandale und Überraschungen, die sowieso seit Anbeginn Teil dieser Wahl sind.
"Als Donald Trump 2015 angekündigt hat, dass er sich für die Wahl zum US-Präsidenten bewerben wird, dachten alle an einen Witz. Dass er wirklich Chancen auf das Amt hat, damit hat niemand gerechnet, aber plötzlich war es real", meint Emily Schultheis.
Wie sich die Realität nach dem großen Wahltag gestalten wird, das bestimmt letztlich nicht nur der neue Präsident oder die neue Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika: Wird die Republikanische Partei ihre inneren Gräben kitten können, die sich durch den Erfolg Donald Trumps aufgetan haben? In welche Richtung wird die Demokratische Partei steuern? Fest steht: Am 8. November wird ein neuer Präsident gewählt und wer dann wirklich etwas zu Lachen hat, wird sich weisen.