Erstellt am: 19. 10. 2016 - 19:00 Uhr
Pannenserie legt neue US-Kriegsschiffe lahm
Die gerade erst in Dienst gestellten neuen Kriegsschiffe im Stealth-Design der US-Navy werden von einer rätselhaften Pannenserie heimgesucht, die so gravierend ist, dass sich der Oberbefehlshaber der Flotte zu drastischen Maßnahmen veranlasst sah. Anfang Oktober verhängte Vizeadmiral Tom Rowden ein Moratorium über alle Abteilungen der Navy, in denen Probleme vor allem mit den neuen Küstenkampfschiffen ("Littoral Combat Ships", LCS) auftraten.
Anfang September waren die Antriebsaggregate der ersten fünf von insgesamt vierzig geplanten Küstenkampfschiffe so havariert worden, dass diese in ihre Heimathäfen zurückbeordert wurden. Vier davon wurden überhaupt vom aktiven Dienst freigestellt und sollen künftig nur noch für Trainingszwecke eingesetzt werden. Auch beim ersten Zerstörer der monströsen, neuen "Zumwalt"-Klasse traten kurz vor dem Stapellauf am 15. Oktober ganz ähnliche Probleme auf.
Public Domain
Seetüchtigkeit, Ausdauer, Fahrttempo
Noch mehr schlechte Nachrichten könnten "die neuen Küstenkampfschiffe und die Zerstörer der 'Zumwalt'-Klasse für wichtige Ansprechpartner entwerten", wenn nicht schnell gegengesteuert werde, befürchtet James Holmes, Professor für Seekriegsstrategie am US Naval War College. Mit "wichtigen Ansprechpartnern" sind potentielle Käufer aus Drittstaaten gemeint, die Basisversionen dieser Kampfschiffe kaufen können. Wie bei den F-35 Kampfjets sind Verkäufe an eine Reihe von Drittstaaten fix in die Finanzierung des Gesamtprogramms eingeplant. Das steht nach der aktuellen Serie von Havarien arg in Frage, denn Manövrierfähigkeit, Fahrttempo und Ausdauer auf See sind nun einmal die zentralen Kriterien, die für die Seetüchtigkeit von Kriegsschiffen ausschlaggebend sind.
Leck im Kühlsystem, Kollision ==
Das Küstenkampfschiff "USS Montgomery" (LCS-8) war Mitte September nach seinem Stapellauf in Richtung Panamakanal gerade einmal bis in die Karibik gekommen, als die Mission abrupt gestoppt wurde. Die Besatzung hatte ein Loch im Kühlsystem entdeckt, durch das Meerwasser eindrang, sicherheitshalber wurde die von der Havarie betroffene Turbine abgeschaltet. Die Antriebssysteme aller neuen Kriegssschiffe sind zwar redundant angelegt, da jedoch zu befürchten war, dass auch das zweite Antriebsaggregat Schaden davontragen könnte, wurde die Mission abgebrochen und die Montgomery zur Reparatur in den Heimathafen Mayport zurückbeordert.
Public Domain/ US Naval Institute
Hafenschlepper schlitzt Kriegsschiff auf
Dort kollidierte die Montgomery zu allem Überfluss noch mit einem Schlepper, die Folge war ein meterlanger Riss im Rumpf des Küstenkampfschiffs. Auch das ist bemerkenswert und spricht nicht eben für große Seetauglichkeit der Schiffe diese Typs: Ein Kriegsschiff kollidiert mit einem gewöhnlichen Hafenschlepper und wird dabei so schwer beschädigt, dass seine Mission abgebrochen werden muss. Dieser Havarie ging eine ganze Serie weiterer Pannen bei Küstenkampfschiffen dieses Typs voraus. Ende August musste die USS Coronado (LCS-4), die von Pearl Harbor in Hawai nach Singapur unterwegs war, nach nur drei Tagen Fahrt wegen gravierender Probleme mit dem Antrieb wieder umkehren.
Die Havarien der USS Fort Worth, der USS Freedom, sowie der USS Milwaukee
Wenige Tage davor war auf der USS Freedom (LCS-2) ein Leck im Schmiersystem aufgetreten, die Folge war eine so schwere Beschädigung eines der beiden Dieselmotoren, dass eine Reparatur nicht mehr möglich war und die gesamte Maschine ausgetauscht werden musste. Im Jänner wurde das gesamte Antriebssystem der USS Fort Worth (LCS-3) angeblich durch Bedienungsfehler zerstört. Im Dezember 2015 war die gerade erst in Dienst gestellte USS Milwaukee (LCS-5) von Halifax (Kanada) in Richtung ihres Heimathafens San Diego unterwegs, kam aber nicht weit. Bereits wenige Seemeilen nach dem Auslaufen lösten Metallteilchen im Schmiersystem Alarm aus, berichtete die "Navy Times". Die Folge war, dass die Milwaukee in den nächstgelegen Hafen in Virginia abgeschleppt werden musste, auch das spricht nicht gerade für die Seetauglichkeit von Kriegsschiffen dieses Typs.
JameJamOnline.ir
Hybridantrieb gegen iranische Schnellboote
Als Konsequenz aus der Serie von Havarien wurden die ersten vier Küstenkampfschiffe aus dem akktiven Dienst abgezogen, bis auf Weiteres werden sie nur noch für Trainingszwecke eingesetzt.
Eine Analyse in der Fachzeitschrift "Breaking Defense" verortet die wahrscheinlichste Ursache dieser Probleme im Hybridantrieb der Küstenkampfschiffe. Sowohl die Trimaran- wie auch die Einrumpfversionen verfügen über einen Hybridantrieb aus Diesel- und Benzinmotoren. Während die Dieselmaschinen für spritsparenden Normalbetrieb verwendet werden, sind die Benzinaggregate für hohes Tempo um die 60 km/h gedacht. Der dezidierte Gegner ist die iranische Flotte von Schnellbooten, die mit Anti-Schiffsraketen ausgerüstet sind. Seit Jahren haben sich diese wendigen und vergleichsweise spottbilligen Schnellboote im Persischen Golf als äußerst lästige Gegner der US Navy erwiesen. Die neuen Küstenkampfschiffe werden an dieser taktischen Konstellation jedenfalls nichts ändern.
Die monströse "Zumwalt"-Klasse
Die Antriebsprobleme sind nämlich nicht auf die verhältnismäßig kleinen Küstenkampfschiffe beschränkt, betroffen war auch der erste Lenkwaffenzerstörer der neu eingeführten "Zumwalt"-Klasse. Nach offiziellen Angaben erscheinen diese monströsen, 183 Meter langen schwimmenden Raketenwerfer auf den Radarbildern durch das "Stealth-Design" weitaus kleiner, nämlich gerade einmal in der Größe von Fishtrawlern. Anders als frühere Zerstörertypen sind die Zumwalts weniger für Gefechte auf hoher See ausgerüstet, sondern ebenfalls eher für küstennahe Operationen gebaut. Ihre Bewaffnung aber ist nachgerade furchterregend. Aus achtzig Zellen können von Anti-Schiffsraketen, Torpedos zur U-Bootbekämpfung, Luftabwehrraketen bis hin zu Tomahawk-Marschflugkörpern Geschosse aller Art abgefeuert werden.
Public Domain/ US Navy
Meerwasser in den Schmieröltanks
Zwei weitere Zerstörer der "Zumwalt"-Klasse liegen wegen Problemen mit den komplexen elektrischen Installationen weit hinter ihrem ursprünglichen Zeitplan zurück
Vier Turbinen erbringen insgesamt 78 Megawatt an Leistung, neben dem eigenen Antrieb könnte ein Zumwalt-Zerstörer noch eine ganze Kleinstadt mit Strom versorgen. Das allerdings nur, wenn diese Leistung auch tatsächlich zur Verfügung steht, weil alle Turbinen laufen. Noch einen Monat vor dem Stapellauf der Zumwalt war dies nicht der Fall. Wie bei den Küstenkampfschiffen wurde ein Leck entdeckt, durch das Meerwasser in den Schmieröltank eines der Antriebsaggregate eindrang. Bei voller Leistung der Maschinen hätten die Turbinen schwere Schäden bis hin zur vollständigen Zerstörung davon geragen. Der rund vier Milliarden Dollar teure Zerstörer konnte bis zum Stapellauf am 15. Oktober gerade noch repariert werden. Nachrichten von der Jungfernfahrt stehen bis jetzt noch aus.
Fazit und Ausblick
James Holmes, Professor am Naval War College und Autor mehrerer Standardwerke zur Seekriegsstrategie
Bereits nach den ersten Defekten im Dezember hatte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Senator John McCain eine eingehende Untersuchung gefordert, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Solche Totalausfälle seien gerade bei redundant angelegten Schiffsantrieben völlig inakzeptabel, so McCain. James Holmes, der nunmehrige Professor für Seekriegsstrategie am Naval College und ehemalige Feuerleitoffizier an Bord des Schachtschiffs USS Wisconsin im ersten Golfkrieg schrieb in seiner Analyse, dass Probleme bei neuen Schiffstypen an sich nichts Ungewöhnliches seien. Das Auftreten derartiger, multipler Probleme bei einem Schiffstyp, die dessen komplette Mission gefährdeten - acht Jahre nach dem Start des Programms - habe es in der Vergangenheit allerdings noch nie gegeben.