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Christoph Sepin

Pixel, Post-Punk, Psychedelia und sonstige Ableger der Popkultur

17. 10. 2016 - 14:23

Vorwärts stolpern

Jagwar Ma lassen auf "Every Now and Then" die Musik machen, was die Musik machen will. Unser Artist of the Week.

Artist of the Week

Musikempfehlungen aus der FM4 Redaktion

Wie reagiert man als Band darauf, wenn Noel Gallagher sagt, dass die Zukunft der Galaxie von einem abhängt? Dass man die Power hätte, die bösen Kräfte des Imperiums zu besiegen? Für Jagwar Ma stellte sich diese Frage schon vor drei Jahren, kurz vor dem Release von "Howlin'", dem ersten Album der Gruppe aus Australien. Einfach weitermachen, lautete die Antwort damals und mal einfach so eine der vielgepriesensten Platten 2013 veröffentlichen.

Drei Jahre später kann man dann schon auf einiges zurückblicken: Auf ausführliches Touren mit The xx, Foals und Tame Impala, auf improvisierte Auflegereien mit Romy xx und Stella von Warpaint. Auf DJ-Abende für Daft Punk und ungezieferverseuchte Aufnahmestudios. Trotz all der Ablenkungen musste früher oder später aber auch mal eine neue Platte raus. Was Jagwar Ma vor das schwere Unterfangen stellte, ein Album zu basteln, das zwischen Medienhype und Vorschusslorbeeren aus der Musikwelt als Nachfolger von "Howlin'" für sich selbst stehen kann. Gelungen ist das der Band aus Sydney mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit.

Jagwar Ma

Jagwar Ma

You warm me up, you wore me down, I get the feeling now

"Every Now and Then" ist ein Album der scheinbar endlosen Einflüsse geworden - und das im besten Sinne des Wortes. Genregrenzen aufzuziehen ist da nicht so wichtig, gut klingen soll das lieber. Und so entziehen sich gleich mehrere Tracks auf der Platte den Zuschreibungen oder spielen bewusst damit.

"Can we be real?", fragt Lead Vocalist Gabriel Winterfield gleich auf Lied Nummer 2 am Album, der Nummer "Say What You Feel" und kehrt gefühlsmäßig in sich: "You wake up and you hope, you've got someone lying next to you, cause it's all you ever wanted", während der Track genau das Gegenteil davon tut und sich als Madchester-Dance-Hymne der Extraversion präsentiert. Sechs Minuten dauert "Say What You Feel", gibt sich die Zeit, die stilistischen Gegenden zu besuchen, die Jagwar Ma mal erkunden wollen. Bleibt dabei aber immer zugänglicher Popsong und damit gleich mal repräsentativ für das ganze Album.

Und dann gibt es Nummern wie "High Rotations", ein Track, der Jagwar Ma besonders wichtig war: "High Rotations ist eine Nummer, die die Leute überraschen wird. Das Lied hat nicht den Optimismus, den andere Lieder am Album haben. Aber es reflektiert genau wer wir sind, seit wir in einer Band sind und die Band öffentlich ist. Und die Privatssphäre, die wir gehabt haben, existiert so nicht mehr."

Industriell hereinkratzend präsentiert sich "High Rotations", mit einem minimalistischen Bass unterlegt, der sich langsam steigert, bis in die Übersteuerung hinein. "I don't want all your friends, I don't need all your friends", rezitiert Gabriel Winterfield monoton darüber. "I can get everything from within".

Give me a reason, find my way out of here

Die musikalische Offenheit, die findet sich bei Jagwar Ma nicht nur beim Machen von, sondern auch beim Reden über Musik. Geschichten von frühen Freuden beim Entdecken von Nirvana werden da genauso geteilt, wie die gemeinsame Liebe von Aphex Twin. "Ich bewundere Aphex Twin wirklich", sagt Multiinstrumentalist Jono Ma. "Er ist eine Inspiration, weil er einfach macht was er will und deswegen auch erfolgreich ist. Da geht's nicht nur um eine stilistische Sichtweise, viele seiner Sachen sind total intensiv. Aber er ist trotzdem eine Inspiration."

Albumcover Every Now and Then

Jagwar Ma

"Every Now and Then" von Jagwar Ma ist auf Marathon Artists erschienen.

Auf "Every Now and Then" fließen diese Inspirationen dann irgendwie alle gleichzeitig zusammen: Psychedelischer Gitarrennebel trifft mal auf simple Electronicabeats, dann wieder funkige Basslinien auf 90er-Jahre-Ravesamples. Musikinteressierte Hörer und Hörerinnen können so schön in die Referenzen und Verweise eintauchen, ähnlich wie das schon auf "Wildflower" von den Jagwar Ma-Landsleuten Avalanches möglich war.

Das klingt dann gleichzeitig nach kompletter Kontrolle über den musikalischen Output als auch nach komplettem Kontrollverlust. Als ob die Musik einfach macht, was sie machen will, als wären Jagwar Ma zu nichts anderem als einem Transmitter für die Lieder degradiert worden. Ein Vorwärtsstolpern durch die Facetten der Popgeschichte, wo man sich mal kurz in jeder Dekade zur Inspiration fallen lässt.