Erstellt am: 24. 10. 2016 - 11:08 Uhr
FM4 Gipfeltreffen mit Voodoo Jürgens & Willi Resetarits
FM4 Gipfeltreffen
Zwei Musiker aus Österreich treffen sich zum Gespräch, abseits von Genre-, Alters- und Geschmacksgrenzen.
Eine Stunde mit Voodoo und Willi, am Feiertag,
26. Oktober 2016
FM4 Homebase
21-22 Uhr und im Anschluss im 7-Tage-Player zum Nachhören
"Am Naschmarkt gab es ein Beisl, das Schmauswaberl. Dort wurde gesoffen, dort trafen sich die Alkoholiker, die Zuhälter mit den riesigen, auffrisierten Ami-Schlitten und man konnte dort 'verbotene Speisen' essen, zum Beispiel panierte Stierhoden. Ich hab sie immer aufgegessen, weil ich nicht wollte, dass der Koch traurig ist. Muss man halt mögen!"
Willi Resetarits sitzt neben Voodoo Jürgens in der ORF-Kantine an einem lauen Herbstnachmittag. Wenn so hochkarätige Gäste vorbeikommen, dann besorgt man einen Snack, in dem Fall belegte Eierbrötchen von der Aida, eine Erdbeerschnitte und eine Schokobombe. Voodoo Jürgens zündet sich im Interview eine Selbstgedrehte an, die stilecht am Pappteller abgeäschert und ausgedämpft wird.
Es wird nicht die letzte bleiben in dieser Radiostunde, die hier passiert. Wieso, weshalb, warum? Diese zwei genialen Geister kannten sich bisher nicht. Da dachte ich mir, ich lade sie zu einem Doppelinterview ein. Eine Legende und ein junger Musiker, um den es ein ziemliches G'riss gibt.
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FM4 Christian Stipkovits
Wenn der Voodoo mit dem Willi
"Zum Singen hab ich schon im Mutterbauch begonnen. Meine Frau Mutter hat, als sie mit mir schwanger war, immer die Stinatzer Lieder gesungen. Stinatz im Südburgenland, eine kroatische Gemeinde, da komm ich ursprünglich her. Die Lieder hab ich zwar mitgesungen, aber immer gleich in der zweiten Stimme. Ein untrügerisches Zeichen für großes Talent!"
Willi Resetarits ist nicht nur Musikant, sondern auch ein großer Geschichtenerzähler. Genauso wie Voodoo Jürgens:
"Meine Mama hat immer auf der akustischen Gitarre gespielt und wollte mich dazu bringen, ebenfalls zu spielen. Das hat mich aber nicht interessiert. Erst als sie aufgehört hat, mich zu sekkieren, hab' ich mir die Gitarre geschnappt. Damals in Tulln waren alle auf Hip Hop. Da hab ich mich abgekapselt und einfach meine Lieder gespielt."
Wo sie herkommen, das haben der Willi und der Voodoo nicht vergessen. Die einfachen Leut', die Musikanten, die sind ihnen heute ebenso lieber als die meisten anderen Menschen. Die Stritzis und Hallodris, die Gitti und der Wickerl: Das sind die Protagonisten in den Liedern von Voodoo Jürgens und Willi Resetarits. Die Figur "Ostbahn-Kurti" stammt aber, wie Fans wissen, aus der Feder von Günther Brödl. Der geniale Schriftsteller, Songtexter und Musikjournalist Günther Brödl übertrug amerikanische Blues-, Country- und Rockklassiker verschiedener Künstler ins Wienerische, von Bruce Springsteen, der Steve Miller Band und Konsorten. Den Ostbahn-Kurti hat er sich Mitte der 1970er Jahre erdacht. Eine Kopfgeburt, der er ein Leben angedichtet hat.
Er entwarf eine Bandbiografie und er stellte Playlisten für fiktive Langspielplatten zusammen. Er ließ einen Mythos zum Leben erwachen, indem er Konzerthallen angemietet und in der leeren Halle lautstark seine Lieblingsplatten aufgelegt hat. Das Publikum musste draußen bleiben, Günther Brödl deklarierte seine Veranstaltungen spaßhalber als „ausverkauft!“. Außerdem suchte er über Zeitungsanzeigen nach nie erschienenen Langspielplatten von Ostbahn Kurti und der Chefpartie.
Anfang der achtziger Jahre fand Günther Brödl dann seinen Partner in Crime. Willi Resetarits, Musiker bei der Polit-Rockgruppe Schmetterlinge und mitverantwortlich für die Besetzung der Wiener Arena 1976. Willi Resetarits hauchte den von Brödl erdachten Texten Leben ein. Ostbahn Kurti und die Chefpartie spielten Konzerte in Gasthäusern, manchmal vor drei Zuschauern. Die Geschichte wurde größer, die Bühnen auch. Ostbahn-Kurti am Donauinselfest und in den Messehallen des Landes: Bald konnten die "KurtologInnen" alle Lieder auswendig. Am 10. Oktober 2000 verstarb Günther Brödl überraschend. Ohne seinen Erfinder wollte auch Willi Resetarits nicht mehr und trug den Kurtl ebenfalls zu Grabe.
Austropop my arse
Wanda, Bilderbuch und nun Voodoo Jürgens: Immer wieder ist die Rede von einer "Wiederauferstehung" des Austropops. Ein Missverständnis, wie Voodoo Jürgens findet:
"Es lauft grad gut für mich, ich kann mich nicht beschweren, aber diese ganze Rederei um den Hype geht mir am Oarsch. Austropop, das war was völlig anderes. Aber wenn mehr Musiker mit der Musik Erfolg haben und vielleicht davon leben können, ist es eh was Gutes."
Der ehemalige Konditor, Friedhofsgärtner und Garderobier war schon immer leidenschaftlicher Musiker, er hatte aber mit seiner englischsprachigen Band "Die Eternias" nur mäßig Erfolg. Erst mit dem Umstieg auf den wienerischen Slang kamen die Fans.
Sein Debüt „Ansa Woar“ hat die Herzen sämtlicher Beisl-Aktivisten erobert - für viele das Debüt des Jahres. Sogar in der Stadthalle hat er heuer schon gespielt, als Vorband der Libertines, dessen Frontman Pete Doherty er vor Jahren nach einem Konzert kennengelernt hat. Seitdem sind sie befreundet. Wie und wo ist das passiert? Natürlich beim feuchtfröhlichen Geplaudere mitten in der Nacht, als Pete Doherty auf der Bühne gesungen und Voodoo Jürgens im Flex an der Garderobe gewerkelt hat.
Diese Zeiten sind vorbei, nun bespielt Voodoo Jürgens selber große Bühnen: Die Release-Show im Wiener Flex war restlos ausverkauft, die Deutschlandtour ist es ebenfalls.
Was haben Voodoo und Willi gemeinsam?
Die Parallelen zwischen den beiden Musikern sind unübersehbar. Hören wir da nicht bei "Heite grob ma Tote aus" Zitate aus Stücken der Proletenpassion der Schmetterlinge? In der Neuauflage des Stücks von 1976, das Gustav und Knarf Rellöm 2015 wieder auf die Bühne gebracht haben, singt übrigens die Tochter von Voodoo Jürgens mit. Außerdem haben die beiden Beisl-Poeten eine politische Vergangenheit: Willi Resetarits hat die Arenabesetzung mitinitiiert, Voodoo Jürgens ging auf die Straße, als in Wien im Jahr 2000 wöchentlich Proteste gegen die schwarz-blaue Regierung abgehalten worden sind. Engagement ist Willi Resetarits auch bis heute wichtig: Er ist Mitbegründer von "Asyl in Not", "SOS Mitmensch" und Ehrenobmann des Vereins "Projekt Integrationshaus".
Die heilende Kraft der Musik
Dem Genuss nicht abgeneigt, erzählen beide viele Geschichten, die sie in den windschiefen Lokalen und Kellerbuden der Stadt erlebt haben: Im "Cafe Fesch" in Rudolfsheim-Fünfhaus, im ramponierten "Espresso Rosi" in Wien-Simmering und im "Schmauswaberl" am Naschmarkt, wo Zuhälter, Trankler und andere Gestalten herumspazieren und zu fortgeschrittener Stunde vom Chef persönlich panierte Stierhoden serviert werden.
Das FM4 Gipfeltreffen, am 26. Oktober ab 21 Uhr auf Radio FM4 und anschließend für 7 Tage on demand.
Mehr soll nicht verraten werden. Es ist ein fescher Ohrenschmaus, das Treffen dieser zwei genialen Musiker. Habe die Ehre!