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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

13. 10. 2016 - 09:45

Krass im Keller

Wir schlüpfen in die Rolle des letzten Überlebenden im Atomschutzbunker, 30 Jahre nach der Katastrophe. Der interaktive Film "The Bunker" verbreitet Paranoia und Psychohorror.

Vor gut 20 Jahren ist die CD-ROM erfunden worden: Ein neuer Datenträger, der 450 mal so viel Speicherplatz halten konnte wie davor die 3,5-Zoll-Diskette. Das war vor allem deshalb toll, weil damit erstmals digitale Videos bequem verbreitet werden konnten. Auch Computerspiele sind davon beeinflusst worden, und so gab es von 1994 bis 1998 einige erste Versuche des interaktiven Films - die aber leider an schlechten SchauspielerInnen und oberflächlichem Gameplay gescheitert sind. Nun tritt, etwas unbemerkt, ein Spiel namens "The Bunker" an, den Film als Spiel wiederzubeleben. Ob das gelingt?

John aus "The Bunker"

Splendy Interactive, Wales Interactive, Green Man Gaming Publishing

Ort und Zeit: England in der Gegenwart, nach einer fiktiven Geschichtsschreibung. Dabei gab es Mitte der 80er eine Atomkatastrophe, und seither ist eine Gruppe an Überlebenden nicht mehr aus ihrem Bunker herausgekommen. Mittlerweile sind alle gestorben - bis auf zwei: eine schwerkranke Frau mittleren Alters und ihr 30-jähriger Sohn John, in dessen Rolle wir schlüpfen. "The Bunker" beginnt am Sterbebett der Mutter, die ihm die letzte Instruktion fürs weitere Leben gibt. Die ist so einfach wie seltsam: Verlasse nie dein Zimmer!

Das Wichtigste im Atomschutzbunker ist die tägliche Routine: Pillen nehmen, Strahlungswerte messen, Dosenbohnen essen, und so weiter. John sitzt täglich vor seinem 80er-Jahre-Computer, der alle Systeme checkt und verblüffenderweise immer noch funktioniert. Zunächst läuft noch alles in geregelten Bahnen, doch dann beginnen - natürlich -, die Dinge langsam schief zu laufen. Der im Bunker geborene und aufgewachsene John ist ängstlich und unselbstständig und der letzte Überlebende. Er muss erst mal nur Sicherungen und Filter wechseln, sich aber vor allem in der nun kompletten Isolation seinen Dämonen, sprich: seiner traumatischen Vergangenheit als einziges Bunkerkind stellen.



Alles, was man in "The Bunker" sieht und tut, ist von SchauspielerInnen gespielt und abgefilmt worden. Demensprechend wenig spielerische Möglichkeiten gibt es, denn ansonsten wäre der Aufwand für die Games-EntwicklerInnen ausgeartet. Im Wesentlichen ist "The Bunker" ein ziemlich geradliniges und einfach zu lösendes Adventure: Wir betreten Räume, betrachten Dinge, nehmen Gegenstände. Manchmal genügen auch simple Gesten mit der Maus, um weiterzukommen.

"The Bunker", entwickelt von Splendy Interactive und Wales Interactive, ist bei Green Man Gaming Publishing erschienen - für PS4, Xbox One, Windows und Mac.

Die düstere Geschichte des Bunkers und ihren ehemaligen BewohnerInnen wird in Form von Flashbacks erzählt. Die SchauspielerInnen und Schauplätze sind dabei durchaus stimmungsvoll in Szene gesetzt, doch die Geschichte ist nicht vielschichtig genug. Um Suspense und Horror zu vermitteln, werden simple Tricks wie dissonante Musik und Jumpscares eingesetzt. Darüber hinaus gibt es einige explizite Szenen, die keinen erkennbaren Mehrwert in Bezug auf die Erzählung haben. Vielmehr wirkt es so, als ob die EntwicklerInnen damit um jeden Preis nach Drastik und Aufmerksamkeit heischen.

Nach rund zwei Stunden ist der Spuk auch schon wieder vorbei und hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Zumindest im Fall von "The Bunker" steht fest, dass der spielbare Film 20 Jahre nach seiner Erfindung leider immer noch nicht funktioniert. Eine positives Ausnahme ist die im Vorjahr erschienene Crime-Investigation-Geschichte "Her Story". Dabei geht es nicht um platte Rätselaufgaben, sondern detektivisches Zusammenpuzzeln einer Tatherkunft.