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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

9. 10. 2016 - 23:45

The daily Blumenau. Sunday Edition, 09-10-16.

Von einem postfaktischen Punkt, der Ablenkungs-Debatte um die Defensivfehler, dem Euro-Elefanten im Raum und der Frage wem eigentlich Rukavina gehörte. Kritische Review von Serbien - Österreich. #SRBAUT

#fußballjournal16

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Siehe auch: Edition 06-10-16; Von der Qual des Aufbäumens, falscher Zufriedenheit, einer vertrödelten Chance und dem Spiel des Kevin Wimmer. Review zu Österreich - Wales.

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Der ÖFB-Kader

Tor: Robert Almer (Austria), Ramazan Özcan (Bayer Leverkusen/D), Andreas Lukse (Altach). Auf Abruf: Heinz Lindner (Eintracht Frankfurt/D).

Abwehr: Florian Klein (VfB Stuttgart/D), Aleksandar Dragovic (Leverkusen/D), Sebastian Prödl (Watford/ ENG), Kevin Wimmer (Tottenham/ENG),
Martin Hinteregger (Augsburg/D), Markus Suttner (Ingolstadt/D), Valentino Lazaro, Stefan Stangl (RB Salzburg). Auf Abruf: Andreas Lienhart (Altach), Michael Madl (Fulham/ENG), Stefan Lainer, Andreas Ulmer (RB Salzburg).

Mittelfeld: David Alaba (Bayern München/D), Julian Baumgartlinger (Leverkusen/D), Stefan Ilsanker, Marcel Sabitzer (RB Leipzig/D), Alessandro Schöpf (Schalke/D), Zlatko Junuzovic (Werder Bremen/D), Marko Arnautovic (Stoke/ENG), Louis Schaub (Rapid). Nachnominiert für den verletzten Martin Harnik (Hannover/D) wurde Deni Alar (Sturm). Auf Abruf: Stefan Schwab (Rapid), Guido Burgstaller (Nürnberg/D), Jakob Jantscher (Rizespor/TUR), Florian Kainz (Werder Bremen/D).

Angriff: Marc Janko (Basel/SUI), Lukas Hinterseer (Ingolstadt/D), Michael Gregoritsch (Hamburger SV/D). Auf Abruf: Karim Onisiwo (Mainz/D).

Angeschlagen ist Rubin Okotie (Beijing EG/CHN). Auf Abruf und gleichzeitig bei der U21 sind Daniel Bachmann (Stoke /ENG), Philipp Lienhart (Real/ESP) und Florian Grillitsch (Werder Bremen/D).

Rücktritt: Christian Fuchs (Leicester City/ENG).
Am Altenteil: Alexander Manninger (Liverpool/ ENG), Michael Gspurning, Emanuel Pogatetz (Union Berlin/D), Andreas Ivanschitz (Seattle/USA), Christoph Leitgeb (RB Salzburg), Veli Kavlak (Besiktas/TUR) und György Garics (aktuell vereinslos).

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Team Serbia

Tor: Vladimir Stojković (Nottingham/ENG), Predrag Rajković (Maccabi Tel Aviv/ISR), Aleksandar Jovanović (Aarhus/DEN).

Abwehr: Branislav Ivanović (Captain/Chelsea/ENG), Aleksandar Kolarov (Manchester City/ENG), Antonio Rukavina (Villarreal/ESP), Matija Nastasić (Schalke/D), Slobodan Rajković (Palermo/ITA), Nikola Maksimović (Napoli/ITA), Aleksandar Ignjovski (Freiburg/D), Stefan Mitrović (Gent/BEL), Filip Mladenović (Köln/D), Jagoš Vuković (Konyaspor/TUR).

Mittelfeld: Zoran Tošić (CSKA Moskva/RUS), Ljubomir Fejsa (Benfica/POR), Lazar Marković (Sporting/POR), Luka Milivojević (Olympiacos/GRE), Nemanja Gudelj (Ajax/NED), Filip Kostić (Hamburger SV/D), Nemanja Maksimović (Astana/KAZ), Aleksandar Katai (Alavés/ESP), Dušan Tadić (Southampton/ENG). Gesperrt war Nemanja Matić (Chelsea/ENG).

Angriff: Aleksandar Mitrović (Newcastle/ENG), Nikola Stojiljković (Braga/POR), Andrija Pavlović (Copenhagen/DEN).

Zuletzt im Großkader: Damir Kahriman (Roter Stern); Duško Tošić (Beşiktaş/TUR), Nemanja Milunović (Borisov/BLR), Uroš Spajić, Ivan Obradović (Anderlecht/ BEL), Aleksandar Sedlar (Piast Gliwice/POL), Nenad Tomović (Fiorentina/ITA), Adem Ljajić (Torino/ITA), Filip Đuričić (Sampdoria/ ITA), Miralem Sulejmani (Young Boys/SUI), Darko Brašanac (Betis/ESP), Radosav Petrović (Sporting/POR), Ex-LASKler Petar Škuletić (Lokomotiv Moskva/RUS).

Out: Milan Rodic (Samara/RUS), Milos Kosanovic (St. Liege/BEL), Nemanja Pejcinovic (Lokomotiv Mosvka/RUS), Nemanja Radoja (Celta/ESP), Dusan Basta, Filip Djordjevic (Lazio/ITA), Milos Jojic (Köln/D), Ivan Radovanovic (Chievo/ITA), Darko Lazovic (Genoa/ ITA), Zdravko Kuzmanović (Malaga/ESP), Nenad Krsticic (Alaves/ESP), Stefan Scepovic (Getafe/ESP), Goran Causic (Osasuna/ESP), Srdjan Mijailovic (KayseriSpor/TUR), Nemanja Mihajlovic (Partizan) und Neven Subotic (Dortmund/D).

PS: Vom U20-Weltmeister 2015 stehen nur Goalie Rajković und Maksimović im aktuellen Kader. Es fehlen Filip Manojlović (Roter Stern), der Ex-GAKler Vanja Milinković-Savić (Lechia Gdansk/ POL); Milan Gajić (Bordeaux/FRA), Nemanja Antonov (GC Zürich/SUI), Miloš Veljković (Werder Bremen/DEU), Srđan Babić (Real Sociedad/ESP), Stefan Milošević (Roter Stern), Vukašin Jovanović (Zenit St.Petersburg/RUS), Miladin Stevanović (KayseriSpor/TUR), Radovan Pankov (Ural Oblast/RUS); Mijat Gaćinović (Eintracht Frankfurt/D), Saša Zdjelar (Olympiakos/GRE), Marko Grujić (Liverpool/ENG), Filip Janković (Radomlje/ SVN), Sergej Milinkovic-Savic (Lazio/ITA), Andrija Živković; Ivan Šaponjić (Benfica/POR), Staniša Mandić (Čukarički), Stefan Ilić (Roter Stern).

Nicht dabei war Filip Dmitrovic (jetzt LASK) der von Austria Klagenfurt (damals unter Svetits) unter Druck gesetzt wurde und sich so einer an sich fixen Nominierung entschlagen musste.

Um gedankliche Ruhe in das vielleicht hektischste Spiel der letzten ÖFB-Jahre zu bringen: vieles in diesem mit 3:2 verlorenen Quali-Match in Belgrad war nicht so, wie es auf den ersten Blick erscheinen mochte.

Das gilt für die Voraussetzungen, die mit einer falschen Bilanz geschönt wurden.
Das gilt vor allem für ein Abschieben der gesamten Verantwortung auf die Defensive, wo sich die Frage nach der grundsätzlichen Spielidee gegen ein System wie das serbische stellt.
Das gilt aber auch für den Elefanten im Raum, das Gefühl wieder bei der Euro zu sein und der an sich besseren Mannschaft beim ewigen Nachrennen zuschauen zu müssen.

1

Zuerst einmal: ich hab mich (hier) geirrt. Es waren nicht zumindest zwei Punkte notwendig um Koller und dem Team Zeit für Ruhe vor Medien-Geblöke zu verschaffen. In postfaktischen Zeiten genügte einer und ein gefühlter zweiter; und vier geschossene Tore; und die Gewissheit viermal (in Worten: 4x) zurückgekommen zu sein - öfter als der Terminator.

Die Mannschaft hat verloren, das aber in klassischer Helden-Pose. Das anerkennt eine österreichische Öffentlichkeit (und so auch ihre Medien), die genau diese Helden und diese Posen sonst überall schmerzlich vermissen. Sofern jetzt noch im November Irland daheim geschlagen werden kann und das ÖFB-Team dann mit 7 Punkten überwintert, ist (so halbwegs) Ruhe im Karton. Zumal Wales mit seinem Punkteverlust gegen Georgien ja auch brav mitspielt.

2

Weil im Vorfeld so viel von einer tollen Auswärtsbilanz die Rede/zu lesen war: what the fuck, wieviel Selbstbetrug geht denn noch? Drei letzten vier Auswärtsspiele wurden nicht gewonnen, zwei gingen bitter verloren - es handelt sich also um den vierten sieglosen Auftritt des ÖFB-Teams bei Gegnern jenseits des Formats von Georgien. Ja, da war doch was, auswärts, eine Euro, die zählt auch... Kommt so gesehen alles nicht ganz so überraschend.

Außerdem ähnelte das Match auch strukturell vor allem den Spielen gegen Ungarn und Island, als man just in Phasen der Überlegenheit und Erstarkung Gegentore einfing und als man mit Fortdauer des Spiels nicht mehr die Kraft und vor allem die Idee dafür hatte zurückzukommen.

3

Der Schlüssel zu allem liegt in der serbischen Spielanlage.

Coach Slavo Muslin hatte ein 3-4-3 auf dem Platz, das sich in der Defensive auf ein 5-2-3 bis hin einem 5-4-1 zurückschraubt. Spezielle Auffälligkeit: die Asynchronizität.
Während Kolarov, der Man City-Star auf der linken Seite, einen konventionellen Part spielte, war Rukavina, der rechte Mann, praktisch immer vorne zu finden. Serbien agierte beim kleinsten Anschein von Offensive mit einer De-facto-Vierer-Abwehr, Kapitän Ivanovic von Chelsea schob auf den Flügel raus und Rukavina wurde zum Rechtsaußen. Da er in diesem Raum heute auf den spielbestimmenden und besten Mann, nämlich Dušan Tadic, die eigentliche rechte Spitze traf, war dieser Bereich, nämlich die rechte serbische Flanke, der Schlüssel zum Erfolg.

Serbien:
1 Vladimir Stojkovic; 6 (K) Ivanovic, 13 Stefan Mitrovic, 5 Nastasic; 2 Rukavina (90. 19 Maksimovic), 15 Fejsa, 16 Milivojevic, 11 Kolarov; 10 Dusan Tadic, 9 Aleksandar Mitrovic (77. 4 Gudelj), 17 Filip Kostic (65. 18 Katai).

Österreich:
23 Özcan; 17 Klein, 3 Dragovic (71. 15 Prödl), 4 Hinteregger, 5 Kevin Wimmer; 14 (K) Baumgartlinger (58. 6 Ilsanker), 8 Alaba; 9 Sabitzer, 10 Junuzovic (63. 18 Schöpf), 7 Arnautovic; 21 (K2) Janko

Das österreichische Problem war nicht so sehr, wie von Sportchef Ruttensteiner in der Halbzeit-Analyse angesprochen, die Tatsache, dass die österreichische Vierer-Abwehr mit dem gegnerischen Stürmer-Trio, das sich immer zwischen die Linien fallen ließ, überfordert war (das ist ein Klassiker der Matchstrategie, das kriegt man schon hin), sondern der Fakt, dass mit Rukavina immer noch ein vierter dazustieß und so allzu oft 1zu1-Situationen herstellen konnte. In den (erstaunlich vielen) Fällen, in denen sich die Innenverteidiger rausziehen ließen, entstand dann sogar serbische Überzahl.

Und, echt, so viel gegnerische Überzahl-Situationen habe ich beim ÖFB-Team schon ewig nicht mehr gesehen. Das macht Sorge.

4

Die Ursachen dafür liegen nicht nur in einer gelungenen serbischen Strategie über diese starke rechte Seite das Spiel aufzureißen, sondern auch daran, dass die Österreicher ihnen das dreifach leicht gemacht haben.
Zum einen dadurch, dass die Sechser und die beiden Flügelspieler im Mittelfeld kaum Anstalten machten ihre Defensiv-Arbeit intensiver als sonst zu gestalten - wiewohl jedem Mann am Platz nach 6 Minuten klar geworden war, dass hier der Hund begraben sein würde.

Wem etwa Rukavina gehörte, war so gut wie nie klar. Sabitzer hechelte bei Tor 2 schuldbewusst in einen 50-Meter-Sprint, scheiterte aber, Baumgartlinger-Alaba hatten nie Zugriff auf Tadic-Aleks Mitrovic-Kostic.

Zum zweiten waren es die im Vergleich zum Wales-Match dramatisch erhöhten Ausflüge von vor allem Hinteregger und Dragovic ins Mittelfeld, die dann unfassbare Löcher rissen, wenn sie zb A. Mitrovic folgten (gleich das erste Tor ist von genau so einem Hinteregger-Ausflug verursacht worden).

Sowas machen diese Burschen nicht von selber, sondern auf Anweisung. Und diese Ausflüge wären dann sinnvoll, wenn hinter ihnen noch ein Prödl gespielt hätte. Hat er aber nicht. Und jetzt sind wir bei des Pudels Kern: Koller hat seine Mannschaft defensiv so aufgestellt, als würde sie auch mit einer Fünfer-Abwehr, also mit Prödl zwischen Drago-Hinter, auflaufen - wie er es bei der Euro gegen Island und davor schon in einem Test getan hatte. Nur: Prödl war nicht am Platz. Kollers Anordnung war so zu tun als ob, im Bewusstsein des Risikos vorzugehen.

Ja, ich war nicht bei der Spielerbesprechung und bei der Aufgaben-Verteilung - aber anders ist der Irrsinn, der da teilweise ablief nicht zu erklären. Und: er hätte ja, nicht erst in der Halbzeit, vom Coach eingefangen werden können. Es war also Absicht.

5

Jetzt stellt sich die Frage: wäre das eine gute Idee gewesen gegen das 3-4-3 bzw 5-2-3 von Serbien mit einem 5-2-3 oder 5-3-2 vorzugehen?

Sehr wahrscheinlich schon.

Die drei Spitzen nur von der Viererkette abfangen zu lassen, stellt bereits hohes Risiko dar, der dazukommende immer freie Rukavina aber brachte das Fass dann zum Überlaufen und stellte die zahllosen Überzahl-Situationen (und damit letztlich den serbischen Sieg, denn alle Tore fielen nach solchen Szenen und Umschaltspiel) sicher.

Soll heißen: selbst wenn Koller die Fünfer-Abwehr vor dem Spiel nicht am inneren Radar gehabt haben sollte: spätestens nach dem 1:2 wäre eine entsprechende Umstellung angebracht gewesen. Auch die Halbzeit-Pause hätte gereicht.

Gegenspieler Muslin stellte nach der dritten und finalen Führung auf ein defensiv ausgezeichnetes 5-3-2 um - Koller blieb wie zumeist, brav in seinem System, das heute nicht funktioniert hat. Weil man den Gegner nicht/zu wenig mitbedacht hatte.

6

In jedem Fall aber ist die jetzt folgende öffentliche Debatte über die Defensiv-Schwächen nicht mehr als eine Ablenkungsdiskussion für Stammtisch-Rauschige. Klar gab es da Fehler (so wie auch beim Gegner, Stefan Mitrovic, oweia...), die die Tore begünstigten - wirklich herausgespielt hat diese Szenen aber eine falsche Spielanlage, die geistige Fehlleistungen der Abwehrspieler geradezu bedingt/provoziert hat. Das hat auch damit zu tun, dass Sabitzer und der gegen sein Altvaterland extra motivierte Arnautovic sich viel weiter vorne platzierten als ratsam wäre. Auch etwas, was mit ein paar Handgriffen von der Seitenlinie zu korrigieren wäre.

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Aber da hapert es gerade; oder eh schon immer. An der dirigierenden Seitenlinie.

Österreich war fast eine Viertelstunde ohne Kapitän, weil die Schleife verlorenging, in den Phasen der Härte und Hektik drang keine Ruhe-Schaffen-Order durch; als man nach der überlegenen Phase nach dem ersten Ausgleich das unverdiente 2:1 kriegte, wurde wieder fast eine Viertelstunde mit unentschlossenem Spiel vertrödelt.

Immerhin: nicht nur weitere Verletzungen zwangen Koller zu Reaktion, auch der Schöpf-Junuzovic-Tausch fand deutlich früher als zuletzt statt. Aber weder die Unruhen nach den beiden Rudeln rund um Baumgartlingers Wechsel, noch die Hektik nach dem lächerlichen Vorwand des serbischen Publikums seinem gesellschaftlich eh oberschwelligen Rassismus durch Pfiffe gegen Alaba freien Lauf zu lassen, fanden Beruhigung durch die ordnende Hand eines Coaches. An der Seitenlinie. Koller dringt wohl einfach nicht durch.

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Wo bleibt das Positive?

Positiv ist etwa das Gefühl, dass es mir völlig egal ist wie die Tore, die man beide auch Abseits hätte geben können, zustande gekommen sind. Weil sie trotzdem verdient waren, spielverlaufstechnisch. Und weil ernudelte oder abgestaubte Tore auch zählen, zurecht.

Positiv war wieder die Qual des Aufbäumens, die bis in Minute 95 spürbar wurde und - anders als zb gegen Ungarn oder Island - auch noch den Atem der Möglichkeit in sich trugen. Dort war das Team schnell gefühlt geschlagen; heute Abend nie.

Wie schon erwähnt: in postfaktischen Zeiten ist das fast genauso wichtig wie das echte Resultat.