Erstellt am: 31. 10. 2016 - 06:00 Uhr
Two Door Cinema Club ist der FM4 Artist of the Week
Artist of the Week
Empfehlungen aus der FM4-Musikredaktion, jede Woche neu. Diesmal mit Two Door Cinema Club.
Es ist einige Jahre her, dass eine junge Band aus einem wenig gehypten oder glamourösen Eck von Großbritannien mit ihren unwiderstehlichen, lebensbejahenden Songs die Bildfläche betreten hat. Two Door Cinema Club kamen aus dem kleinen Küstenort Bangor in der Nähe der nordirischen Stadt Belfast und hatten sich in Anlehnung an den Namen eines alten Kinos dort benannt, dem Tudor Cinema. Sänger Alex Trimble, Gitarrist Sam Halliday und Drummer Kevin Baird waren Schulfreunde, die kaum draußen aus der Schule schon auf internationale Tour gingen. Das ist ganze sechs Jahre her.
Nach dem Debütalbum "Tourist History" folgte das zweite Album "Beacon", und dann, ja, dann war erst einmal Schluss.
Sie hätten sich beinahe gehasst, meinen Alex, Kevin und Sam im FM4-Interview vergangenen August beim Out Of The Woods Festival in Wiesen im Burgenand, noch bevor das neue Album der Band erschienen ist. Nein, so schlimm sei es noch nicht gewesen, relativieren Two Door Cinema Club, aber auf die Nerven wären sie sich schon ordentlich gegangen, was ja auch kein Wunder ist, wenn man ständig miteinander im Tourbus sitzt. "There´s a fire in my head and it´s keeping me from getting out of bed", singt Alex Trimble in einem der neuen Songs. Ein wütendes Feuer im Kopf und diese Schwere in den Gliedmaßen. Eine Band-Auszeit war unvermeidlich.
Two Door Cinema Club
Sam Halliday etwa hat die Auszeit genutzt, um zu heiraten. Und ihr, Alex und Kevin, was habt ihr gemacht? Seid ihr etwa fischen gegangen? Schallendes Lachen von den drei Männern von Two Door Cinema Club. Nein, Fischen ist nicht das ihre, obwohl, Kevin steht tatsächlich vor seinem ersten Angel-Trip. Nun ja, solange es nicht die Großwildjagd ist wie bei Metallica, wollen wir ein Tierschützer-Auge zudrücken.
"I’m a Lynchian dream, made of plasticine, I’m an old Pinocchio, broken nose, let me go", heißt es im Albumtitelsong "Gameshow". Alex Trimble als Pinocchio? Oh ja, lachen ist gut. Und was für ein Pop-Lyricist er ist. "I´m the souvenir of this cheap champaign year", heißt es weiter im Songtext.
Let´s not throw this away!
Parlophone UK/Warner
Die Fallen, warum eine erfolgreiche junge Band schon recht bald eine Auszeit brauchen kann, sind die selben wie eh und je, so scheint es jedenfalls, wenn Alex Trimble von zu vielen Drinks und auch Drugs erzählt, die dem Two Door Cinema Club in die Quere gekommen waren. Aber dann hat man sich zum Glück schließlich eines besseren besonnen und sich gesagt, das doch nicht einfach wegwerfen zu können - die Band, die Musik, das Plattenmachen und das Konzertspielen. Two Door Cinema Club waren bereit für die nächste Runde, die dritte.
Die Unschuld war verloren, da konnte man nichts mehr machen, aber einen gewissen Jacknife Lee fragen, ob er denn wieder Zeit hätte, um bei einem neuen Album zu helfen. Jacknife Lee war schon Producer vom letzten Album der Band "Beacon". Gesagt, getan, ja, und die Plattenfirma, ein großes Plattenlabel, war auch mit dabei, und so ist der neue Longplayer dann in Los Angeles im Studio von Jacknife Lee aufgenommen worden: "Mann, er sitzt dort oben auf einem Hügel im Topanga Canyon", schwärmt Alex Trimble von diesem irischen Produzenten, der sich ein Studio in Los Angeles eingerichtet hat und dort auch gerne Bands von zuhause oder dem Rest der britischen Inseln betreut. "Er versteht uns ganz genau", sagen Two Door Cinema Club im Interview: "Er versteht unseren Humor und wo wir herkommen, was Musik und Popkultur betrifft."
Alex Trimble: "We´re not embracing the pop that´s going on now in a melodic or structural sense. The two biggest influences for me were Bowie and Prince - both total pioneers who straddled that line between out-there pop and avant garde craziness."
Two Door Cinema Club nennen das neue Album "Gameshow". Es ist voller Songs für die "generation information", aber nicht nur für diese. Und schließlich sind die Fans vom ersten Album der Band inzwischen auch schon groß geworden. Auf der kleinen US-Tour, die Two Door Cinema Club im Sommer spielten, traf Alex Trimble etwa eine junge Frau, die ihm erzählte, dass sie gerade 13 Jahre alt war, als sie "Tourist History" kaufte, und jetzt ist sie 19. Unglaublich wie die Zeit vergeht, meint Alex Trimble, um fortzufahren, wir alle mögen die Zeit doch nutzen, mehr als immer nur aufs Mobiltelefon zu starren. In der ersten Single aus "Gameshow", im Song "Are We Ready (Wreck)" geht es etwa darum.
Sam Halliday: "It´s about rebelling against consumerism. The lyrics play on that and hating how the world is going in terms of commercialism and how people are addicted to social media."
Musikalisch ist "Are We Ready (Wreck)?" polierter Minimalismus mit tollem Bass-Groove und einer noch tolleren Gitarre. Mehr Future Funk als Indie-Rock mit einem Rumpelstilz-Beinchen im Electropop? "Wir wissen nicht, was es ist", sagen Two Door Cinema Club. Müssen sie auch gar nicht. Die Songs am Album tragen jedenfalls Titel wie "Lavender", "Ordinary" oder "Surgery". Und einer heißt "Invincible", also "unbesiegbar", und ist ein bittersüßer Abgesang an vergangene Tage; am Anfang des Songs vorgetragen vom Indierock-Boy Alex und dann vom Prince-verstehenden gereiften Funkmaster Trimble. Da wird zart auf die Keyboard-Tasten gedrückt, während Alex Trimble singt: "Nights were young, I was invincible, I was living for myself, my survival suicidal cool." Und dann, ja dann wird die Gitarre gewürgt - in bester 70er Jahre-Manier.
Noch mehr Trimble´sche Bekenntnisse, bevor der große Refrain einsetzt? In "Good Morning", einem weiteren Highlight am neuen Album, singt er: "I´m a sinner, I´m the victim, I´m an alien when I am myself. I´m a healer, I am a fixer, I ´m a danger to my health."
Kitsuné
Ein Song auf "Gameshow" hat einen französischen Titel - "Je Viens De La", was uns daran erinnert, dass Two Door Cinema Club einmal beim französischen Plattenlabel Kitsuné veröffentlichten, jenen Meistern der modernen alternativen Popmusik aus zartem Indiepop-Songwriting und unverschämtem Dance-Gefühl.
Two Door Cinema Club spielen am 19. Februar 2017 ein Konzert im Gasometer in Wien.
Alex Trimble: "We were 18 when we signed a deal with Kitsuné. It really opened our eyes to a whole another sort of music. The whole dance world was all very new to us, and at that age it was very fun to get into that and to go to their European club nights and play a show to a room full of people in places that we could never have played on our own. So it was great for us at the time.We have very fond memories of being on Kitsuné."
Und Kevin Baird fügt hinzu: "At that moment in time - from a record label perspective - there were not many labels out there who believed in what we were doing, there were maybe two labels, everyone else was not really interested. So Kitsuné really helped us to get to where we are now."
Two Door Cinema Club haben bei ihrem dritten Album tiefere und dunklere Schattierungen auf der popmusikalischen Farbpalette hinzugefügt, das war unvermeidbar und ist gut gelungen, berührt - stellenweise jedenfalls - noch immer das Herz, und ins zart wippende Tanzbein geht es sowieso. Nur manchmal, wenn der Gesang gar zu sehr nach Bee Gees klingt, ist es etwas zu viel, aber selbst das kommt aus dem Innersten dieser Band. Vintage Cool meets modern Sophistication. Welcome back, Alex, Sam und Kevin!