Erstellt am: 8. 10. 2016 - 15:08 Uhr
Hazy Cosmic Jive
"I have only two passions, space exploration and hip hop," meint Buzz Aldrin, pensionierter Astronaut der NASA. Seine Augen blitzen hinter einer Sonnenbrille. In den mittlerweile 86 Jahren, in denen er auf der Welt und ihrer unmittelbaren kosmischen Nähe ist, war er nicht nur der zweite Mensch auf dem Mond, sondern hat auch mit Snoop Dogg und Talib Kweli (“Buzz Aldrin is so gangster!”) einen Track aufgenommen. Im Making Of von “Rocket Experience” streuen Quincy Jones und Soulja Boy Rosen: “The person that had the biggest inspiration on everything I do, music, production, everything … it has to be Buzz Aldrin.”
Seit es sie gibt, sind Popmusikschaffende fasziniert vom Wunder Weltraum, Sternenstaub und interstellaren Ausflügen. Mit Sputnik, dem ersten künstlichen Erdsatelliten, schrumpfen die Distanzen und Ende der 50er beginnt das Zeitalter der Raumfahrt:
Liebestrunken besingt Frank Sinatra den zum Greifen nahen Mond, Juan García Esquivel stimmt sein Theremin und wird zum King of Space Age Pop gekrönt, Sun Ra erklärt seine Abstammung vom Saturn, David Bowie kommt wohl nicht vom Mars sondern gleich aus einer anderen Galaxie, Elton John setzt sich in die Rakete und Pink Floyd zergehen im Universum. Im neuen Jahrtausend will Lady Gaga schließlich dort heiraten.
In Österreich wird zur selben Zeit das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie offiziell zum Weltraumministerium ernannt, Jörg Leichtfried ist Weltraumminister. In der rot-weiß-roten All-Nation entstehen “Space Bum Rocket Kid” von M185, “Astronaut” von Effi, “Spacelab”, “Spaceship”, aber auch “Rocket” von den Steaming Satellites – und Fijuka erleben fantastische Abenteuer auf Raumpatrouille.
Fijuka / Hartmann & Zumtobel
Tatsächlich ins All fliegt Franz Viehböck, Österreichs erster und einziger Astronaut a.k.a. “Austronaut”, vor 25 Jahren. Anlässlich des Jubiläums traf sich diese Woche die internationale “Association of Space Explorers” auf Einladung des “Österreichischen Weltraum Forums” (ÖWF) in Österreich, unter anderem um in Schulen für die Raumfahrt zu begeistern. Beim “Planetary Congress”, der jährlich in einem anderen Land stattfindet, gratulierten Viehböck über 100 Astronaut*innen aus aller Welt (Erde). Darunter zahlreiche musizierende. Viehböck selbst ist begeisterter Pianist und spielt in einer Jazzband.
Während sich die Musikwelt über den Polarstern Ziggy Stardust am Universum orientiert, glühen sehr viele der echten Weltraumreisenden aktiv für den irdischen Klangkosmos. In Houston, Texas, gründete sich etwa schon Ende der 80er die Band Max Q, deren wechselndes Line-Up ausschließlich aus Astronaut*innen der NASA besteht. Die selbsternannte Mehr-Noise-als-Wohlklang-Gruppe arbeitet sich unbeirrbar an Klassikern des amerikanischen Rock- und Country-Kanons ab, unterbrochen werden Proben nur von gelegentlichen Fahrten ins All. Als Sprungbrett für seine Solo-Karriere nutzte diese Band auch ein gewisser kanadischer Astronaut, der bald zum vielleicht berühmtesten noch lebenden Raumfahrer nach Buzz aufsteigen sollte: Chris Hadfield.
ÖWF / Florian Voggeneder
ÖWF / Florian Voggeneder
Hier zum Nachhören:
Die Rede von Weltraumstar Chris Hadfield in der “Landezone” des “Planetary Congress” (Tabakfabrik Linz). Über Neil, Buzz, Mike und die erste Mondlandung.
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Direkt von der Internationalen Raumstation ISS aus stellt Commander Hadfield 2012 den ersten selbstkomponierten Song ins Netz, der jemals im All aufgenommen wurde. “Jewel in the Night”, ein traurig leuchtender, kanadischer Folksong in Moll, schief gezupft an der akustischen Gitarre, über leises Säuseln von Raumstationsgebläse im Hintergrund. Die fehlende Schwerkraft macht sich in Rhythmus und Tightness bemerkbar, dass es aber überhaupt möglich ist, im Weltraum zu musizieren, hinterlässt die Erdlinge staunend. Hadfields Astronautenstimme klingt im All sogar spannender als auf der Erde, mag man meinen. Die von der Schwerelosigkeit leicht geschwollene Zunge macht sie vor allem in den Höhen interessant.
Nach seinem ISS “Space Oddity” Cover, das Bowie selbst als das wohl ergreifendste von allen bezeichnet und Hadfield unwiederbringlich zur Pop Ikone gemacht hat, nimmt der Astronaut gleich ein ganzes Album im Weltraum auf. Zwischen wissenschaftlichen Experimenten, der Koordination seines fünf-köpfigen Astronaut*innenteams und obligatorischen Space Walks zieht sich der Commander für private Recording Sessions in seine kleine Schlafkabine zurück. Nach 2400 Mal um die Welt in 5 Monaten ist das erste Album made in Space fertig. “Space Sessions: Songs from a Tin Can”. Veröffentlicht wurde die Platte letztes Jahr. Und die erste Single daraus war ein Space Cowboy.
Auf der Erde fragte man sich nun “I.S.S. (Is Somebody Singing?)” und wollte Teil der Bewegung sein. Kanada inszinierte die erste Live-Schlager Session zwischen Weltraum und Erde mit Landessohn Hadfield:
Livesets von Menschen im All mit Menschen am Boden waren nun en vogue. In einer Kollaboration mit in Pasadena, Texas, verbliebenen Kolleg*innen verfeinert der japanische Commander und ISS-Bewohner Koichi Wakata den Trend zu sonorem Schweben und Bambusflöten-Transzendenz:
Flöten tut es regelmäßig in der Weltraum-WG. Astronautin Cady Coleman hat ganze vier Flöten an Bord gebracht, eine davon war ein Geschenk vom Flötkönig selbst, Ian Anderson von Jethro Tull. Im All stimmt Coleman gerne Melodien der kanadischen Folk-Legende Stan Rogers an. Lieder über Entdecker aus früheren Zeiten, in denen die ISS noch ein Segelschiff und die Weiten des Universums noch jene der Ozeane waren. Zuhause auf der Erde ist ihr Flötenspiel unter anderem auf Irish Folk-Platten der mit Oscar und Grammy ausgezeichneten Chieftains zu hören.
Wenn sich Stille über die Internationale Raumstation legt und die Instrumente der Astronaut*innen unberührt in einer Ecke segeln, sendet die Mission Control Lieder in den Orbit. Seit den 60ern bekommt die weltraumreisende Crew der NASA musikalische “Wake-Up-Calls”. Diese morgendlichen Playlisten wandeln je nach Anlass zwischen “Mr. Spaceman” (The Byrds), “Fly like an Eagle” (Steve Miller Band), “Break on Through” (The Doors), “So Far Away” (Dire Straits), “I Can see for Miles” (The Who) oder “Sitting on Top of the World” (Les Paul and Mary Ford). Zur Vollendung der Mission schließlich erklingt “Free Fallin” (Tom Petty) in der Raumstation, “Houston” (Dean Martin) und “The Party’s Over” (Julie London).
Im Gespräch:
Astronaut Michael Fincke
Lina Simon spricht mit dem NASA Raumfahrer, Talking-Heads-Fan und Liebling der Tech Kids Michael “Spanky” Fincke über sein Treffen mit David Byrne, Michael Jacksons Moonwalk, seine Rolle in Star Trek: Enterprise, Pokémon Go im All und Life on Mars. Hier das gesamte Interview zum Anhören.
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NASA