Erstellt am: 7. 10. 2016 - 14:29 Uhr
Mehr als Bilder mit Katze
Elevate Festival
Das Festival für elektronische Musik und politischen Diskurs findet von 20. bis 23. Oktober in Graz statt.
Das gesamte Diskursprogramm ist bei freiem Eintritt im Forum Stadtpark zu besuchen.
Zugegeben: Das Elevate Festival in Graz ist keine Party, bei der einem die Big Names von Plakaten entgegenhüpfen. Das Programm des Festivals für elektronische Musik und politischen Diskurs müssen sich geneigte BesucherInnen durchaus erarbeiten. Es sei denn, man kann auf eine Freundin oder Kollegin wie Katharina Seidler zählen, die einen in den Dom im Berg und zu "tanzbarer Clubmusik, experimenteller Klangkunst und Weltverbesserung" lotst. Während die Nächte durchtanzt werden, will tagsüber am Elevate Europa verhandelt werden. Jetzt also nicht gleich aufgeben angesichts dieses Freizeit-Pensums!
Anders als angekündigt wird Sarah Harrison nicht nach Graz kommen.
Bei der Eröffnung des Elevate Festivals am 20. Oktober 2016, 20.00 Uhr, Dom im Berg, wird sie sich allerdings per Live-Videostream zu Wort melden.
Der Eintritt zur Eröffnung ist frei
Das Elevate Festival ist diesmal eine Spezialausgabe, proklamiert "We Are Europe" und hat im Diskursprogramm einen Stargast: Die Investigativjournalistin Sarah Harrison kommt nach Graz. Sarah Harrison? Nie gehört? #Snowden #WikiLeaks oder @couragefund könnten Aufklärung bringen. Sarah Harrison ist Investigativjournalistin und sie hat dem NSA-Aufdecker Edward Snowden in Moskau derart beigestanden, dass sich auch die "Vogue" für die Machenschaften der NSA und für die Arbeit Sarah Harrisons interessiert: "How a Snowdenista Kept the NSA Leaker Hidden in a Moscow Airport". Harrison ist heute eine der verbliebenen Mitarbeiterinnen von WikiLeaks.
Sunshine Press Productions
Was geht überhaupt noch im Hause WikiLeaks? Mitten in der heißen Phase des Wahlkampfs in den USA um die nächste Präsidentschaft teasert Julian Assange, es werde weitere Enthüllungen zur Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton sowie auch zum Konzern Google geben. Julian Assange sitzt in der ecuadorianischen Botschaft in London, weil er nicht in Schweden Stellung zu den Vorwürfen des Verdachts sexueller Nötigung in mehreren Fällen und einem Fall minder schwerer Vergewaltigung aussagen will. Seine Bewachung kostete die Briten ab Juni 2012 bis Oktober 2015 über 16 Millionen Euro, letzten Oktober wurden die Wachpersonen reduziert. Inzwischen hat Assange auch eine Katze und einen eigenen Twitteraccount für diese. Zugegeben, was die Katze so macht, ist inzwischen wohl bekannter als die aktuellen Aktivitäten der Enthüllungsplattform WikiLeaks, die der Australier Julian Assagen im Oktober vor zehn Jahren begründete.
Doch jetzt will WikiLeaks wieder mitmischen, könnte man unterstellen. Nachdem Medienpartner nach der Veröffentlichung von Leaks Assange und seinen wechselnden MitstreiterInnen die Zusammenarbeit aufkündigten, müsste man das von WikiLeaks öffentlich gemachte Material selber durcharbeiten. Auf der Website WikiLeaks wird einem das mittlerweile recht zugänglich präsentiert, so kann man dort geleakte Emails an und von Hillary Clinton sowie jene der türkischen Partei AKP nach Schlagworten durchsuchen, eine April-2016er-Fassung des TTIP-Entwurfs lesen und die gewalttätigen Praktiken der USA an Inhaftierten im Detail studieren. Wie diese Fülle an großteils komplett unaufbereiteten Daten und Informationen bewältigen?
Samstag, 22. Oktober
Umso größer ist die Vorfreude auf den Besuch Sarah Harrisons beim Elevate. Die britische Investigativjournalistin, Assange-Vertraute, WikiLeaks-Mitarbeiterin und Whistleblower-Unterstützerin wird an der Eröffnung des Elevate teilnehmen und den Samstag prägen. "Outstanding Activism" heißt die Gesprächsrunde und neben Sarah Harrison wird die in deutschen Datenschutz-Aktivistenkreisen hoch geschätzte Katharina Nocun ihr Wissen teilen. Auf ihrem Blog kattascha.de bezieht die Campaignerin und Ökonomin zu Gesetzesentwürfen, Rechtspopulismus und Lobbyismus Stellung. Ebenso dabei ist Ksenia Ermoshina, Philosophie-PhD-Studierende und seit einigen Jahren Gast des Elevate Festivals, wo die in Paris lebende gebürtige Russin mehrfach Widerstandsaktionen russischer KünstlerInnen zusammenfasst.
Und wer kommt zum Block "Rethink Europe 1 - 4"?
Katharina Nocun wird auch den gewichtigen Programmblock "Rethink Europe" am Samstag, 22. Oktober, mitbestimmen. In vier Einheiten soll mit den Diskursgästen wie zum Beispiel der deutschen Politikwissenschafterlin Birgit Mahnkopf und dem kroatischen Philosophen Srećko Horvat verhandelt werden, was tagtäglich die Schlagzeilen bestimmt: Die Sessions tragen die Überschriften "Die extreme Rechte in Europa", "Sozial-ökologische Perspektiven für Europa: Jenseits von Wachstum und Kapitalismus", "Demokratie in Europa" und nicht zuletzt "Europäische Klimapolitik und zivilgesellschaftliche Interventionen".
BG Vice Jesen
Freitag, 21. Oktober
Blockchain-Technologie? Was ist das? Burstup erklärt sie hier
Da das Elevate seit diesem Jahr Teil eines europäischen Festivalnetzwerks namens We Are Europe ist, prägen Partnerfestivals auch das Programm. Die c/o pop aus Köln - in Person Ralph H. Christoph - bringt das Panel "Fair Trade Music" und damit das für Musikschaffende leidige Thema der tatsächlichen Bezahlung ihrer Arbeit auf das Podium. Die Blockchain-Technologie wird dort als vielversprechendes Mittel zum Zweck genauer besprochen werden. Der Webentwickler, DJ und Musikproduzent Peter Harris und die Betreiberin einer eigenen Kommunikationsagentur, Sandra Passaro, reden dort mit.
Die "kapitalistische Produktivität" wird bei der Gesprächsrunde am Freitagabend der große Diskussionspunkt, um nicht zu sagen des Pudels Kern: "Cultural Enterpreneurship?"
Die Kulturanthropologin und Musikjournalistin Bianca Ludewig befragt dazu u.a. Adrienne Goehler, eine deutsche Aktivistin für das bedingunglose Grundeinkommen, den Franzosen Fabrice Starzinskas aus der Branche Marketing und die freischaffende Kulturjournalistin und Kuratorin Shilla Strelka. Somit könnte es am diesjährigen Elevate auch kontrovers zugehen, was dem Diskursprogramm recht gut täte.
Verflogen ist längst die Euphorie über Ereignisse, die inzwischen Kapitel in Geschichtsbüchern sind: "Fünf Jahre nach dem Arabischen Frühling" heißt das Panel, das vom Elevate-Partnerfestival European Lab aus Lyon gestaltet wird. Der Untertitel lautet: "Die Neu-Definierung der Zusammenarbeit von Europa und den Mittelmeerländern". Boom. Eineinhalb Stunden Zeit für Meryl Laurent, diese Zeile mit ihren Podiumsgästen wie der Menschenrechtsaktivistin Hind Touissate anzureißen.
Sonntag, 23. Oktober
Gemütlich ist es im Forum Stadtpark meistens, am Sonntag wird ein ungemütlicher Film gezeigt: In "The Brussels Business" lernt man LobbyistInnen kennen. Der Regisseur Friedrich Moser hat sich nach "A Good American", der eher langatmigen Doku über den US-amerikanischen Geheimdienst NSA und dessen KritikerInnen, ins Machtzentrum der Europäischen Union aufgemacht.
Verbale Schlagfertigkeiten wären angesichts so mancher Kommentare angebracht, allen voran in Social Media-Kreisen. Bevor das Elevate 2016 am 23. Oktober zu Ende gehen wird, erklären die Journalistinnen Ingrid Brodnig und Hanna Herbst, die Sozialpsychologin Pia Lamberty und
Katharina Nocun Strategien gegen diese verbalen Übergriffe.
Elevate Festival
Nach dem Elevate ist vor dem Festival: Bereits auf die kommende Spezialausgabe folgt im Frühling 2017 ein weiteres Elevate Festival.