Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. Extra Edition, 06-10-16. "

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

6. 10. 2016 - 23:48

The daily Blumenau. Extra Edition, 06-10-16.

Von der Qual des Aufbäumens, falscher Zufriedenheit, einer vertrödelten Chance und dem Spiel des Kevin Wimmer. Kritische Review von Österreich - Wales. #AUTWAL

#fußballjournal16

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Der ÖFB-Kader

Tor: Robert Almer (Austria), Ramazan Özcan (Bayer Leverkusen/D), Andreas Lukse (Altach). Auf Abruf: Heinz Lindner (Eintracht Frankfurt/D).

Abwehr: Florian Klein (VfB Stuttgart/D), Aleksandar Dragovic (Leverkusen/D), Sebastian Prödl (Watford/ ENG), Kevin Wimmer (Tottenham/ENG),
Martin Hinteregger (Augsburg/D), Markus Suttner (Ingolstadt/D), Valentino Lazaro, Stefan Stangl (RB Salzburg). Auf Abruf: Andreas Lienhart (Altach), Michael Madl (Fulham/ENG), Stefan Lainer, Andreas Ulmer (RB Salzburg).

Mittelfeld: David Alaba (Bayern München/D), Julian Baumgartlinger (Leverkusen/D), Stefan Ilsanker, Marcel Sabitzer (RB Leipzig/D), Alessandro Schöpf (Schalke/D), Zlatko Junuzovic (Werder Bremen/D), Marko Arnautovic (Stoke/ENG), Louis Schaub (Rapid). Nachnominiert für den verletzten Martin Harnik (Hannover/D) wurde Deni Alar (Sturm). Auf Abruf: Stefan Schwab (Rapid), Guido Burgstaller (Nürnberg/D), Jakob Jantscher (Rizespor/TUR), Florian Kainz (Werder Bremen/D).

Angriff: Marc Janko (Basel/SUI), Lukas Hinterseer (Ingolstadt/D), Michael Gregoritsch (Hamburger SV/D). Auf Abruf: Karim Onisiwo (Mainz/D).

Angeschlagen und nicht nominiert ist Rubin Okotie (Beijing EG/CHN). Auf Abruf und gleichzeitig bei der U21 sind Daniel Bachmann (Stoke /ENG), Philipp Lienhart (Real/ESP) und Florian Grillitsch (Werder Bremen/D).

Rücktritt: Christian Fuchs (Leicester City/ENG).
Am Altenteil: Alexander Manninger (Liverpool/ ENG), Michael Gspurning, Emanuel Pogatetz (Union Berlin/D), Andreas Ivanschitz (Seattle/USA), Christoph Leitgeb (RB Salzburg), Veli Kavlak (Besiktas/TUR) und György Garics (aktuell vereinslos).

Unangefragt: Moritz Leitner (Lazio/ITA), Jonathan Schmid (Augsburg/D) und Ashley Barnes (Burnley/ ENG). Neu beim Kosovo: Sinan Bytyqi (Go Ahead Eagles/NED) - es könnten Adthe Nuhiu (Sheffield Wed/ENG) und Ylli Sallahi (Karlsruhe/D) folgen -, bei Liechtenstein: Marcel Büchel (Empoli/ITA), bei Kroatien: Marin Leovac (PAOK/GRE), bei Bosnien: Anel Hadzic (Videoton/ HUN) und jetzt neu bei Australien: der in Wien geborene James Jeggo (Sturm). Angeboten hat sich der Schweizer Rechts-verteidiger Moritz Bauer (Rubin Kasan/RUS)

Verletzt sind Georg Margreitter (Nürnberg/D), Philipp Schobesberger (Rapid).

In Kader-Reichweite befinden sich noch Jörg Siebenhandl (Würzburg/D), Marco Knaller (Sand-hausen/D), Christopher Trimmel (Union Berlin/D), Christopher Dibon (Rapid), Lukas Spendlhofer (Sturm), Robert Gucher (Frosinone/ ITA), Muhammed Ildiz (Gaziantepspor/TUR), Alexander Gorgon (Rijeka/ CRO), Kevin Stöger (Bochum/D), Michael Liendl (1860/D), Robert Zulj (Fürth/D), Andreas Weimann (Derby County/ ENG), Marco Djuricin (Ferencváros/ HUN), Philipp Hosiner (Union Berlin/D), Martin Pusic (Midtjylland/ DEN), Erwin Hoffer (Karlsruhe/D), Darko Bodul (Perm/RUS) uam

--------------

Chris Colemans Nominees:

Tor: Wayne Hennessey (Crystal Palace), Danny Ward (Huddersfield), Owain Fon Williams (Inverness/SCO)

Abwehr: Chris Gunter (Reading), Ashley Williams (Everton), James Chester (Aston Villa), James Collins (West Ham), Ashley Richards (Cardiff), Ben Davies (Tottenham), Neil Taylor (Swansea), Paul Dummett (Newcastle).

Mittelfeld: Joe Allen (Stoke), Joe Ledley (Crystal Palace), Emyr Huws (Cardiff), Andy King (Leicester), David Edwards (Wolverhampton), Shaun MacDonald (Wigan), David Cotterill (Birmingham), Tom Lawrence (Ipswich).

Angriff: Gareth Bale (Real Madrid/SPA), Hal Robson-Kanu (West Bromwich), Sam Vokes (Burnley). Verletzt absagen musste Simon Church (Roda Kerkrade/NED), nachnominiert wurde Newcomer Tom Bradshaw (Barnsley).

Verletzt ist Aaron Ramsey (Arsenal), zurückgetreten ist David Vaughan (Nottingham). Vom Euro-Kader nimmer dabei sind Jonathan Williams (Ipswich) und George Williams (MK Dons). Die jetzt neu nominierten Dummett, Huws, Lawrence waren da auf Abruf. Richtig neu sind nur (der erwartete) MacDonald und Nachrücker Bradshaw.

Out: Boaz Myhill (West Bromwich); Adam Henley (Blackburn), Adam Matthews (Bristol City); Wes Burns (Aberdeen/ SCO), Lloyd Isgrove (Southampton), Andrew Crofts (Charlton), Joel Lynch (QPR), Lee Evans (Wolverhampton), Craig Morgan, Craig Davies (Wigan), Steve Morison (Millwall), Declan John (Cardiff), Jordan Williams, Harry Wilson (Liverpool) uam...

1

Dieses Remis birgt eine Menge an Geschichten. Die von der Unbeirrbarkeit des walisischen Selbstverständnisses, die von Marcel Kollers Königsidee mit Kevin Wimmer, die vom zweimaligen Zurückkommen, Nicht-Aufgeben und Aufbäumen, die von der vorschnellen Zufriedenheit, die vom Match der linken Seite, vom Match Wimmers und Arnautovics und dann noch die Geschichte vom Vergleich mit dem Schweden-Heimspiel von 2014.

2

Aber von Anfang an.
Österreich im alten System, dem 4-2-3-1/4-4-1-1-Hybrid, mit den klassischen Varianten im Defensiv-Spiel (man verteidigt/presst im 4-4-2) und der Offensive (man greift mit 2-4-4 an).

1 R. Almer (58. 23 Özcan); 17 Klein, 3 Dragovic, 4 Hinteregger, 5 K. Wimmer; 14 Baumgartlinger (K), 8 Alaba; 9 Sabitzer, 10 Junuzovic (79. 18 A. Schöpf) , 7 Arnautovic (87. 16 Schaub); 21 Janko

3

Österreich kommt mit einer Überraschung: mit Kevin Wimmer als Linksverteidiger. Das ist eine Königsidee, die Marcel Koller da aus dem Hut gezaubert hat. Ich ziehe sämtliche selbige. Diese Lösung ist so offensichtlich unoffensichtlich, dass es staubt. Wimmer ist ein Linksfuß, körperlich stark, taktisch gut und divers (Deutschland und England) ausgebildet, und verfügt auch über eine Idee/Vision von Offensivdrang.

Ihn bis dato nicht für diese Rolle auf dem Schirm gehabt zu haben, nur weil er's noch nie gemacht hat (im Gegensatz zum ebenfalls linken Hinteregger, der genauso als kantiger Pfosten rüberkommt), ist eine Schande.

Wimmer wurde auch von Beginn an deutlich mehr ins Spiel eingebunden, bekam teamintern auch deutlich mehr körpersprachliche Akzeptanz als sein Kurzzeitvorgänger Suttner. Wimmer harmonierte mit Arnautovic auf der linken Achse, mit den Kollegen Hinteregger und Dragovic sowieso, mit Baumgartlinger als seinem Mann im Zentrum, zudem war er eine zusätliche Kopfball-Option bei den Cornern - besser geht's nicht. Dass Wimmer beim ersten Tor ein Duell nicht gewann und beim zweiten Tor angeschossen wurde, wird ihm bei den Oberflächen-Medien der populistischen Gefühligkeiten schwache Noten einbringen - Marcel Koller aber wird wissen, dass er sich hier eine potentielle Dauerlösung erworben hat. Die ihm auch die künftige Nominierung eines dritten Alibi-Linksverteidigers erspart.

4

Wales fand keinen Grund sich konkret auf den Gegner einzustellen, sondern wollte mit einer guten Standard-Leistung in die Partie gehen, nominierte also das seit der Euro bekannte 5-3-2, mit Bale als linker Spitze.
1 Hennessey; 2 Gunter, 5 Chester, 6 A. Williams (K), 4. B. Davies, 3 N. Taylor; 8 A. King, 7 Allen, 16 Ledley; 18 Vokes, 11 Bale.

In der Phase nach den beiden verletzungsbedingten Wechseln (Allen resp Almer mussten runter) stellte Coleman dann auf das 4-4-2 (mit Taylor links im Mittelfeld) um, das ich in der Preview zum Match als Möglichkeit angenommen hatte:

1 Hennessey; 2 Gunter, 5 Chester, 6 A. Williams (K), 4. B. Davies; 8 A. King, 14 Edwards (ab 56.), 16 Ledley, 3 N. Taylor (91. 10 Huws); 18 Vokes (77. 9 Robson-Kanu), 11 Bale.

5

Eine besondere Erwähnung bekommen in diesem Zusammenhang jene österreichischen Sportmedien, die blind eine wohl per Agentur übernommene walisische Grundaufstellung angegeben hatten, in der Ashley Williams als halblinker Innenverteidiger und nicht als zentraler Mann (früher hätte man gesagt: Libero) angeführt wurde - also praktisch alle. Als ob die gesamte Sportjournalistik dieses Landes kein Euro-Match von Wales gesehen hätte.

6

Ganz wichtig war die gutklassige Anfangsphase, nach der die Waliser den Gegner als ein Team auf Augenhöhe respektierte. Dieses frühe Dagegenhalten führte wohl auch dazu, dass sich Colemans Team noch mehr als geplant auf die Standards (zu denen auch die Bale-Einwürfe gehörten) konzentrierte und nicht zum gefürchteten Umschalt-Walzen-Monster wurde. Was Österreich in den beiden Phasen nach den Rückständen letztlich das Leben rettete.

Interessanterweise war es auch ein quasi einstudierter Standard, der das ÖFB-Team das erste Mal (zum 1:1) zurückbrachte: Alaba lupft auf den in den Strafraum sprintenden Arnautovic - dieser Spielzug war es, den Koller (neben der Wimmer-Einschulung) in den beiden Trainingstagen üben ließ.

7

Auf diesen Ausgleich folgte dann die deutlich beste Phase der Österreicher: eine Viertelstunde lang baute man sich systematisch eine Überlegenheit auf, aus der sich nur wegen einiger Ungenauigkeiten kein Kapital schlagen ließ. Diese best practice-Phase endete abrupt und brutal: mit der Führung in der Nachspielzeit. Das Tor von Chester (nach Einwurf Bale und Kopf-Vorlage Vokes) als Eigentor zu klassifizieren und als Fehler/Pech abzutun, wäre ein dummer Fehler - es war vielmehr geradezu klassisch herausgespielt, wie auch das 0:1 über links, über Bale, nach einem Cross- und einem Kopfball.

Von Glück/Pech und dem Ausnützen eines Fehlers konnte man ausschließlich beim Ausgleich zum 2:2 sprechen: wie Arnautovic da aber den Fehlrückpaß von Allen nützte, zeigte Entschlossenheit.

8

Entschlossenheit, die danach fehlte. Österreich setzte nur ein paar Minuten lang nach. Dann, auch wegen der erwähnten Doppelverletzung und der Wechsel, brach der Rhythmus und es folgte eine Spielphase der Nachdrucklosigkeit und vorzeitig-falschen Zufriedenheit. Zwischen Minute 60 und Minute 78 (bis zur verspäteten Schöpf-Einwechslung) vertrödelte das ÖFB-Team das Spiel und gab so zwei in Reichweite befindliche Punkte her.

9

Das hat mehrere Gründe.
Zum einen wieder einmal Kollers Zögerlichkeit: er kann sich nicht entscheiden den angeschlagenen Almer in der Kabine zu lassen und riskiert lieber einen zeitfressenden On-Pitch-Wechsel samt quasi-automatisierten Bruch im Spiel. Und er kann sich nicht dazu durchringen, den in seinem Kopf vorgeplanten (und theoretisch richtigen) Wechsel von Junuzovic - Schöpf vorzuziehen und der Leistungspraxis auf dem Feld Rechnung zu tragen und stattdessen Sabitzer runterzunehmen. Schöpf hatte zuletzt als Rechtsaußen bei Schalke exzellente Figur gemacht.

Zum anderen ließ man sich durch die Zufriedenheit der Waliser anstecken, denen das Auswärts-Remis durchaus zurecht kam. Da sich die sowieso defensiv superstehende Mannschaft durch ihre Umstellung aufs 4-4-2 als noch unüberwindbarer hingestellt hatte, war es psychologisch logisch sich der Illusion, eh keine Chance auf die Entscheidung zu haben, hinzugeben. Die Körpersprache von zb Alaba in dieser Spielphase war eindeutig. Und zwar eindeutig zu wenig gewinnorientiert.

Und selbstverständlich fehlte den Österreichern - auch wie immer, und auch wegen Kollers Weigerung sich derlei anzutun - in der Schlussphase der entscheidende Boost, die gewiefte Umstellung, die Illusion eines Plan B, der die letzten Minuten Extra-Kräfte verleiht.

10

Kein Wunder, dass die Reaktionen nach dem Spiel sich auf die satte, falsche Zufriedenheit, die in der 2. Halbzeit schon Einzug hielt, zurückzogen. Und das erinnert mich stark an den Start der EM-Quali im Herbst 2014. Dort war es das Match gegen die Gruppen-Favoriten Schweden, das mit einem höchst überflüssig aus der Hand gegebenen, vertrödelten Remis endete.

Ich erinnere mich gut, weil ich innerlich vor Wut geschäumt habe. Es war damals noch nicht abzusehen, dass es den historischen Quali-Lauf geben würde, und dieser Punkteverlust der einzige bleiben sollte. Mein Ärger war weniger durch den Spielverlauf als den Umgang damit und das Gerede danach entstanden.

Sich hinzustellen und eine vergebene Chance schönzureden, das gilt meiner Ansicht nur dann, wenn man's wirklich probiert hat und nicht dann, wenn man sich schon während des Spiels hat einlullen lassen und die Möglichkeiten, die da gewesen wären, nicht einmal angegangen ist.

Zudem ist die rein rechnerische Chance, dass dem ÖFB-Team auch bei dieser Campaign wieder ein Durchmarsch ohne Niederlage gelingt, eher gering.

11

Zum Positiven: Wales und Gareth Bale und Chris Coleman, und das ist nicht irgendwer, sieht Österreich immerhin auf Augenhöhe und ist mit einem Auswärts-Unentschieden zufrieden (was im Gegensatz zur ÖFB-Reaktion einen unbedingten Heimsieg voraussetzt).
Das hat damit zu tun, dass sich Österreich diesen Respekt in diesem Match erarbeitet hat, spielerisch und körperlich.

Und: einer von zumindest zwei Punkten, die ein Absinken ins mediale Dauer-Gefurze verhindern werden, ist erreicht.

Außerdem: Kevin Wimmer.