Erstellt am: 5. 10. 2016 - 14:07 Uhr
Humanistische Ziegen
Mit Akzent
Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharov und sein satirischer Blick auf das Zeitgeschehen - jeden Mittwoch in FM4 Connected und als Podcast.
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Die am meisten verbreitete Tierart in Österreich ist neuerdings die Ziege. Ihr habt sicherlich die Werbebanner einer Bank gesehen, wo junge Menschen mit Ziegen um die Schultern freundlich lächeln. Die Bank verspricht, für jedes neu eröffnete Studentenkonto eine Ziege für Afrika zu spenden. Diese Ziege, so erzählt man uns in der Werbung, wird einer afrikanischen Familie die Chance zum wirtschaftlichen Aufschwung geben. Man kann auf der Bank-Homepage mehr darüber lesen. Die Ziegen werden an das Land Burundi gespendet.
Burundi belegt eines der letzten Plätze weltweit nach dem so genannten Human Development Index und ist jenes Land der Welt, in dem die meisten Menschen hungern müssen (ungefähr 40% der ständig wachsenden Bevölkerung). Man weiß auch, dass ein Großteil der Bevölkerung Burundis nach einem Weg sucht, ihr Heimatland zu verlassen.
Die Idee der Bank, jedem Burundier einer Ziege zu spenden ist eigentlich noch humanistischer, da sie dadurch Menschenleben rettet. Wenn sie kleine süße Ziegen besitzen, werden die jungen Burundier nicht zur lebensgefährlichen Überfahrt über das Mittelmeer aufbrechen und ertrinken. Studentenkontos bringen mehr Ziegen. Und Ziegen retten Menschenleben.
Ich war diesen Sommer auf einer griechischen Insel und war verwundert, wie viele Ziegen es dort gibt. Vielleicht ist jemand von der Bank bereits auf die Idee gekommen, aber man könnte es so machen: Man könnte Ziegen aus Griechenland kaufen und nach Burundi schicken. So hilft man der kriselnden griechischen Wirtschaft mit einem Massenexport von Ziegen und wird noch menschenfreundlicher. Die "Ziege für Afrika"-Kampagne könnte sehr gut für die europäische Wirtschaft sein.
Ich weiß nicht, ob ihr einmal große Herden von Ziegen gesehen habt, aber man muss wissen, dass Ziegen ziemlich schlecht riechen. Auf der Fähre, mit der wir zu der griechischen Insel gefahren sind, gab es einen ganzen Laster voll Ziegen und alle sind so weit wie möglich davon weggerannt. Niemand ist auf der Idee gekommen, eine Ziege auf seiner Schulter zu tragen. Vielleicht wissen nur die zukünftigen Studenten in Österreich, wie schlecht Ziegen riechen. Geld dafür stinkt nicht.
Ich habe diesen Sommer in Sofia einen Menschen aus Burundi kennengelernt. Jaques war übers Meer geflüchtet und war in Bulgarien gestrandet. Er arbeitete im Call Center einer großen französischen Firma. Jaques sprach nicht schlecht Bulgarisch und erzählte mir, dass es nicht versteht, warum sich die Bulgaren beschweren, dass sie schlecht leben. Für ihn war Bulgarien ein wunderschöner Ort ohne Bürgerkrieg. Freunde von mir sagten mir, dass Jaques seit Kurzem verschwunden ist. Er wurde nach Burundi abgeschoben. Die Lage dort habe sich verbessert und er hatte keinen Anspruch auf Asyl mehr. Vielleicht bekommt er jetzt eine Ziege.