Erstellt am: 10. 10. 2016 - 09:19 Uhr
My heart, my body, my music
Zehn Jahre lang macht die junge, amerikanische Alternative R'n'B-Künstlerin Jillian Rose Banks, kurz BANKS, schon Musik. Sie bringt sich das Klavierspielen zunächst auf einem geschenkten Piano selbst bei. Eine Freundin bringt sie dazu, einen Song, es ist "Before I ever met you", auf Youtube hochzuladen. Kurz darauf klopfen die Labels Good Years (UK) und Harvest Records (US) an die Tür.
GR Divinagracia & Miranda Pedro
My dad, he listened to a lot of different stuff, he widened my horizon at a young age. He listened to Peter Gabriel and Crash Test Dummies and a lot of stuff I feel like most younger kids wouldn’t be exposed to – so, I was pretty lucky that way.
Aufgewachsen in den CD-Jahrzehnten der 80er und 90er Jahre, hat sie schnell vor allem PJ Harvey und Fiona Apple für sich entdeckt.
I don’t know if I could choose a favorite, I just love honesty in music and when I feel that, I just would go through different stages of being addicted to a certain voice.
Ohne den Gedanken daran, Musik zu ihrem Brotberuf zu machen, inskribiert Jillian Banks zunächst an der Uni, Hauptfach Psychologie. Sie beschreibt sich selbst als sehr intuitive Person; ihre Faszination für zwischenmenschliche Beziehungen, wie sie funktionieren - und wieso oft nicht -, war früh entfacht. Ähnlich schwierig wie die Definition oder Erklärung sozialer Konstrukte sind die Gefühle, die sie ihrer Musik gegenüber hegt. Sie sind, mehr oder weniger, unbeschreiblich.
You’re just attracted to certain emotions and vibes, by thick base or by lot of reverb on a certain voice. You gotta figure out what it is that fits with you.
Mit Vorschusslorbeeren von Pharrell Williams in der Tasche veröffentlicht die Künstlerin 2014 ihr Debütalbum "Goddess". R’n’B-Amerika freut sich auf frischen Wind, die zuvor veröffentlichte EP "Fall Over" war vielversprechend. Aber: trotz rasch wachsender Fanbase, einer Tour mit The Weeknd und Auftritten weltweit – unter anderem am riesigen Newhipster-Festivalhotspot Coachella – blieb der vorhergesagte bombastische Durchbruch aus.
Wenn vom nebulösen Genre Future Soul die Rede war, wurde neben FKA Twigs trotzdem immer wieder der Name BANKS genannt. Mit ihrem zweiten Album "The Altar" stellt BANKS nicht so sehr ihre Soundstrukturen als vielmehr ihre persönliche Herangehensweise an ihre Texte, an ihre Musik auf den Prüfstand. Beeinflusst auch durch Produzenten wie SOHN, Al Shux und Tim Anderson, die BANKS auch bei ihrem zweiten Album unterstützt haben. It’s a very intimate thing, making music. You have to feel trusting and you have to feel like you’re in an environment where you can totally freak out.
Aufgenommen wurde es diesmal in L.A., nicht in London. Sprich: zuhause.
It feels empowering. Really empowering. It reflects a lot of work that I have done over the last ten years – mentally – I feel like I put it into this album and so it reflects me in my current form, in my strongest form.
BANKS
BANKS hat immer ihre eigenen Songs, Melodien und Texte geschrieben. Im Mittelpunkt von "The Altar" steht das Songwriting und an allererster Stelle ihre Stimme. I wanted my voice to be out in the front a little bit more, that’s the main difference.
Im Studio will die Musikerin die Kontrolle nicht abgeben: mein Herz, meine Musik. Wenn es jemand nicht schafft, die Vision, die sie sich als ihre vorstellt, umzusetzen, sucht sie eben nach dem, der es kann. Keine Kompromisse mehr.
Even if someone says: "You’re wrong!", I gotta tell him: "No, I’m right." This is my music, my video, my face. That was hard to learn but an adjustment for me.
Besonders stolz ist die junge Künstlerin auf ihre persönliche Entwicklung. Sie schreckt nicht davor zurück, offen über ihre Depressionen zu sprechen, die sie unter anderem im ambivalenten Song und dazugehörigen abschreckend-faszinierenden Video zu "Fuck With Myself" zur Schau stellt. Anders als vielleicht gedacht geht es nicht um BANKS' Sexleben, sondern vielmehr um die exakte Übersetzung: mit der Phrase "fuck with myself" ist Selbstgeißelung gemeint. Und im Fall von BANKS vor allem Selbstgeißelung psychischer Art.
I had times where I beat myself up mentally, was my own harshest critic. Where I actually would have needed to be my nurturer, mother, best friend, biggest supporter.
"Fuck With Myself" hat BANKS geschrieben, weil sie sich beweisen wollte, selbst ihre beste Freundin zu sein. Das Video zeigt sie doppelt: Das Alter Ego mit kahlgeschorenem Kopf, während das zweite Ich auf diesen einprügelt, ihn küsst, ihn streichelt. Sie will physisch zeigen, was sie sich teilweise psychisch selbst angetan hat. Augenöffnend, so beschreibt sie die Situation, als sie das Video selbst zum ersten Mal gesehen hat.
Auf "The Altar" riskiert BANKS ihre Stimme, überhöht sie, näselt. Und dann holt sie sie sich wieder zurück, presst sie, nimmt ihr die Luft. Sie experimentiert mit dem analogsten Instrument, das es gibt. Das führt zu machmal fast eklektisch-schmerzhaften Ergebnissen (Poltergeist), genauso aber zu fast unerwarteten Gitarren- oder Pianoballaden (Mother Earth, To The Hilt).
Harvest Records
Es wird mit früheren Beziehungen abgerechnet: To think you would get me to the altar / Like I’d follow you around like a dog that needs water (Gemini Feed), aber auch zerbrechend ehrlich geklagt: Hated you for walking out / I blew up and you were gone / So they say it’s the industry / But I miss you on my team (To the hilt).
Getrieben von scheppernden Hi Hats, 90ies-R’n’B, von düsterer, elektronischer Untermalung und verschleppt-zuckenden Beats. Lady Gaga wäre sicher neidisch auf die visuelle Umsetzung, auf die spannend-schrägen, superartsy Videos. Und wohl auch auf die ungeschönten – und deshalb umso großartigeren – Pressefotos.
"The Altar" ähnelt BANKS‘ Debutalbum "Goddess", es fühlt sich aber so an, als steckte da jetzt eine Künstlerin dahinter, die sich auf ihren neu ausgesuchten Weg erst vorbereitet. Die eine variable, facettenreiche Grundlage vor sich ausgebreitet hat und die Krallen für die Richtung schärft, für die sie sich noch entscheiden wird.
Metamorphose im Frühstadium.