Erstellt am: 30. 9. 2016 - 16:09 Uhr
Die erste eigene Wohnung
Aufnahmezentren, Massenquartiere und im schlimmsten Fall Obdachlosigkeit. Die Wohnsituation vieler Asylsuchender ändert sich ständig und ist oft prekär. Besonders für frisch angekommene Flüchtlinge kann die Wohnungssuche in Österreich zu einer großen Hürde werden. Mieten, Kautionen und Provisionen sind teuer, aber auch wenn das Geld da ist, scheitert es oft an den Vorurteilen der Eigentümer die ihre Wohnungen nicht an Flüchtlinge vermieten wollen.
Husseyin, Majid, Muhammad Ali, Shahid und Masken sind letztes Jahr in Österreich angekommen. Als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben sie einen Platz im Georg-Danzer-Haus in Stockerau bekommen. Dort leben asylsuchende Jugendliche, allerdings nur solange sie nicht volljährig sind. Da die fünf Jungs dieses Jahr 18 geworden sind, sind jetzt aus dem Haus ausgezogen und teilen sich ihre erste WG.
Ali Cem Deniz/Radio FM4
Es ist eine helle Altbauwohnung mit drei Zimmern und hohen Decken. Majid gibt mir eine kurze Führung. Im Schlafzimmer stehen zwei Stockbetten und zwei normale Betten. Derzeit ist es eine 5er-WG, doch das sechste Bett steht bereit. Im Wohnzimmer stehen eine große Couch und ein Tisch. Die Einrichtung ist noch ein bisschen spartanisch, aber die Jungs haben fast alles, was sie brauchen. Die Sessel sind bestellt, aber noch nicht da.
„In der Küche haben wir schon alles. Kühlschrank, Spülmaschine, Besteck, Tassen und Lebensmittel“ sagt Majid bei einer kurzen Führung durch die Wohnung. In der Küche bereitet Muhammad Ali das Frühstück vor. Omelette mit Tomatensauce. „15-20 Eier brauchen wir für das Frühstück“ sagt Majid.
Ali Cem Deniz/Radio FM4
Selbstständig, aber nicht allein
Die Jugendlichen teilen nicht nur die Wohnung, sondern fast den gesamten Alltag. „Wir stehen um 8 auf und müssen um 10 in Stockerau sein“ sagt Majid. Dort gibt es seit kurzem eine Schule, die vom Georg-Danzer-Haus und dem Verein „Unbegleitet“ aufgebaut wurde. Flüchtlinge über dem Pflichtschulalter können dort den Schulabschluss nachholen. Die Jungs besuchen alle die Schule in Stockerau.
Wenn sie in der Schule sind, sehen sie ihre minderjährigen Freunde, die weiterhin im Georg-Danzer-Haus leben. Im Alltag soll es aber keine großen Unterschiede geben, sagt Betreuer Kemal Köse: „Einer der bis jetzt 17 war, ist dann von einem Tag auf den anderen volljährig. Rechtlich ändert sich dadurch alles, aber im Grunde sind sie weiterhin unbegleitet und deshalb unterstützen wir sie.“ Besonders bei bürokratischen Hürden, die mit der Volljährigkeit größer werden, steht der Verein den Jugendlicher beiseite.
Ali Cem Deniz/Radio FM4
Dennoch sind die Jugendlichen jetzt selbstständiger. Da sie Asylwerber sind haben sie noch keinen Status in Österreich und sind in der Grundversorgung. Wöchentlich haben sie 42 Euro zur Verfügung. Der Verein "Unbeleitet" ein sogenanntes "Selbstversorgersystem" entwickelt und rundet das Geld auf 50 Euro auf. Mit diesem Geld müssen die Jugendlichen allein den Haushalt führen.
In guter Nachbarschaft
Die üblichen WG-Probleme haben die Jungs noch nicht – sie leben ja erst seit wenigen Tagen zusammen. Alle räumen auf, kochen und erledigen sonstige Aufgaben. Auch mit den Nachbarn gibt es keine Probleme. „Zu den österreichischen Nachbarn hatten wir noch nicht viel Kontakt, aber es gibt eine syrische Familie. Sie sind auch Flüchtlinge und mit ihnen haben wir schon geredet“ sagt Shahid. Wenn es Konflikte gibt, sollen sie die Jungs aber auch allein Lösungen finden, sagt Betreuer Kemal.
„Sie müssen langsam ihr Leben in Österreich starten. Dazu gehört das selbstständige Leben. Aller Anfang ist schwer, aber sie schaffen das. Sie machen das gut.“