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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

29. 9. 2016 - 14:35

Happily unhappy

Das kalifornische Musikerinnen-Duo Deap Vally ist eine vierbeinige Riff-Maschine, die ihresgleichen sucht. Deap Vally nennen ihr neues, zweites Album "Femejism".

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Deap Vally sind Lindsey Troy und Julie Edwards, zwei 'valley girls' aus Los Angeles. Wer aus dem 'Valley' kommt - gemeint ist damit das San Fernando Valley, eine urbane Gegend, die zu zwei Dritteln zu Los Angeles gehört - wird gern verspottet. Als wenig glamourös und einfach fernab vom Schuss gelten die BewohnerInnen. Julie Edwards von Deap Vally ist ein echtes 'valley girl', ihre Bandpartnerin Lindsey Troy kommt eigentlich aus San Diego, lebt aber schon lange genug in der Gegend, um als 'valley girl' durchzugehen. Man macht sich gern lustig über die 'valley kids', die am Wochenende zum Partymachen in die Stadt hineinfahren, erzählt Julie Edwards im FM4-Interview:

"The Valley is to L.A. what New Jersey is to New York. It´s the neighbourhood that you come from and people make fun of you for. Bridge and tunnel. So it was like the name of the band it´s like taking it back, instead of it being at some point of shame that you are from the lame suburb, you just represent it."

Im Song "Smile More", einer der Singles aus dem neuen Album, geht es um weitere mögliche 'points of shame'. Im Text heißt es da etwa: "A stranger in the bar tells me to smile more." Und dann "I am not ashamed of my body weight." Lindsey Troy trägt diese Zeilen vor mit ein wenig Courtney Love auf der Zunge. Neben ihrem Körpergewicht ist sie, so weiter im Songtext, 'not ashamed of my age". Außerdem ist Lindsey Troy "not ashamed that I´m no-one´s wife, though the idea does sound kind of nice." Her also mit einem reichen Mann, nun ja, erst einmal um dem 'Valley' zu entfliehen, und dann, um keine Sorgen mehr zu haben. Dass das alles nur vermeintlich so ist, ja, ja, ja, but hey, we´re in L.A. - oder auch sonstwo in den Staaten - auf dem neuen Album dieser vierbeinigen, weiblichen Riff-Maschine namens Deap Vally.

"Femejism" und "Sistrionix"

Albumcover US-Frauenduo Deap Vally : bunte Streifen längs und Titel drüber: "Femejism"

Cooking Vinyl/Sony Music

"Femejism" von Deap Vally, September 2016

"Femejism" nennen Lindsey Troy - sie singt und spielt Gitarre - und Julie Edwards - sie spielt Schlagzeug und singt - ihren neuen, zweiten Longplayer unter dem Bandnamen Deap Vally. Das erste Album der beiden Amerikannerinnen ist vor drei Jahren erschienen und hieß "Sistrionix" - eine Wortkombination aus 'sister' und 'histrionics', einem Wort für 'Schauspielkunst', aber auch für 'theatralisches Gehabe'. Nun, in "Femejism" steckt wieder das Weibliche. So wie etwa Angel Olsen, die ihr Album "My Woman" nennt, wollen Deap Vally dann aber in Interviews nicht weiter eingehen auf das Thema 'modern womanhood". Ist ja quasi eh alles in den Songs, wenn man auf die Texte hört. Und remember, there ain´t no gold at the end of the rainbow!

Albumcover US-Frauenduo Deap Vally 2013: Titel "Sistrionix". Zwei junge Frauen, blond und rote Haare, Kopf und Schulter sichtbar.

Island/Universal Music

"Sistrionix" von Deap Vally, Juli 2013

Über das Frausein in einer Rockband möchten Lindsey Troy und Julie Edwards einfach nimmer reden, sagen sie, genauso wie sie einfach nicht mehr über das Häkeln reden möchten. Na ja, übers Handarbeiten reden geht schon, sagt Julie Edwards, aber übers Frau-Sein in einer Band, da schmilzt unser Hirn, meint Lindsey Troy. Der Hintergrund ist dieser: Troy und Edwards lernten einander vor einigen Jahren bei einem Häkelkurs kennen, Edwards war die, die es konnte und es weitergab. Ach wie schade um die Fragen zur Nadelarbeit, etwa ob ihrer Meinung nach der jüngste Trend zur Heimeligkeit durch Handarbeit anhält oder ob die wie Schwammerl aus dem Boden geschossenen Wollgeschäfte samt Strick- und Häkelrunden schon wieder Schnee von gestern sind?

Riff Machines

Deap Vally

Koury Angelo

Aber macht nichts, bleiben wir bei der Musik: Ein gewisser Nick Zinner hat das neue Album der doch etwas unter ihrem Wert verkauften Deap Vally produziert. War in der ersten Album-Runde der Band noch Jack White ein berühmter Fan, so haben männliche Heavy-Rock-Duos wie etwa Royal Blood, Slaves oder DFA 1979 inzwischen die große Aufmerksamkeit, während Deap Vally die Plattenfirma wechselten und insgesamt etwas unter dem Radar blieben, obwohl die Formel ihres Debütalbums funktionierte: 'Das klingt wie Black Keys!'

Die beiden Musikerinnen erfinden sich auf "Femejism" nicht neu, aber insgesamt klingen sie nun etwas fein ziselierter und feinsinniger, auch wenn sie noch immer gern mal mit dem Schlagbohrer drüberfahren, wie etwa beim Song "Little Baby Beauty Queen", einem der Herzstücke des Albums, in dem es um das tragische amerikanische Mädchen JonBenet Ramsey geht.

If she could, what would she say?

"If she could what would she say?
If she could
If she could
Tied up in the basement Christmas Day."

Am Weihnachtstag vor nunmehr zwanzig Jahren wurde das Mädchen JonBenet Ramsey in seinem Kinderzimmer im Haus der Eltern in Denver, Colorado ermordet aufgefunden. Der Fall ist bis heute nicht geklärt. Das Mädchen mit den goldblonden Haaren und der Schminke einer erwachsenen Frau war eine Kinder-Schönheitskönigin; mit Cowboystiefelchen, Stetson am Kopf, Klitzerkleidchen und Mikro wie eine Countrysängerin, trat sie sie bei Bewerben an. Erst wurde die Mutter Patsy Ramsey verdächtigt, ihr Kind umgebracht zu haben, dann der vier Jahre ältere Bruder, und schließlich auch der Vater. Alle drei wurden schließlich jedoch für nicht schuldig befunden.

Kürzlich gab JonBenet Ramseys mittlerweile 29 Jahre alter Bruder ein erstes Interview für einen großen US-Talkshow-Host, der den jungen Mann als 'socially awkward' bezeichnet. Ja, es war der Bruder, sagen Deap Vally, die eine Art Obession für diesen höchst mysteriösen Mordfall haben. "Wir haben andauernd darüber gesprochen während unser Album entstanden ist, und dann dachten wir, warum nicht einen Song daraus machen?" Das Ergebis: Der Bruder ist der Täter. Na, hoffentlich wird der junge Mann nicht klagen.

"Ever since you were three
It was so much more than me
Pretty little living toy
To play with for a fucked up boy
You were six and I was ten
I need him to give avenge
You were six and I was ten
I would do it all again."

Aber auch die Mutter der Kinder-Schönheitskönigin bekommt in "Little Baby Beauty Queen" Fett ab - schuldig, ihre Tochter wie einen kleinen Tanzbären über die Bühnen der 'Beauty Pageants' für Kinder gezogen zu haben.

"Little Baby Beauty Queen" hört sich insgesamt ein wenig so an, als ob PJ Harvey auf die US-Frauenrockband L7 trifft. L7 waren in den späten '80er- und frühen '90er-Jahren als kalifornische Alternative-Band bekannt. Jennifer Finch, die Bassistin von L7, spielte später dann einmal kurz mit Courtney Love bei deren Band Hole.

Nick Zinner von der New Yorker Band The Yeah Yeah Yeahs war wie gesagt mit Deap Vally schließlich im Aufnahmestudio für ihr "Femejism"-Album. Lindsey Troy und Julie Edwards hatten ihn einmal auf Tour getroffen und man freundete sich an.

Weitere Highlights am neuen Album von "Deap Vally"

  • "Critic": Es geht weniger um 'fiese' MusikkritikerInnen als um Internet-Trolle und ihren Hass im Netz.
  • "Post Funk": Like Post-Punk, right?
  • "Julian": Who the fuck is Julian?
  • "Heart Is An Animal": Ja, das Herz ist wohl ein Tier, ein großes wildes Tier mit einem großen, weichen Herzen.

Lindsey Troy und Julie Edwards: "The Yeah Yeah Yeahs are one of our favourite bands. Originally they were just guitar and drums and vocals - like us, so Nick really understood the unique challenges of working with that limited instrumentation and getting the most out of it. He was really like an ideal collaborater for us. He would never, like, add a bass player or something like that. He´s easy to work with, very down to earth and he had a good ear for which of the songs we had written for the album were our best songs."

Ja, und morgen kommen Led Zeppelin in die Stadt, auf den Sunset Strip in L.A., Jimmy Page wird düstere Arbeit auf der Gitarre verrichten und der schöne Robert Plant wird sein goldenes Haar schütteln. Ooops, das war jetzt nur ein Traum, ein schöner Traum, in dem auch Deap Vally vorkamen, aber bitte, doch nicht als Pamela desBarres-artige 'I´m with the band'-Girls, sondern als echte 'valley girls', deren altes Auto am Weg in die Stadt im Tunnel steckengeblieben ist. Rock on, Deap Vally!