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Katharina Seidler

Raschelnde Buchseiten und ratternde Beats, von Glitzerkugeln und Laserlichtern: Geschichten aus der Discommunity.

5. 10. 2016 - 11:06

Clubmusik, Klangkunst und Weltverbesserung

Elevate Festival 2016 - Musik, der ihr Rundherum nicht egal ist.

Elevate Festival Logo 2016

Elevate Festival

Elevate Festival
Das Festival für elektronische Musik und politischen Diskurs findet von 20. bis 23. Oktober in Graz statt.

Das Elevate Festival ist dieses Jahr zum ersten Mal, man hat davon gehört, Teil der Festival-Kooperative We are Europe. Acht europäische Festivals vom katalanischen Sónar bis zum französischen Nuits Sonores oder dem serbischen Resonate Festival arbeiten hierbei gemeinsam an "today's ideas for tomorrow's culture"; man tauscht sich untereinander aus, kokuratiert gegenseitig Bühnen und fördert so unter anderem jeweils heimische Acts.

Saul Williams

Saul Williams

Der Spoken Word-Poet und Theoretiker Saul Williams wird beim Elevate 2016 sowohl als Speaker als auch als Live-Act auftreten.

Die Gegenwart und Zukunft Europas wird in der diesjährigen Ausgabe des Elevate Festivals auch im Diskursprogramm ein Hauptthema sein, wozu Kollegin Maria Motter an dieser Stelle einen wunderbaren Überblick erarbeitet hat. Gemeinsam soll im Rahmen von We are Europe jedenfalls die Vision einer Kultur entwickelt werden, die ihrer Umwelt und den politischen Umständen ihrer Zeit nicht gleichgültig gegenübersteht. Das gesamte Diskursprogramm ist bei freiem Eintritt im Forum Stadtpark zu besuchen.

Donnerstag

Dasselbe gilt ja seit jeher auch für das Musikprogramm des Elevate, das in diesem Jahr wieder einmal besonders fein austariert zwischen den Attributen fordernd, bewusstseinserweiternd und eingängig gelungen ist. "Tanzbare Clubmusik, experimentelle Klangkunst und Weltverbesserung", ein besseres Motto kann ein Festival irgendwie nicht haben.

You wanna catch a little glimpse of how the truth unfolds
You just dance, dance, dance
Tick, tick, explode

(Saul Williams - "Dance")

Donnerstag, 20.Oktober, Dom im Berg:

  • Saul Williams live (Fader Label/US)
  • Kaitlyn Aurelia Smith live (Western Vinyl/US)
  • Weval live (Kompakt/NL)
  • Koenig live (AT)
  • Attila (BonBon/AT)

Der Eröffnungsabend des Elevate Festivals, der mit der großen Opening Zeremonie beginnt und danach traditionell nur den Dom im Berg bespielt, steht dieses Jahr unter der Schirmherrschaft des Kölner c/o Pop Festivals. Mit Saul Williams wurde hierbei ein Headliner gefunden, der in seiner Kunst politisches Bewusstsein mit Groove verbindet; ein aktuelles Album namens "Martyr Loser King" hat er auch mit dabei. Davor kann man der amerikanischen Synthesizer-Zauberin Kaitlyn Aurelia Smith staunend dabei zusehen, wie sie ihrem Lieblingsinstrument, dem wunderhübschen Buchla Music Easel, außerweltliche Töne entlockt und daraus vielfarbige Popsongs formt.

Freitag

Freitag, 21.Oktober, Dom im Berg:

  • Mount Kimbie live (Warp Records/UK)
  • Lone live (R&S Records/UK)
  • Luke Vibert (Planet Mu, Ninja Tune/UK)
  • Cid Rim live (LuckyMe, Affine Records/AT)
  • Kompost 3 live (AT)
  • P.o.S. (Svetlana Industries/RS)
Mount Kimbie

Mount Kimbie

Dominic Maker und Kai Campos alias Mount Kimbie

Am Freitag darf die große Elevate-Bühne im Dom, an deren Lineup das Resonate Festival mitgearbeitet hat, den Namen Radio FM4 Stage tragen. Dies ist nur einer von vielen Gründen, sich den melodischen Post-Step von Dominic Maker und Kai Campos und ihres Projekts Mount Kimbie wieder verstärkt ins Bewusstsein zu rufen. Deren letzter Longplayer, das großartige "Cold Spring Fault Less Youth" inklusive einem der im Aufbau ungewöhnlichsten Popsongs der letzten Jahre, "Made to stray", liegt ja schon eine Weile zurück, aber für ihre aktuelle Tour versprechen die beiden Briten neues Material von ihrem kommenden Album, das offenbar bereits "ein eigenes Leben zu führen beginnt", was immer das in Bezug auf einen Releasetermin heißen mag. In ihrer Kombination aus aus Gitarre, Schlagzeug, Stimme und Laptop sind die Liveshows von Mount Kimbie immer eine Kreuzung aus Konzert und Clubact, was die Vorfreude umso größer macht.

Matt Cutler aka Lone

Lone

Lone

Unvergleichlich härter, aber keineswegs weniger melodisch geht es davor bei Matt Cutler zu, der unter seinem Alter Ego Lone seit zehn Jahren praktisch unermüdlich Platten auf renommierten Labels wie R&S oder Werk Discs herausbringt. Seine charakteristischen, fast schon new age-igen Synthesizerflächen und -melodien kombiniert er mit Beat-Reminiszenten an die Raves der neunziger Jahre und schafft es somit, Happy Hardcore gleichzeitig ätherisch, hochintellektuell und poppig zu machen, besonders in der Live-Variante gemeinsam mit einem Drummer und einem Visualisten.

Den Überblick über Vergangenheit und Gegenwart hat auch Luke Vibert, der auf eine mehr als zwanzigjährige Karriere zurückblickt. Ein umfassendes Luke Vibert-Portrait im Fact Mag zählte unlängst etwa 20 Alben, 50 EPs, acht Künstlernamen, über 100 Remixe und eine Handvoll Kollaborationen, während das Publikum bei Luke Viberts stoischem Boiler Room St. Petersburg-Set vor zwei Jahren, einem wilden Ritt durch Klassiker aus Acid, EBM, Jungle und Techno, leider zu großen Teilen dringender seine Haare in die Kamera schütteln musste.

Wen man in dieser Nacht sonst noch so auf der Dom im Berg-Bühne antreffen wird: Lucky Me- und Affine-Affiliate Cid Rim, der gerade das neue Album des südafrikanischen Popkünstlers Petite Noir produziert hat und das Elevate als sein absolutes Lieblingsfestival bezeichnet. Seit über zehn Jahren hat er keine Edition ausgelassen. Außerdem vertritt in dieser Nacht P.o.S., kurz für Piece of Shh…, die Belgrader Clubszene, während das heimische Quartett Kompost 3 den Beweis antreten wird, dass sie zwischen Jazz, Pop, improvisierter Musik und komplexer Rhythmusgestaltung keine Grenzen kennen.

Freitag, 21. Oktober, Tunnel:

  • Rebolledo (Hippie Dance, Cómeme/MX)
  • Barnt (Magazine, Hinge Finger/DE)
  • Lena Willikens (Cómeme/DE)
  • Heap (Discus Throwers, Neubau/AT)
Lena Willikens

David Brandon

Lena Willikens

Gemeinerweise passieren in der Freitagnacht am Tunnel-Floor beim Elevate ebenso nahtlos gute Dinge, dass man den steilen Metallgang durch den Berg nicht nur dreimal hinauf und hinunter wird laufen müssen. Getränke vorher bitte in Becher umfüllen! Neben Heap, einem der geschmackssichersten DJs des Landes überhaupt, geben sich dort der mexikanische Supertyp Rebolledo, der Kölner Techno- und Kraut-Experte Barnt vom Label Magazine sowie die umwerfende Lena Willikens, die in ihren Sets geheime Verbindungen zwischen Proto-Techno, Ghost-House, EMB, Electro, Wave, Kraut und anderen obskuren Schätzen offenlegt, die Plattennadel in die Hand.

Samstag

Leider vergisst man bei jedem Elevate ja immer, sich seine Kräfte extra gut einzuteilen, denn sowohl das Diskursprogramm als auch die Nächte fordern regelmäßig auch von geübten FestivalgängerInnen ordentlich Tribut. In der Samstagnacht werden im Grazer Schlossberg gar alle drei Bühnen geöffnet.

Dungeon:

  • JK Flesh live (Downwards, Electric Deluxe/UK)
  • Elisabeth Schimana "Höllenmaschine" live (chmafu nocords/AT) w/ Manon Liu Winter, Gregor Ladenhauf
  • Jan Nemeček live (Norbu/RS)
  • Asfast live (Ventil/AT)
  • DJ Marcelle (Klangbad/NL)
  • Dr. One (klingt.org/AT)
Höllenmaschine

Schimana / Elevate Festival

Der modulare Synthesizer "Höllenmaschine"

Im Dungeon, der von dem britischen Musikmagazin The Quietus gehostet wird, bespielen Manon Liu Winter und Gregor Ladenhauf die von der österreichischen Komponistin Elisabeth Schimana entwickelte "Höllenmaschine" nach den Shows des serbischen Klangkünstlers Jan Nemeček und des österreichischen Experimentalelektronik-Aufsteigers Asfast.

Samstag, 22.Oktober, Tunnel:

  • Clap! Clap! live (Black Acre/IT)
  • DJ PayPal (Teklife, Brainfeeder/US)
  • DJ Earl (Teklife, Footwork Frenzy/US) w/ footwork dancers Sirr Tmo & Dre
  • Regis (Mystic Stylez/RS)
  • Franjazzco (Footwork Frenzy, disko404/AT)
  • Antonia (Canyoudigit, In Dada Social/AT)
DJ Earl

DJ Earl

DJ Earl

Der Tunnel hingegen steht in der Samstagnacht vollkommen unter dem Stern des Footwork. Eine Teklife-Delegation aus DJ Paypal und DJ Earl - inklusive zwei Footwork-Tänzern! - wird kleinteilige Hybride aus bis zu 160 beats per minute, Sample-Wahnsinn, Schnipsel-Stimmen und fetter Bassline ebenso durch die Boxen jagen wie die heimischen SpezialistInnen Antonia und Franjazzco sowie der montenegrinische Mystic Stylez-Vertreter Regis und der italienische Footworker Clap! Clap!, letzterer gerne auch unter Zuhilfenahme afrikanischer Einflüsse.

Samstag, 22.Oktober, Dom im Berg:

  • DVS1 (Hush, Klockworks/US)
  • FunkinEven (Apron Records, Eglo Records/UK)
  • Zombie Zombie live (Versatile Records/FR)
  • In Aeternam Vale live (Dement3d Records/FR)
  • Fauna (Bliss/AT)
Fauna

Fauna

Fauna

In der Samstagnacht passiert beim diesmaligen Elevate zum ersten Mal seit Ewigkeiten nicht die Winterzeitumstellung, was vermutlich genau deswegen zu ebensolcher Verwirrung führen wird wie die zusätzliche Tanzstunde in den vergangenen Jahren. Wenn hinter dem Namen des Abschlussacts DVS1 das Label Klockworks des Berliner Berghain-Hohepriesters Ben Klock steht, dann weiß man schon, dass man sich eher auf nachtschwarzen Techno als auf farbenfrohen, funky Groove einstellen kann.

Diesen trifft man im Dom im Berg eher bei dem Mann an, der einen Teil davon bereits in seinem Künstlernamen FunkinEven trägt und leichtfüßig House, Soul, Hip Hop und, genau, Funk unter einen Hut bringt. Und warum Fauna zu den zur Zeit gefragtesten Liveacts des Landes gehört und sich daran in Zukunft noch lange nichts ändern wird, darf man in dieser Nacht ebenfalls am eigenen Leib erfahren.

Sonntag

Sonntag, 23.Oktober, Orpheum Graz:

  • Swans live (Young Gods Records/US)
  • Anna von Hausswolff live (City Slang/SE)

Am Sonntag zieht das Elevate traditionellerweise zum großen Finale ins Orpheum. Während dort letztes Jahr Matthew Herbert an der jazzig-gutgelaunten Liveband-Umsetzung seines Albums "The Shakes" arbeitete, brechen diesmal die amerikanischen Donnergötter Swans unter der gestrengen Leitung von Michael Gira über den Saal herein. Es gibt Geschichten über Menschen, die bei Swans-Konzerten ihr Gehör und möglicherweise auch ihren Verstand verloren haben. Mit "The Glowing Man" haben Swans auch einen aktuellen Release im Gepäck, und wenn man Giras Satz "Every album is always the last one" wörtlich interpretieren will, dann könnte es sich diesmal tatsächlich um das letzte Werk der Band handeln.

Update 12.10.2016: Es gibt neue Ergänzungen!

Freitag, 21. Oktober:

Kunsthaus Needle, 18:00 - 20:00

  • Max Brand Synthesizer Workshop (Mit Elisabeth Schimana und Gregor Ladenhauf/at)

Parkhouse - Afterhour, 06:00 - 12:00:

  • Madteo (The Trilogy Tapes, Sähkö/it)

Samstag, 22.Oktober:

Ginko Greenhouse - Brunch, 12:00 - 22:00:

  • Apua (Kopf bei Fuss/at)
  • Goldberg (Hedonismus Hacienda/at)
  • Moogle (Bepop Rodeo/at)
  • Puschmann (Hausboot/at)
  • Tornquist (Schwarzes Herz/at)
  • Awo Ojiji (disko404, Sub FM/at)

Parkhouse - Afterhour, 06:00 - 12:00:

  • FriendlyGalaxy (just, Tanz durch den Tag/at)
  • Neubaukind (just, Tanz durch den Tag/at)