Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Lebende Kette"

Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

28. 9. 2016 - 14:08

Lebende Kette

Letztes Wochenende war der bulgarische Ministerpräsindent Boiko Borissov auf dem Flüchtlingsgipfel in Wien.

Mit Akzent

Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharov und sein satirischer Blick auf das Zeitgeschehen - jeden Mittwoch in FM4 Connected und als Podcast.

"Die Leiden des jungen Todor" - Das Buch mit den gesammelten Kolumnen gibt es im FM4 Shop.

Ich sah Borissov, wie er von der Titelseite einer Boulevardzeitung lächelte. Hinter ihm auf dem Foto stand der rumänische Innenminister, der vielleicht aus Versehen von der Zeitungsredaktion auch als Vertrter Bulgariens bezeichnet worden war. So schien Bulgarien das einzige Land auf dem Gipfeltreffen mit zwei Vertretern zu sein.

Abgesehen vom Fehler der österreichischen Zeitung werden die Bulgaren immer besorgter über die Flüchtlingsfrage. Das Land hat eine lange Landgrenze zur Türkei. Man baut dort nicht das erste Mal einen Zaun. Im Sozialismus wurde die Grenze auch strengstens bewacht. Der kleine Unterschied ist, dass die Grenzbeamten damals dafür sorgten, dass niemand das Land Richtung Türkei verlassen kann, und jetzt muss man schauen, dass niemand reinkommt. Die Geschichte Europas scheint oft einer Farce zu gleichen.

Borissow und Kern

APA / Herbert Neubauer

BK Christian Kern (r.) und Bulgariens Ministerpräsident Boiko Borissov im Rahmen des Flüchtlingsgipfes zum Thema "Schutz der Schengengrenze" am 24. September 2016 in Wien

Nach dem Treffen gab der bulgarische Premierminister ein langes Interview. Darin sagte er, falls das Abkommen mit der Türkei nicht halte, müssten alle Bulgaren eine lebende Kette an der Grenze bilden, wie bei der Invasion von Attila. Laut Borissov seien die heutigen Flüchtlinge den Hunen ähnlich, die im 5. Jahrhundert das römische Reich vernichteten. Lustig ist das, weil Attila in Ungarn bis heute für einen großen Heeresführer gehalten wird und einige meinen, dass die Ungarn von den Hunnen abstammen. Heute sind die Ungarn und deren Ministerpräsindent Orbán die größten Migrationsgegner in Europa. Kurz vor dem Treffen in Wien haben Orbán und Borissov gemeinsam den Grenzzaun zur Türkei inspiziert...

Der bulgarische Premier geht einen Schritt weiter: Er meint, dass alle Europäer bei der lebenden Kette an der Grenze mithelfen sollen. Ich versuchte mir vorzustellen, wie die Bürger aller 27 EU-Mitglieder Hand in Hand entlang der bulgarisch-türkischen Grenze stehen, um die Flüchtlinge abzuhalten. Das wird sehr lustig sein. Vielleicht ist das die Antwort auf die Frage der europäischen Integration. Wir werden Hand in Hand neue gesamteuropäische Lieder singen und uns Geschichten erzählen. Die neue europäische Mythologie wird entstehen. So wird die neue europäische Geschichte geschrieben! Hurra!