Erstellt am: 26. 9. 2016 - 15:18 Uhr
Zurück in die "alten, blutigen Zeiten"?
In Polen soll ein Schwangerschaftsabbruch in Zukunft nur mehr möglich sein, wenn Lebensgefahr für die schwangere Frau besteht. Illegale Abtreibungen sollen härter bestraft werden. Zu Gast im FM4 Studio war Brigitte Hornyik vom Österreichischen Frauenring und vom Verein Österreichischer Juristinnnen.
Mitarbeit: Michael Fiedler und Christoph Weiss
Wie sieht denn die Gesetzeslage momentan in Polen aus?
Brigitte Hornyik: Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch war in Polen bis jetzt schon sehr restriktiv. Ein Schwangerschaftsabbruch war nach bisheriger Rechtslage nur erlaubt bei Vergewaltigung sowie bei Gefahr für das Leben des Embryos oder der Frau. Das soll jetzt eingeschränkt werden und nur noch möglich sein, wenn Lebensgefahr für die Frau besteht. Meinen Informationen zufolge liegt noch kein Gesetzesbeschluss durch das polnische Parlament vor, sondern das Parlament hat beschlossen, den Gesetzesentwurf einer Kommission zur Behandlung zuzuweisen. Allerdings hat in dieser Kommission ebenfalls die Partei für Recht und Gerechtigkeit eine Mehrheit wie im Parlament. Polnische Frauen, die die Verhältnisse besser kennen, sagen, es sei nicht zu erwarten, dass die Kommission dieses Gesetz ablehnen wird. Es liegt aber noch kein gültiger Gesetzesbeschluss vor.
Foto Wilke
Bereits jetzt reisen geschätzte 100.000 Polinnen jedes Jahr ins Ausland, um eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Werden diese Frauen in Polen denn juristisch verfolgt? Was wird sich ändern?
Brigitte Hornyik: Dazu kenne ich die polnische Rechtslage zuwenig. Die Strafverfolgung in Polen wird sich aber insoferne verschärfen, weil zusätzliche Fälle dazukommen. Weil eben Frauen, die vergewaltigt wurden, früher legal abtreiben durften und es dann auch nicht mehr dürfen. Aufgrund der Neuregelung werden die Frauen mit mehrjährigen Gefängnisstrafen bedroht, die Strafen wurden hinaufgesetzt.
Wie bei jedem Abtreibungstourismus kommt der Aspekt dazu, dass es manche Frauen gibt, die es sich leisten können, ins Ausland zu fahren, und viele, die es sich nicht leisten können – die dann selbst Hand sich anlegen oder wie in alten, blutigen Zeiten, die auch in Österreich nicht so lange her sind, auf irgendeinem Küchentisch enden. Wo sie dann unter Lebensgefahr und schwerster Infektionsgefahr unsachgemäße Schwangerschaftsabbrüche erleiden.
Der Gesetzesvorschlag in Polen orientiert sich stark an der Gesetzeslage in Irland. Auch dort darf nur abgetrieben werden, wenn das Leben der Frau in Gefahr ist, was die UNO-Menschenrechtsausschuss vor Kurzem als „brutal, diskriminierend und entwürdigend“ bezeichnet hat. In diesen Gesetzen läuft es immer darauf hinaus, dass die schwangere Frau einen triftigen Grund braucht, um abzutreiben zu dürfen. Braucht es den ihrer Meinung nach?
Brigitte Hornyik: Ich denke mir, den braucht es nicht. Niemand sollte das Recht haben, die Gründe, die eine Frau für einen Schwangerschaftsabbruch hat, überprüfen zu dürfen oder ihr einen Schwangerschaftsabbruch zu verbieten. Für mich ist das ein wesentlicher Teil des Selbstbestimmungsrechts der Frauen, das abgleitet wird aus dem Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen ist ein Menschenrecht, das zum weitesten Bereich der Privatsphäre gehört. Der zweite Aspekt ist die massive Gefährung des Rechts auf Leben und Gesundheit der Frauen.
Vor einigen Jahren ist in Irland eine Frau gestorben, weil man ihr den Schwangerschaftsabbruch untersagt hat. Vor eineinhalb Jahren wurde einer geflüchteten Frau, die auf der Flucht vergewaltigt worden ist, in Irland eine Abtreibung untersagt. Sie ist in Hungerstreik getreten, war in einem ganz schlechten Zustand und wurde dann durch einen Zwangskaiserschnitt entbunden. Ich erzähle diesen Fall, damit man nicht nur über Menschenrechte theoretisiert, sondern damit man auch sieht, zu welchen Brutalitäten und Grausamkeiten solche Restriktionen führen. Und typischerweise wirken sie sich am härtesten bei den Frauen aus, die am unteren Ende der sozialen Pyramide stehen, also den geflüchteten Frauen.
In Österreich gibt es die sogenannte Fristenlösung. Abtreibungen sind grundsätzlich illegal, aber in bestimmten Fällen nicht strafbar. Sehen Sie da Handlungsbedarf?
Brigitte Hornyik: Ich bevorzuge den Begriff Fristenregelung. Denn die Fristen-„Lösung“ ist eine Lösung auf der Suche nach einem Problem. Ich sehe das Problem nicht darin, Frauen zu erlauben, über ihren Körper zu bestimmen. Die Firstenregelung gibt es seit über 40 Jahren. Damals war es der einzig mögliche Kompromiss zu sagen, grundsätzlich sei der Schwangerschaftsabbruch verboten, aber in einigen Fällen straffrei. In vielen anderen europäischen Staaten, auch in Deutschland, ist es ähnlich geregelt. Leider hat sich in den letzten 40 Jahren auf der Durchführungs- und Umsetzungsebene nicht allzuviel getan.
Es gibt innerhalb Österreichs nach wie vor einen Abtreibungstourismus. Frauen, die in Wien zuhause sind, haben es relativ leicht, in ein Ambulatorium oder eine Ordination zu gehen und zu zwar nicht niedrigen, aber bezahlbaren Preisen (500 Euro aufwärts) einen Abbruch vornehmen zu lassen – unter angenehmen Bedingungen, auf dem neuesten medizinischen Stand und hygienisch einwandfrei. Die Frauen in Tirol und Voarlberg haben es aber nach wie vor nicht so einfach. Diese Frauen tragen zusätzlich auch noch die Reisekosten. Es wäre wichtig, dass es in allen öffentliche Spitälern in Österreich die Möglichkeit gibt, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Es muss auch Kostenregelungen geben, damit die Entscheidung über einen Abbruch keine ökonomische oder soziale Frage ist. Als Juristin stelle ich mir auch die Frage: Warum muss der Schwangerschaftsabbruch überhaupt im Strafgesetzbuch stehen? Deshalb haben wir auch auf Facebook eine entsprechende Gruppe - Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafrecht - gegründet. Dort informieren wir und vernetzen Gleichgesinnte.
Danke für das Gespräch.