Erstellt am: 24. 9. 2016 - 12:33 Uhr
Girlhood
Die Handlung in "The Girls" lehnt Emma Kline an die Geschehnisse rund um die Morde der "Manson Family" an. Es ist aber nicht der billige laienpsychologische Reißer mit Blut-und-Beuschel-Höhepunkt, den man erwarten könnte.
"Charles Manson hat unter anderem 1969 im kalifornischen Death Valley mit seinem Kumpanen Tex Watson und anderen Mitgliedern Sharon Tate, die schwangere Ehefrau von Roman Polanski, umgebracht und war monatelang raubend, mordend und brandschatzend, sinnlose Verbrechen begehend, durch die Gegend gezogen." (Thomas Müller, "Bestie Mensch. Tarnung. Lüge. Strategie. Ecowin Verlag 2004)
Im Gegenteil, Emma Kline, 27 Jahre alt, wirft vor grausigem Hintergrund ein blendendes Licht auf girlhood an sich: Mit dem Porträt der jungen Evie, die aus Faszination für die wilden Mädchen der Gruppe in die Kreise des gefährlichen Führers rutscht.
"The Girls"
Kalifornien auf dem Höhepunkt der Hippiebewegung 1969. Das wohlstandsverwahrloste und schwer pubertierende Mädchen Evie bekommt in seiner kleinen Welt kaum etwas mit. Vielleicht noch den jungen Mann, der nur mit einem schrumpeligen Beinstumpf aus Vietnam zurückgekehrt ist, vom Hörensagen. Vielleicht die Schlager, die auf die Mondlandung anspielen. Evie ist ein bisschen wie das von Kiernan Shipka verkörperte Mädchen aus "Mad Men" - nur nicht so helle und so stark. Mädchen in Evies Alter werden ignoriert oder von Zeitschriften ruhiggestellt.
Hanser Literaturverlag
Jeden Tag nach der Schule schalteten wir nahtlos in den gewohnten Gang der Nachmittage um. Vergeudeten Stunden mit irgendeiner geschäftigen Aufgabe: Folgten Vidal Sassoons Vorschlägen für Smoothies aus rohen Eiern zur Kräftigung der Haare oder stocherten mit der Spitze einer sterilisierten Nähnadel an Mitessern herum. Das permanente Projekt unseres Mädchenselbst schien sonderbare und präzise Aufmerksamkeit zu verlangen. Als Erwachsene wundere ich mich über die schiere Menge an Zeit, die ich damals vergeudet habe. Was man uns an Genüssen und Entbehrungen von der Welt erwarten lehrte, die Countdowns in Zeitschriften, die uns drängten, uns dreißig Tage im Voraus auf den ersten Schultag vorzubereiten.
28. Tag: Lege eine Gesichtsmaske aus Avocado und Honig auf.
14. Tag: Überprüfe, wie dein Make-up bei unterschiedlichem Licht (natürlich, künstlich, Dämmerung) wirkt.
The Twist
Autorin Emma Kline tut etwas Unerwartetes. Der charismatische Leiter der kleinen Gruppe, der kosmische Liebe predigt und dabei die Arbeits- und auch sexuellen Kräfte der Mädchen ausbeutet, ist bei Kline auch nur ein armes Würstchen. nur die Kulisse für eine Mädchenwelt, die das wirkliche Zentrum des Buches ist. Evie ist gebannt von der wilden Suzanne.
Rolling Stone Magazine
Suzannes Aufmerksamkeit hatte etwas Widerwilliges, und das machte sie umso wertvoller. "Lass mich dir Zöpfe flechten", sagte sie. "Komm her. Deine Haare verheddern sich, wenn du sie beim Tanzen offen trägst."
Suzannes Beine zu beiden Seiten von mir, setzte ich mich vor ihr auf den Boden und versuchte, mich mit der Nähe, der plötzlichen arglosen Intimität wohlzufühlen. Meine Eltern waren nicht sehr liebevoll, und es überraschte mich, dass mich jemand jederzeit anfassen konnte und das Geschenk seiner Hand so gedankenlos gab wie einen Kaugummi.
Es war eine unerklärliche Wohltat. Ihr herber Atem an meinem Hals, während sie mein Haar nach einer Seite strich. Die Finger über meine Kopfhaut spazieren ließ und einen geraden Scheitel zog. Sogar die Pickel, die ich auf ihrem Kinn gesehen hatte, wirkten indirekt schön, wie die rosige Flamme, die ein inneres Übermaß sichtbar machte.
Bis knapp vor Ende der Erzählung lässt Kline offen, ob das willige Opfer Evie nun an den grausamen Morden der Gruppe beteiligt war oder nicht. Und hier kommt Klines Twist: Es ist nicht nur die Hörigkeit der Mädchen, die zur Eskalation der Gewalt führt. Es ist der lange schon brodelnde Hass einer Gruppe der Gesellschaft, die immer nur ausgebeutet, für dumm verkauft und gering geschätzt wurde. Unterschätze nie die Girls, scheint Kline zu sagen.