Erstellt am: 22. 9. 2016 - 16:49 Uhr
Schöne Schwarz-Weiß-Malerei
Jeder schaut verdammt cool aus in diesem Film. "The Magnificent Seven", diese Renegaten-Gang, die eine Kleinstadt voller harmloser Bürger vor einem übermächtigen Feind retten soll, wirkt wie einem feuchten Revolverhelden-Traum entsprungen. Die Bösewichte strahlen gefährliche Coolness aus. Sogar unter den armen, gebeutelten Bewohnern des Provinznests Rose Creek tummeln sich jede Menge cooler Typen.
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Und ja, einen schwarzgekleideten Denzel Washington in der flirrenden Hitze heranreiten zu sehen, die Hand bereit am Colt, das hat schon was. Über die zahllosen Close Ups auf schicke Gürtelschnallen oder schnittige Boots würde ich mich jetzt als Liebhaber schnittiger Western-Ästhetik auch nicht beschweren. Aber lohnt es sich auch, unter die Fassade der glorreichen Sieben zu blicken?
Im Grunde erzählt Antoine Fuquas neuer Film dieselbe Geschichte, die schon in zwei legendären Streifen zuvor aufgerollt wurde. 1960 transformierte John Sturges, ein Hollywood-Handwerker und Spezialist für schnörkelloses Genrekino, den eher zurückhaltend inszenierten japanischen Schwertkampf-Klassiker "Seven Samurai" von Akira Kurosawa in einen actionreichen Erfolgswestern. Die Cowboyversion verwandelte Schauspieler wie Yul Brynner oder Steve McQueen endgültig in Superstars ihrer Zeit, verhalf Horst Buchholz zu einer internationalen Karriere und brannte sich mit dem Titelthema von Elmer Bernstein in die Gehörgänge ein.
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Vereint gegen den Raubtierkapitalismus
Rekrutierten anno 1960 die wie hilflose Hascherl wirkenden Einwohner eines mexikanischen Grenzstädtchens eine Gruppe Desperados, um sie vor den Erpressungen eines schmierigen Gangsterboss zu schützen, will diesmal ein reicher Geschäftsmann und Minenbesitzer (herrlich over the top: Peter Saarsgard) ein US-Provinzstädtchen dem Erdboden gleich machen. Der unterschwellige Rassismus, der dem Original bisweilen vorgeworfen wurde, hat bei Antoine Fuqua keinen Platz, im Gegenzug steht der/das Böse für den Raubtierkapitalismus des Bankenwesens der Gegenwart.
Politische Korrektheit scheint überhaupt zentral für den Filmemacher zu sein, der sich mit bewusst dumpfen Actionkrachern ("Olympus Has Fallen") wie plakativen Portraits diffiziler Übermänner-Figuren ("Southpaw") einen Namen machte und mit dem Asphaltdschungel-Epos "Training Day" berühmt wurde. Setzten sich die glorreichen Sieben 1960 großteils aus Weißbrot-Darstellern zusammen, gibt sich die coole Gang 2016 natürlich multiethnisch.
Einen Native American (Martin Sensmeier), einen Mexikaner (Manuel Garcia-Rulfo), einen Chinesen (vom Koreaner Byung-hun Lee gespielt), einen Iren (Chris Pratt), einen psychotisch angehauchten Redneck (Vincent D'Onofrio) und einen vom Krieg traumatisierten US-Scharfschützen (Ethan Hawke), angeführt von einem Afroamerikaner (Washington) kämpfen zu sehen, begleitet von einer emanzipiert wirkenden Farmerstochter (Haley Bennet) als achtem Mitglied, unter der Regie eines Afroamerikaners, so ein Line-Up heischt nach liberalem Beifall.
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Männer-Utopie ohne Brüche
Im Vergleich etwa zu Quentin Tarantinos "Django Unchained", der jeden provokativen Moment diesbezüglich auskostete, ist die Hautfarbe der Protagonisten in "The Magnificent Seven" aber inhaltlich kaum ein Thema. Ideologisch verfolgt der Film mit seiner recht strengen Grenzziehung zwischen Gut und Böse und einem glorifizierenden Heldenbegriff überhaupt eine Linie, die die Postmoderne ignoriert und zur Schwarz-Weiß-Malerei ganz klassischer Hollywood-Western zurückgeht.
Sogar im Original von John Sturges, einem Film, der 1960 noch Jahre von den amoralischen Italowestern und den blutigen Wild-West-Abgesängen eines Sam Peckinpah entfernt ist, flackern in den Reihen der sieben Titelfiguren Zweifel an ihrer edelmütigen Mission auf. In wenigen melancholischen Dialogsätzen zwischen Yul Brynner, Steve McQueen und Robert Vaughn kündigt sich in diesem ansonsten braven Film auch das Ende der verlogenen Cowboy-Ära und des Rauhbein-Machismo an.
Bei Antoine Fuqua stört keine Krisenstimmung die Testosteron-Idylle. Durch den gemeinsamen Feind geeint, leben die "Magnificent Seven" eine selbstverständliche Männer-Utopie, bei der es höchstens mal zu niedlichen Neckereien zwischen Indianerhasser und Indianer kommt. Dazu passt, dass, wie zu den längst vergangenen Zeiten eines John Wayne, auch nie Blut fließt oder gar spritzt, wenn eines der unzähligen Opfer durchlöchert wird.
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Sampling quer durch die Westerngeschichte
Ist diese Neuauflage also ein antiseptischer, überkorrekter und gleichzeitig verstaubt altmodischer Western, was sich alles zusammen nicht gerade attraktiv anhört? Ja, aber genau diese Widersprüche machen, zusammen mit dem erwähnten Coolness-Bonus, auch irgendwie den Reiz aus.
Und dann ist da das Ensemble, dessen Attraktivität und Chemie miteinander auch in den fantasielosesten Szenen punktet. Denzel Washingtons versteinerter Blick, Chris Pratts Lässigkeit (auch ohne ironische Trademark-Oneliner), Ethan Hawkes innere Zerissenheit, das Charisma von Byung-hun Lee und das Feuer, das in Haley Bennets rächenden Augen leuchtet, trösten über die Berechnenbarkeit hinweg.
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Fazit: In "The Magnificent Seven" wird nichts neu definiert oder gar erfunden, Antoine Fuqua sampelt sich bloß durch die Western-Geschichte, gestützt vom überraschend konventionellen Drehbuch des "True Detective" Autors Nic Pizzolatto. Spaß macht dieser überraschend ernste Film aber dennoch.