Erstellt am: 21. 9. 2016 - 16:13 Uhr
Kunstvolles Fertigsein mit Atmosphäre
In einem knappen Moment des Comic Reliefs wird die Hauptfigur der Serie "Quarry" treffend als Mann beschrieben, der vornehmlich Folgendes tut: stares at stuff a lot, so hören wir.
In der eben angelaufenen, auf einer Romanreihe des US-amerikanischen Autors Max Allan Collins basierenden Cinemax-Show "Quarry" gibt der Tom-Hardy-Doppelgänger Logan Marshall-Green den Vietnam-Veteranen Mac Conway, der nach zwei Kriegseinsätzen 1972 in sein Heimatstädtchen in Memphis zurückkehrt und dort nicht das erwartete, erholsame Idyll vorfindet.
Er und sein bester Freund Arthur sollen in Vietnam an einem Massaker beteiligt gewesen sein und werden so zuhause von der Mehrheit der Bevölkerung nicht gerade als Helden empfangen.
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Kein Job, das Geld wird knapp, die Beziehung zu Ehefrau Joni ist nach der langen Trennung gespannt. Conway vertreibt sich die Zeit mit schmerzvoller Introspektive, erratischen Aggressionsausbrüchen, Whiskey und stumpfem Glotzen. Trotz anfänglichen Widerwillens gerät er durch ungünstige Verstrickungen und aus Mangel an Alternativen schnell in die Fänge eines ominös funkelnden Oberbösewichts, der sich selbst "The Broker" (Peter Mullan, "Top of the Lake") nennt und Conway als Auftragskiller in seine Dienste nötigt. Nach Plan laufen diese Aufträge so gut wie nie.
"Quarry" – das bedeutet auf Deutsch "Steinbruch". In einem frühen, unfreundschaftlichen Stelldichein zwischen Mac Conway und dem Broker ebendort meint der Broker ostentativ sinnspruchhaft, Conway sei so einem geschundenen Steinbruch doch charakterlich ganz ähnlich: innerlich ausgehöhlt und hart wie Stein. Von nun an wird Mac den Spitznamen "Quarry" tragen.
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Wir befinden uns also in einer Welt der Pulp Fiction, in der harte Männer viel schwitzen und nicht viel, aber wenn, dann markige Worte sprechen. Die Erfinder Graham Gordy und Max D. Fuller sowie Regisseur Greg Yaitanes bemühen in "Quarry" aber nicht comichafte Überzeichnung oder neonausgeschilderte Ironie.
In der ähnlich gelagerten Show "Banshee" hat Yaitanes bewusst Trash- und Humor-Appeal herausgearbeitet, "Quarry" lebt vielmehr von einer meditativen Qualität und will die Zerrissenheit seiner Figuren wie in bittere Melasse eingelegt ausstellen.
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Von einer Flasche zur nächsten hangelt sich Quarry, er raucht, kämpft mit dem Mobiliar seines Hauses, sitzt in Bars. Nebenbei brummt und zittert oft ungut summende Ambient-Musik in Zeitlupe, seltsame Visionen und Traumata scheinen dem innerlich Vergilbten durch den Kopf zu ziehen.
Der Umgang mit Tempo und Dynamik ist eine der Stärken der Serie: Langatmige, zähflüssige Szenen des Innehaltens und Reflektierens, mitunter von fast schon traumhafter, surrealer Qualität, wechseln sich mit rasanten Shoot-Outs, brutalen Prügeleien und betont körperlicher Action ab.
Conways Verhältnis zu Ehefrau Joni (herausragend: Jodi Balfour) taumelt zwischen ebenfalls energischem Körpereinsatz, stillen, intimen Momenten der Vertrautheit, gemeinsamem Durchhalten, gegenseitiger Enttäuschung, Zermürbung und punktuellen Augenblicken des Hasses.
In opulent und genau geschnitzter Kulisse, zwischen der oft etwas schwerfällig bemühten Übermittlung von Zeitkolorit, tagespolitscher Rahmung und dem schweren Dunst, der über dem Mississippi liegt, bringt Damon Herriman (kennt man als Dewey Cox aus "Justified") als betont schräge Type gleichermaßen Blitze des Wahnsinns und Terrors wie humoristische Auflockerung ins Geschehen.
Als der Vernunft völlig entkommener Killer Buddy singt er in Unterhosen schon mal zu einer spanischen Version von Harry Nilssons "Without You" Karaoke, genauso hat er ohne Zögern, kuckt ihn mal einer kurz krumm an, eine Waffe zur Hand oder bearbeitet unliebsame Gegenspieler unsanft mit einem mit Nägeln verzierten Baseballschläger.
"Quarry" lässt den Plot oft bewusst in Warteschleife laufen, setzt Pausen, folgt nicht zwingend spannungsgetriebener Krimi-Logik. Vieles ist Atmosphäre, wir sehen Menschen, deren moralische Justierung Wandel durchläuft, Menschen, die sind.
Immer wieder wird Mac Conways seltsame Faszination für ruhende Wasser ins Bild gesetzt, wie ein toter Mann treibt er durch den hauseigenen Swimmingpool. Dazu läuft die sinnlichste Soulmusik, Country und kerniger Bluesrock. Und Otis Redding singt davon, wie sich das anfühlen kann, wenn man meint innerlich zu vertrocknen.