Erstellt am: 21. 9. 2016 - 16:29 Uhr
The daily Blumenau. Wednesday Edition, 21-09-16.
#oemt16 #medienpolitik
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Es ist eine seltsame Branche, die sich bei diesem Medientagen trifft: sie ergeht sich in zuvorderst in weitreichenden Vorhersagen, zu wie viel Prozent die digitalen (noch ohne optimales Geschäftsmodell daherkommenden) Medien die analogen (mit ihrem Geschäftsmodell dahinschwächelnden) Medien noch anknabbern werden, bezeichnet den Markt als Versager und fordert - wie es gerade passt - viel mehr oder viel weniger Regulierung. Und tut die fortgesetzte Feststellung, dass keine andere Branche so wenig in Innovation und Forschung steckt, mit einem Lächeln ab, als wär's ein Kompliment.
1) Die Sache mit dem Marktversagen
Als der neue Medienminister Thomas Drozda (der neue Hoffnungsträger, dessen Vorgänger Veranstaltungen wie die Medientage mied und im Vorjahr von Staatssekretär Mahrer - dem damaligen Hoffnungsträger - quasivertreten wurde) von der Neugestaltung der Presse/Medienförderung sprach und dabei den offenbar in der Enquete am Tag zuvor akkordierten Begriff des Marktversagens verwendete, nickten die Vertreter der Verbände österreichischer Zeitungen und Privatsender im Takt dazu.
Der Merksatz lautet nicht "Wenn der Markt hierzulande versagt, ist Regulierung durch staatliche Förderung/Eingriffe nötig." sondern "Weil der Markt hierzulande versagt, ist Regulierung durch staatliche Förderung/Eingriffe nötig." Das Marktversagen ist also quasi amtlich.
Nun ist im Kapitalismus (und zu dem bekennen sich wohl alle Unternehmen, alle kommerziell orientierten Medien) nur eines wirklich heilig: der alles regulierende Markt. Selbst eindeutig dem Staat zugeordnete demokratiepolitische Aufgaben (Stichwort: öffentlich-rechtliche Grundversorgung) werden unter Bezugnahme auf den ja wohl auch von privater Seite bedienbaren Markt durch beharrliches Hinterfragen (mit blinkenden Comic-Dollarzeichen in den Augen, heute von Wolfgang Fellner, dem viel zu viel reguliert wird, prototypisch vorgeführt) in bereits destabilisierender Weise ausgehöhlt. Wenn man sich allerdings darauf einigt, dass der Markt (also der Souverän des kommerziellen Mediums) versagt, dann gelten solche Grundsätze, dann gilt das zentrale Selbstverständnis nicht mehr. Dann gilt das, was für die Banken galt, die auch dringend gerettet werden mussten.
Ich weiß, das ist ein mehrfach ungerechter Vergleich. Selbst Fellners Halbgratisblatt tut (ein bisserl) mehr für die Entwicklung einer kritischen Öffentlichkeit als jede Bank. Und der österreichische Markt ist eng (je Nische, desto) und wird nicht nur von den globalen Kraken, sondern auch dem großen deutschsprachigen Nachbarn gemolken und die wegen inexistenter bzw. gewollt mieser Medienpolitik im letzten Jahrtausend gewachsene Marktkonzentration auf wenige Oligopole ist die Pest. Und ja, so etwas wie Qualitätsjournalismus ist, nachdem ihn die Masse in Österreich nicht will/braucht/annimmt, sondern sich lieber durch hysterisch aufgeblasenes Hörensagen informiert fühlen mag, nicht durch die Schalmeienklänge des ÖMV-Öffentlichkeitsbeauftragten, auch nicht durch fördernde Koops mit den Silicon Valley-Riesen zu retten/sichern, sondern nur durch sinnhafte Investitionen aller Player. Und ja, da hat der Markt versagt, in jeder Hinsicht. Eh.
Der Hinweis auf dieses Paradox eines den Staat anbettelnden Kapitalismus ist aber dringend nötig. Und der Hinweis darauf, dass es vielleicht z.B. noch eine Ecke nötiger wäre, eine nicht an gesunder Ernährung interessierte Bevölkerung vor Verfettung und Herztod zu bewahren indem der Staat nach diesem "Marktversagen" höherwertige Produkte massiv preisstützt um den gruseligen Tiefpreis-Dreck wegzudrängen.
Letztlich existiert dieses Marktversagen nämlich in praktisch jeder Branche. Natürlich ist es im Bereich der Medien von besonderer Dringlichkeit, zumal ihre Erosion die Fundamente der Demokratie gefährdet. Ja, eh. Nur: dieser privilegierten Lage sollte man sich bewusst sein. Und sie mit einer gewissen Demut (wie sie etwa der Erfüllung eines öffentlich-rechtlichen Auftrags innewohnt) annehmen. Und sich vielleicht auch eingestehen, dass der reine, blanke Turbokapitalismus eben nicht wirklich so funktioniert, wie er es allen vorgaukeln will.
Näher an diesem Ideal dran ist die Schweiz, die offenbar kein Regulierungs-Problem erkennt, wenn sich der öffentliche Rundfunk, ein Telekom-Unternehmen und ein großer Verlag zusammentun um so Facebook, Google und Co besser entgegentreten zu können. Im Kleinen wurde ein solcher Schulterschluss ja auch schon für Österreich angedacht (im Vorjahr an selber Stelle), seitdem ist aber wenig passiert, außer dass sich ein Wortführer im Kampf gegen die Silicon Valley-Kraken mit Amazon ins Bett gelegt hat.
2) Die Sache mit der fehlenden Forschung und Innovation
Der Satz, dass keine große Branche so wenig in Innovation, Forschung und Entwicklung investiert wie die Medien-Branche war bereits letzte Woche aufzuschnappen - gestern fiel er auch Medientage-öffentlich: Veit Dengler (NZZ, nzz.at) klagte an, die kollektive Reaktion der Branche war betretene Ertapptheit.
Ich hab mich im ersten Moment gewundert, sind mir doch mehr als nur ein Innovationskreis in mehr als nur einem großen Medienhaus bekannt. Und nachdem das meist sehr geheim ist, hätte meine Hochrechnung eigentlich eine Vielzahl solcher Gruppen ergeben.
Im zweiten Moment hab' ich dann meinen Denkfehler erkannt: was fehlt sind offizielle, budgetär und organisatorisch erfasste Stabstellen, die Innovationen koordinieren und echte Forschung betreiben, und nicht informell geschaffene Kreise, die Medienmächtige mit Weitblick quasi nebenher (macht's einmal!) mateschitzesk laufen lassen.
Das ist sehr österreichisch und immerhin, besser als nichts. Aber nicht ansatzweise das, was jede andere Branche unternimmt um sich zukunftsfest zu machen. Bis dato (also so bis vielleicht 2000) war eine Innovations-Abteilung nicht nötig, weil eh alles easy lief bzw die Zukunftstechnologien sich zunächst automatisch ihre Wege gebahnt haben, mittlerweile geht die Notwendigkeit weit über klassische Programm-Entwicklung hinaus, überspannt Form und Inhalt, Bereiche wie neue Kanäle, Ideen für technische Umsetzbarkeit oder einfach gänzlich anderes storytelling, die Abdeckung des Grundbedürfnisses der in ein Narrativ gepackten Wertschätzung des Individuums.
Dass Denglers Vorwurf-Satz definitiv ins Leere gefahren ist und keinerlei Weckruf war, zeigte sich beim Panel zum Thema "Neue Channels" (mit vice, youtubern etc). Diese new breed und das was sie zu sagen hatten, hat sich kein einziger der sonst bei jeder redundanten Insider-Jammerei den Saal verstopfenden Vertreter der alten Medien angesehen/hört, kein einziger der selbsternannten Kategorie "wichtig". Eine Katastrophe - nicht nur für die somit jetzt schon künftig ehemals "Wichtigen" - sondern für die Branche, die sie in dieser Hinsicht eben fahrlässig führen.
Deshalb sollte Veit Denglers Satz eine wesentliche Erweiterung erfahren: Keine Branche investiert so wenig in Innovation und Forschung wie die Medienbranche; und nirgendwo herrscht dazu größeres Desinteresse als in Österreich.