Erstellt am: 19. 9. 2016 - 15:53 Uhr
The daily Blumenau. Monday Edition, 19-09-16.
#demogagie #demokratiepolitik
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
DERJENIGE Unterschied, der nach einem USA-Aufenthalt und dem Rücksturz in den mitteleuropäischen Alltag immer am alleraugenfälligsten wird, ist der Zugang der Menschen im Dienstleistungs-Sektor. In den USA, wo der Kapitalismus, dieses Jeder-seines-Glückes-Schmied als virtuelles Häkeldeckerl in den Köpfen steckt, ist jede Tätigkeit immer nur eine Stufe auf einem Weg zum Besseren, Höheren, Ertragreicheren sowie eine Übung in Professionalismus. Hierzulande, vor allem in Österreich hat jedes Handeln und Tun der Einzelnen Opfer-Charakter: man macht es, jammert drüber und erwartet allein dafür entsprechende Streicheleinheiten für die erwiesene Gnade überhaupt i/am Arbeitsmarkt teilzunehmen.
UND selbst da ist noch Luft nach unten. Ein Beispiel: bei der letzten Neuübernahme der ORF-Kantine, als der Neubewerber selbst im Probelauf die (mäßigen) Leistungen des Vorgängers unterbot, gab sich zumindest das übernommene, beide Welten kennende Personal, solidarisch. Beim aktuellen Qualitäts-Downsizing (die sich durch den Pauschalpreis, den die trägen Träger des Kapitalismus sofort zum Anlass nehmen in einen 5-Jahres-Plan nach Art des versunkenen Ostblock-Kommunismus zu versinken, nicht komplett erklären lässt) höhnt auch die Belegschaft ("ich hab was Besseres zu tun!") mit.
NUN ist die Unbill, das Unwohlsein des Arbeitnehmers im Jahr 2016 natürlich nachvollziehbar: der Kapitalismus fickt sie/uns alle. Also geht es darum, wie man, wie wir damit umgehen. Da sich kaum jemand den Düringerismus, also das durch entsprechenden finanziellen Polster abgesicherte Aussteigertum, leisten kann, gibt es für die Masse eigentlich nur zwei Wege: die Aufstiegssuche (der amerikanische Traum eben) oder die Rebellion bzw die Veränderung des Systems zum Positiven. Beides hat in Österreich historisch nur recht mäßig funktioniert. Beides bedingt nämlich persönlichen Einsatz, Willen und Beschäftigung (mit dem eigenen Leben).
ZWISCHENZEITLICH hat sich der dritte Weg durchgesetzt: wenn sich zum unwilligen Unprofessionalismus und seinem Begleiter, dem ewigen Gejammer, noch das Outsourcing der eigenen Ohnmachts- und Angstgefühle an alles gierig aufsaugende, nicht mit den Komplexitäten der Lösungsfindung belastete, sondern meinungselastische Volkstribune gesellt, dann ist der mitteleuropäische Mix dieses dritten Weges fertig. Und in der Tradition des deutschsprachigen sowie südosteuropäischen Raumes bedeutet das: rechtsextreme und xenophobe Demagogen haben ein Heimspiel.
DER Unterschied zu den Trumpisten ist eklatant. Zwar fallen auch dort Versprechungen die Ausländer durch Mauern und Verbote abzuhalten auf fruchtbaren Boden, weil die (künstlich geschürte, irreale) Annahme, dass sich dadurch neue Arbeitsplätze auftun würden, ein schönes Irrlicht bietet, dem zu folgen leicht fällt. Im Unterschied zu Mittel/Osteuropa aber gilt das (auch für die wildesten Hinterwäldler) nur als verbesserte Basis für ihren persuit of happiness. Der kleine US-Bürger hetzt da hinter demselben Phantom her wie der europäische Wirtschaftstreibende: beide glauben an den Spruch von der gutgehenden Wirtschaft, die allen was bringt.
HIERZULANDE erwartet die Angstgefolgschaft allerdings, dass ihre grandiose Bemühung (nämlich die reine unter Jammer vollzogene Stimmabgabe) ihr Opfer danach ihr weiteres Leben trägt. Dass sich durch Vertreibung des Fremden, Zerstörung von Eliten und Lügenmedien, Abschaffung von demokratischen Strukturen sowie Aufbau von Herrschaft durch Tribune und Sicherheits-Milizen im Rahmen einer von Demoskopie und Boulevard getriebenen Dauerabstimmung wie von selber Pfründe auftun, die besetzt werden müssen. So etwas wie eine strukturelle Arisierung müsserte halt her, und das geht auch ganz ohne Juden.
FÜR die Abgehängten und Prekarisierten ist dieser dritte Weg mittlerweile die einzig denkbare Zukunftsvorstellung: Neu/Umverteilung. Für eine angstvoll gegen den Abstieg strampelnde untere Mittelschicht ist es das Aufrücken in die dann freiwerdenden Margen eines neuen, tendenziell völkisch organisierten Bürgertums. Und es ist der (in diesem Fall dann eben neue, die dritte Republik ausrufende) Staat, an den alle Hoffnungen gerichtet sind, eine neue, führungsstarke Kraft, an deren Milchzitzen man sich sattsaugen kann. Eine Kraft, die den aktuellen, von der globalisierten Ökonomisierung leergesaugten demokratisch organsierten Staat ersetzen soll.
GENAU das ist der Punkt, in dem sich Trumpisten und europäische Rechtspopulisten in größtmöglicher Verständnislosigkeit anglotzen. Der Kapitalismus in Reinkultur, dem Trump aktuell vorsteht, würde - selbst wahlversprechenstechnisch - nie ein vergleichbares Angebot legen: die amerikanische Fremdenfeindlichkeit ist verhandelbar, sobald es ums Business geht. Der europäische Ansatz, der Proto-Faschismus und Versorger-Sozialismus mischt, drängt die politische Führung hingegen in eine potentiell aktive Täterrolle. Aus der sich die Befürworter und Unterstützer an der Basis, die sich in ihrer Jammer- und Opferrolle gefestigt haben, auch diesmal wieder bequem herausreden werden können.